Warum man nicht in Unterwäsche an die Tür gehen sollte

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Das Lied da oben hat absolut nichts mit der Geschichte zu tun, ich habe einfach nur einen furchtbaren Ohrwurm - seit einer Woche! - und ich genieße ihn.




Mein Kissen war mein bester Freund. Momentan war es allerdings mein nasser bester Freund und ich mochte keine nassen Sachen. Die erinnerten mich an Bus-Unfälle.

„Ach, scheiße!" Ich grub meine Nase trotzdem tiefer in den Stoff.

Es war alles die Schuld meiner Mutter. Hätte sie nicht ihre komischen Regeln, wäre das alles ganz anders verlaufen. Dann hätte ich Alexander völlig souverän sagen können, dass ich selbstverständlich vorbeikommen würde, und mich schick gemacht und ihn auf der Party abgefangen und er hätte mich geschnappt und nach oben in eines der Schlafzimmer entführt, um mir-

Ich stemmte mich hoch.

Ob ich meinen Eindruck wieder gutmachen könnte, wenn ich entgegen meiner Absage doch auftauchte? Vielleicht würde mich das wie einen richtigen Rebellen aussehen lassen. Als wäre ich ein ungezogener Junge ... nur war ich in echt leider keiner. Meine große Klappe endete bei Respektspersonen. Komplett sinnbefreit also, darüber zu fantasieren, wie Alexander mir das Hirn aus dem Leib vögelte. Außerdem bereitete die Vorstellung davon mir Schwierigkeiten in meinen Boxershorts und ich hatte gerade überhaupt keine Lust auf ein Date mit meiner rechten Hand. Nur auf eines mit Alexanders linken.

Seufzend ließ ich mich wieder vornüber ins Kissen fallen.

Das würde jetzt wohl alles wirklich nur Wunschdenken bleiben.


Dachte ich jedenfalls.


Postboten waren seltsame Menschen. Also, nicht generell und personenübergreifend, aber unserer musste einen an der Waffel haben, wenn er schon um zwanzig nach sieben seinen Allerwertesten hinters Steuer schwang. Ehrlich, wieso klingelte wer vor der hochheiligen acht-Uhr-morgens-Marke? Das durfte man nicht. Basta.

„Meine Fresse." Ich riss die Haustür auf. „Haben Sie keine Familie, bei der Sie um diese Uhrzeit sein sollten?"

„Leider nicht. Meine Eltern und meine Schwester leben in der Schweiz. Bin vollkommen allein hier."

Ich blinzelte. Weil ich halluzinierte. Weil ich halluzinieren musste, alles andere würde nämlich bedeuten, dass da keinen halben Meter von mir entfernt Alexander stand. In voller Montur, minus Blazer, der hing locker über seiner Schulter, im gleichen tiefdunkelblau wie seine Hose, während ich meinen Pyjama trug. Nur dass mein Pyjama aus knallengen Boxershorts und einem T-Shirt bestand, dass es toll fand, mir gerade mal bis zu den Hüftknochen zu reichen. Und das ausgerechnet an dem Morgen, an dem ich mich für Zebra-Unterwäsche entschieden hatte.

Ich war ein Bild für die Götter. Für die in der Unterwelt.

„Du bist nicht unser Postbote", stellte ich klar, nur um mit allen Ungereimtheiten aufzuräumen, und schlug ihm dann in einer ruckartigen Bewegung die Tür vor der Nase zu, weil Zebra-Unterwäsche. Ich hatte Alexander nicht erlaubt, mich in meiner emotional-support-Shorts zu sehen!

„Okay, okay, okay, okay." Ich wischte mir übers Gesicht. Das war doch eigentlich nicht schlimm, oder? Bestimmt hatte jeder heimlich ein Paar besonders peinlicher Boxershorts bei sich im Schrank liegen. Er auch, da war ich mir sicher. Vielleicht hatte er sie sogar gerade an und-

-ich riss die Tür wieder auf. „Wie sehen deine Shorts aus?"

Er schien für einen Moment tatsächlich überrascht – hundert Punkte für Jonah! –, bevor er den Kopf schief legte und den Blick senkte. „Fragst du, weil du wissen willst, ob meine auch so süß sind wie deine?"

Morbid AppetiteWhere stories live. Discover now