Warum man nicht mit Hausschuhen werfen sollte

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Meine Mutter war ein einziger, riesiger Widerspruch an sich. Während der Scheidung meiner Eltern hatte ich mitbekommen, wie sie sich darüber gestritten hatten, dass mein Vater nicht Mann genug war. Oder mit anderen Worten: Er hatte nicht zugestimmt, der alleinige Brotverdiener im Haushalt zu sein, bloß weil meine Mutter plötzlich Lust darauf bekommen hatte – gleichzeitig war sie aber auch eine Karrierefrau und würde jeden umbringen, der sie daran hinderte, Geld zu scheffeln. Keine Ahnung, was bei ihr schieflief. Vielleicht war es ihr nur ums Prinzip gegangen, aber es zeigte mir eine Sache ganz deutlich:

Ich durfte ihr auf keinen Fall stecken, dass ich schwul war. Denn das wäre für sie ja wohl die Personifikation von nicht Mann genug. Oder aber sie fand es geil, dass die Familie meines Freundes – meines Freundes! – stinkreich war. Trotzdem würde ich das Risiko nicht eingehen.

Bloß machte Alexander mir das ein bisschen schwer. Um sechs Uhr morgens.

„Äh", machte ich. „Was tust du hier?"

„Wir waren doch verabredet." Alexander grinste mich an, als wäre das Erklärung genug – was es vielleicht auch wäre, würde er nicht erneut mit meiner Mutter Kaffee trinken! Fand er sie so toll, dass die beiden sich ständig unterhalten mussten, oder was?

Ich versuchte mich an einem Lächeln, das vermutlich eher danach aussah, als hätte ich wieder rektalen Besuch von aggressiven Tannenzapfen bekommen. „Und wieso trinkst du Kaffee mit meiner Mutter?"

„Oh", er legte einen Arm auf der Rückenlehne der Couch ab, auf der er ihr gegenüber saß, „ich dachte, ich plaudere ein bisschen mit meiner Schwie-"

Ich hatte noch meinen Pyjama an. Eigentlich würde ich mich dafür schämen, weil meine Pyjamas im Allgemeinen immer aus einem T-Shirt und einer meiner emotional-support-Shorts bestanden – dieses Mal waren sie getigert! –, aber fürs Schämen war gerade keine Zeit, weil ich frisch nach dem Aufstehen nie Socken trug und ergo deswegen Pantoffeln, um Blasenentzündungen vorzubeugen. Und ebendiese Pantoffeln musste ich jetzt benutzen, um mein Leben zu retten.

Indem ich sie Alexander nacheinander an den Hinterkopf pfefferte. Und ihm durch die Kettenreaktion von Hausschuhe-an-den-Hinterkopf und überraschtes-Zusammenfahren-seines-Körpers-durch-Hausschuhe-an-den-Hinterkopf brütend heißen Kaffee über den Schoß verteilte.

Dieser Ausgang war irgendwie nicht Teil meiner Gleichung gewesen.

„Jonah, was fällt dir ein?!" Meine Mutter sprang auf, beinahe überstürzt, aber Alexander hob bloß die rechte Hand, stellte mit der linken seine Tasse ab und erhob sich.

„Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn ich kurz Ihr Bad benutzen könnte, Frau Sizaire", sagte er so ruhig und besonnen, als würde ihm kein brütend heißer Kaffee durch die Hose auf die Oberschenkel sickern.

Bloß hatte ich keine Ahnung, ob Ruhe in dieser Situation eine gute Sache war.

Ich räusperte mich. „Ähm, das-"

Mama unterbrach mich mit einer Welle von Natürlichs in Alexanders Richtung, bevor sie zu mir herumfuhr: „Worauf wartest du noch? Zeig ihm sofort, wo sich das Bad befindet!"

Lieber nicht. Ich wollte wirklich lieber nicht mit ihm alleine sein. Ich meine, das letzte Mal, als ich ihn aus Versehen verletzt hatte, hatte er mich plötzlich halbnackt durch sein Haus gejagt, um mich anschließend zu einer ausgewachsenen Rummach-Session zu zwingen, und eine Wiederholung davon wäre im Beisein meiner Mutter eine echt miserable Idee.

Eine andere Wahl hatte ich allerdings auch nicht, weswegen ich mich keine Minute später im ersten Stock vor dem großen „Familienbad" wiederfand, wie mein Vater es genannt hatte, als wir noch eine Familie gewesen waren. Mittlerweile nutzte meine Mutter nur noch ihr En-Suite-Bad und ich hatte das große hier ganz für mich. Mit anderen Worten war es jetzt also das offizielle Jonah-Badezimmer.

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