Warum man es sich nicht mit dem Gastgeber verscherzen sollte

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Oder doch nicht – denn genauso gruselig, wie er damals eine Wasserflasche parat gehabt hatte, als ich fast an der Umgebungsluft erstickt wäre, tauchte er jetzt aus den Untiefen des Waldes um das Anwesen herum auf, als hätte er nur darauf gewartet, Ritter in strahlend blonder Rüstung zu spielen.

Wenigstens sah er endlich ein, dass er als Kerl eine gewisse Verpflichtung gegenüber meinem leiblichen Wohl hatte. Gegenüber ihm und meinem Seelenheil, weil ich wirklich, wirklich Schiss gehabt hatte, verflucht!

„Juli." Es brauchte nur dieses Wort, um das Arschloch vor mir erstarren zu lassen. „Möchtest du mir erklären, was du da gerade Schönes machst?"

Julius nahm sofort die Finger von mir, als hätte er sich verbrannt. „Nichts. Wir unterhalten uns nur."

„Echt? Worüber", Alexander legte ihm von hinten beide Hände auf die Schultern, drückte zu, „unterhaltet ihr euch denn?"

„Uni-Zeugs." Vielleicht bildete ich mir das nur ein, aber irgendwie sah er selbst im blassen Licht der Terrasse, das ums Eck zu uns schien, plötzlich ziemlich käsig aus.

„Mh." Alexander gab ein zustimmendes Geräusch von sich. „Dann habe ich mich nur verhört, als du Jonah eben gesagt hast, er hätte hier nichts zu suchen, obwohl ich ihn extra höchstpersönlich eingeladen habe?"

Julius schluckte. Seine gesamte Aufmerksamkeit lag auf dem Mann hinter ihm und ich nutzte die Chance und bewegte mich langsam rückwärts, außerhalb seines Greif-Radius'. Nur zur Sicherheit.

„Keine Antwort? Schade." Alexander ließ ihn los, trat einen Schritt zur Seite und sah ihm mitten ins Gesicht, lächelnd, sanft lächelnd, so extrem, dass es viel zu überzogen wirkte – was sich bei seinen nächsten Worten auch bestätigte. „Ich dachte, vielleicht bist du endlich ehrlich zu dir selbst und gestehst dir ein, dass du neidisch auf ihn bist. Weil ich ihn ganz offensichtlich will, während du dich jeden Tag aufs Neue anbiederst und mich trotzdem einen Scheiß interessierst."

Hatte er gerade gesagt, dass er mich wollte? Mein armes Herz! Wie konnte er es wagen, es durcheinander zu bringen?

„Ich habe es dir von Anfang an gesagt. Es ist nicht meine Schuld, wenn du dir einredest, ich könnte irgendwann mehr für dich empfinden, wenn du nur oft genug die Beine breit machst. Aber das wird nicht passieren, weil du", er kam Julius noch näher, bis seine Lippen seine linke Ohrmuschel streiften, „leider nur ein ziemlich mittelmäßiger Fick bist."

Julius schnappte nach Luft. Nicht auf die eingeschnappte Art, sondern die, die selbst mir als Außenstehenden sehr deutlich zeigte, dass er gleich in Tränen ausbrechen würde. Und das sollte mich bestimmt irgendwie treffen, weil der Typ, von dem ich mich gerne flachlegen lassen wollte, gerade ein super-großer Wichser war und das auch noch ausgerechnet zu einer Person, über deren Gefühle er Bescheid wusste, bloß rührte es nicht einen einzigen Funken Mitleid oder Besorgnis in mir. Stattdessen fühlte ich mich besonders. Schließlich hatte Alexander Julius gerade wegen mir in den Wind geschossen. Da machte es auch nichts, wenn er mich in zwei Tagen genauso behandeln würde. Vielleicht wollte ich das sogar, so verdreht, wie ich im Kopf war.

„Und jetzt solltest du besser gehen, bevor ich ernsthaft wütend auf dich werde." Das Lächeln schwand, aber Julius stand weiter wie angewurzelt da, völlig bewegungslos.

Dann: „Ich war Jungfrau."

Oha.

Ich starrte Julius an. Er war nicht käsig, er war ein klitzekleines Häufchen Elend – machte es mich zu einem schlechten Menschen, dass mich seine Abwärtsspirale der Gefühle immer noch nicht juckte?

Morbid AppetiteWhere stories live. Discover now