Chapter 1

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Ein flinker, schneller Schatten huschte durch die Staßen des Barley's. Bloß das schwache Licht einer beschädigten Straßenlaterne kündigte die Anwesenheit der Gestalt an.

Ihre immer schneller werdenden Schritte, ließen sie gegen die Kälte des frischen Herbstwindes ankämpfen.

Zielstrebig, ihre Hände in den warmen Taschen ihres schwarzen Mantels versteckt, eilte sie die enge Gasse hinunter. Versteckt hinten den kleinen Häusern, war sie endlich in Schutz vor den Wachmännern.

Götter, wieso hatte sie nicht einen ruhigen Abend?

Kopfschüttelnd sah sie sich um, suchte nach Passanten.
Doch es es war still und keine Menschenseele war mehr auf den Straßen unterwegs.

Fast so als wäre die Stadt verlassen.

In ihrer Eile erkannte sie nicht, wie Fenster als auch Türen barrikadiert waren. Ängstliche Menschen hinter ihnen wimmerten, versuchten keinen Laut von sich zu geben, um keine bösen Mächte anzulocken.

Das kam ihr nicht gerade gelegen.
Die Wachmänner würden jeden Stein nach ihr umdrehen, um sie in ihren Fängen zu haben. Angestrengt suchte sie nach einem Ausweg. Sie würde nicht weiter vor ihnen weglaufen können, ihr Schnauben verriet ihr, dass sie an ihre Grenzen kam.

Frustriert, griff sie zu der kleinen Karte in ihrer Hosentasche. Sie schwor sich, den Stadtplan noch einmal durchzugehen. Den Großteil hatte sie aufrufbar vor Augen, doch das verzwickte Viertel, hatte zu viele Geheimgänge.

Vielleicht war es auch die Panik, die Angst, die sie zum Papier greifen ließ. Es war nicht sonderlich gut zu entziffern, doch was besseres hatte sie gerade nicht zur Hand und die Bestätigung, den richtigen Weg einzuschlagen, brauchte sie gerade.

Endliche Straßen und Seitenwege prasselten auf sie nieder, alle eng aneinander gereiht, strukturiert und ähnlich aufgebaut.

Doch in jeder von ihnen würden in kürzester Zeit, Gegner sein.
Sie sträubt sich dagegen, an Türen zu klopfen, um um Hilfe zu bitten.

Stattdessen nistete sich ein anderer Gedanke in ihren Kopf ein.

Sie musste an einem belebten Platz, wo viel Los war.
Unbekannt, unauffällig, im Verborgenen.

Ihr Blick blieb an einem großen Gebäude hängen.

Das war es.
Und sie rannte los.

Ihre Stiefel hinterließen Spuren auf dem schmallen Weg des Barley's, dem kriminellsten Viertel der Stadt Nightbrook.

In der stickigen Luft lag der Geruch von Blut, Verwesung und Erbrochenem. Nur lebensmüde Menschen trauten sich in diese Gassen - Menschen, die nichts zu verlieren hatten.

Ihre Finger waren vor Kälte schon rot angelaufen, als sie endlich stehen blieb. Kurz vor ihrem Ziel machte sie halt. Ein letzter Windzug ließ sie erzittern. "Nemesis" las sie auf dem Schild über dem Gasthaus, bevor sie die Tür aufdrückte und eintrat. Angenehm, warme Luft kam ihr entgegen und innerhalb weniger Sekunden entspannten sich mit einem Seufzen die Muskeln, die sie all die Zeit angespannt hatte.

Sie hatte das Bedürfnis ihren Mantel abzuwerfen, um im geheizten Raum nicht rot anzulaufen, doch zu sehr befürchtete sie erkannt zu werden. Also tauchte sie ab, kämpfte sich durch die Menschenmenge, um zu den Tresen zu gelangen.

Schnaubend und mit einem Gähnen ließ sie sich auf den mit Leder überzogenem Hocker fallen. Sie hörte der Sängerin auf der kleinen, aber prunktvollen Bühne zu, die eine emotionale Performance ablegte.

Keinen Moment später wurde ihre Ruhe jedoch unterbrochen, als der Bartender sie fragte, was sie trinken wolle.

"Negroni", antwortete sie abwesend und warf ihm ein paar Münzen zu. Eine kurze Zeit später wurde ihr das blutrote Getränk in die Hand gedrückt. Vorsichtig nahm sie einen kleinen Schluck.

Sie hätten ihr alles Mögliche hineinmischen können, gewiss würde sie das jedem im Barley zutrauen. Als sie sich sicher war, dass das Getränk keine anderen Substanzen beinhaltete, nahm sie einen größeren Schluck.

Genüsslich ließ sie es sich auf der Zunge zergehen. Es war eine bittere Verführung. Der intensive Zitrusduft brannte sich in ihr Gedächtnis. Er war fein austariert mit Süße und die frischen, kräutrigen Aromen des Gins ließen sie einen Moment an Ort und Stelle verweilen.

Sie wusste nicht, wann sie zuletzt, vor der Zeit des Krieges, solch ein Gemisch zu sich genommen hatte.
In Gedanken versunken, bemerkte sie erst die Präsenz einer Person neben ihr, als diese ihre klebrige Hand auf ihren entblößten Oberschenkel legte und leicht zudrückte.

In ihrem Entsetzen hätte sich die Frau beinahe verschluckt. Der Schock, dass sie jemand gegen ihren Willen berührte, kostete sie den einen Moment, den sie gebraucht hätte, um der Umklammerung entgehen zu können.

Doch schnell hatte sie sich wieder gefangen. Unbeteiligt wandte sie sich ab. Sie wollte den Abend genießen, ihren Cocktail trinken und der melodischen Stimme der Sängerin lauschen. Lust, eine Schlägerei in einer Bar anzuzetteln, hatte sie eher weniger.

Augenverdrehend entzog sie sich seinem Griff. Gerade als sie einen weiteren Schluck nehmen wollte und dabei den Mann neben sich zu ignorieren versuchte, fuhr dieser grob ihren Rücken entlang. Die Kraft, die er dabei in seine Berührung legte, ließ sie nach vorne fallen.

"Wir können eine gute Zeit miteinander haben, Baby."
Mit voller Wucht drückte sich ihr Bauch an die Tischkante. Mit einem Ächzen unterdrückte sie den Schmerz. Ihr Negroni kippte zur Seite und die rötliche Flüssigkeit begann sich auf ihrer Kleidung zu verteilen.

Nun hatte der Mann den Zorn der sonst so kühnen Frau geweckt. Mit einer eleganten Bewegung schwang sie sich vom Stuhl. Beinahe schon selbstsicher ahmte der korpulente Mann ihre Bewegung nach.

Als sie sich vollständig zu ihm drehte, konnte sie seinen üblen Atem riechen.

Gerade als er seine Arm hob, um weiß Gott was zu tun, donnerte eine Hand nach vorne, um sein Handgelenk zu umfassen.

Verwirrt ließ die Kapuzengestalt ihre Kampfstellung fallen um den Oberkörper, der sich vor sie stellte, näher zu betrachten.

Bestimmend fixierte der Unbekannte den Arm der Nervensäge, um ihn schließlich so stark wie möglich zu Boden zu bringen. Wankelnd fiel der Mann hin, um keine Sekunde später schnellstmöglich die Flucht zu ergreifen.

Bevor sie auch noch ein Wort herauskriegen konnte, drehte sich ihr »Retter« zu ihr.

"Ich toleriere keine Kämpfe in meinen Club."

𝐒𝐡𝐚𝐝𝐨𝐰Where stories live. Discover now