Chapter 8

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Gelangweilt schlürfte Castiel an seinem Getränk. Er hatte sich den Abend aufregender vorgestellt.
Doch nun beobachtete er bloß leicht beschwipst wie farbenfrohe Menschen um ihn herum wirbelten.

Einem kurzen Blick erhaschte er auf ihre Gesichter. In diese sorgenfreien Augen, von denen er wünschte es wären die seine. Er wünschte sich sie wären sein Spiegelbild. Sein Ebenbild.

Doch dem war nicht so.
Statt sich jedoch in Selbstmitleid zu suhlen ließ er seinen Blick weiter umherschweifen.

Kleine Glühwürmchen tanzten im Wind, welcher die Baumkronen zum wiegen brachte. Die Tierchen strahlten die gelben Blätter an, und ließen es so wirken als wären sie aus Gold gestickt.

Dieses magische Licht küsste seine makellose Haut, er inhalierte das Aroma der Blätter, vertraute dieser lockenden Magie. Wie ein mächtiger Zauber verdrängte sie all seine Sorgen, all seine Ängste.

Seine Lungen füllten sich mit frischer Luft, es kam ihm fast so vor als würde er das Rauschen des Meeres hören, als würde er die Süße einer Leckerei schmecken, als würde er schweben, als würde er eine Umarmung spüren.

Das alles, das war pure Harmonie. Das war Frieden. Das war das, was er jetzt so sehr brauchte.

Abrupt riss er die Augen auf. Hätte beinahe gelacht. So einfach war es sich der Illusion hinzugeben, die dieser Baum hervorrief. So einfach war es einer Lüge zu verfallen.

Die Blätter dieses Baumes waren magisch, von Zauberen
gesegnet - oder sollte er besser sagen verflucht?

Sie zeigten einen was man am meisten begehrt. Sei es Geld, Frieden, Zuneigung. Diese Magie offenbart deine tiefsten Wünsche.
Sie war gefährlich. Alles an ihr war falsch.

Man musste aufpassen, nicht zu fallen. Nicht zu weit zu gehen. Die Grenze zwischen Realität und Phantasie nicht zu überschreiten. Doch wenn man, in diesem Wunschdenken, die Möglichkeit zum Glück sah, lässt sich jeder fallen.

Castiel war der Meinung, dass jeder Mensch sein ganzes Leben bloß sein Glück sucht. Und wenn man es in der schönen, unwirklichen Illusion ausleben kann, wieso zögern?
Wer Moral besaß würde sagen, weil es falsch war. Falsch war in einer Vorstellung zu leben.

Er jedoch nahm es den unglücklichen Seelen, die am Lagerfeuer tanzten nicht übel in einer Lüge zu leben. Verurteilte sie nicht. Jeder würde immerhin gerne in einer perfekten Welt
leben und wenn es nur so ging, dann war das eben so.

Mit einem Seufzen suchte sein Blick in der Menge einen Platz. Nach einem, der ihm die Sorge nahm, die Magie des Baumes nicht noch einmal erleben zu müssen. Natürlich war es ein tolles Gefühl, sich fallen zu lassen, auch er liebte es. Doch je öfter man die Grenze überschritt, umso schwerer wurde es keine Sehnsucht nach der Illusion zu verspüren.

Er wusste, dass er nie ein solches Leben wie in seinen Träumen haben würde. Er wusste, dass er sich selbst belog würde er sagen, dass er es könnte - das er alles haben könnte, was er wollte.

Er wollte so vieles. So viele Wünsche hatte er, doch keiner wurde ihm erfüllt. Nicht einmal der Zauber des Baumes konnte ihn mit vollkommene Zufriedenheit erfüllen.
Nichts konnte es.

Und doch hoffte er, jedes Mal wenn er sich fallen ließ, jemand anders zu sein. Sich von seinen inneren Dämonen befreien zu können, sorgenfrei zu sein.

Leise seufzte er, bevor er sich den Inhalt seines Glases runterkippte.
Kurz verzog er das Gesicht. Dieses Zeug war fürchterlich.
Und doch sah er auf den Gesichtern, der Träumenden ein Grinsen, wenn sie von der Mischung tranken.

Schnaubend wandte er sich ab. Selbst das konnte der Baum. Fürchterliches in Himmlisches verwandeln. Gerade als er glaubte sein Abend wäre mit diesem Erkenntnis vorüber, fiel ihm etwas in den Blick.

Jemand fiel ihm auf. Er kniff die goldenen Augen zusammen, dachte so könnte er die Person besser erkennen. Und tatsächlich. Zwischen den farbenfrohen Kleidern, war ein schwarzer Rock zu sehen. Er flog umher. Vermischte sich mit dem Gelben seines Partners, tanzte mit ihm um die Wette.

Castiel zog die Luft ein. Das konnte doch nicht sein, oder? Er schüttelte den Kopf. Wagte einen großen Schritt zum Baum. Und da waren sie: Blaue Augen, unverwechselbare Diamanten, an die er sich nur zu gut erinnerte.

Unmöglich, dass sie hier war. Undenklich das die Kapuzengestalt sich hier vergnügte, während er dachte sie wäre von seine Männern gefangen worden.

Seine Gefühle die beim Anblick dieser Frau verrückt spielten ließen sich nicht mehr kontrollieren. Er wusste nicht welcher seiner Empfindungen die Oberhand gewann; Schock oder Faszination.

Denn so glücklich und strahlend, wie die Kaputzengestalt umher sprang, entlockte sie ihm ein Lächeln. Selten hatte er eine Person so fröhlich erlebt. So dümmliches grinsend. 

Er verdrehte die Augen. Wagte es nicht, sich vorzustellen wie er ausgesehen haben muss. Wie ihn seine Feinde hätten sehen können.
Castiel wusste nicht ob Leute auf ihn geachtet hatten, als er hier getanzt hatte. Was sie sich wohl gedacht hatten, als sie den gefährlichsten Verbrecher Luftsprünge machen sahen.

Kurz schüttelte er den Kopf. Noch niemand hatte ihn je darauf angesprochen, also waren seine nächtlichen Ausflüge wohl ungesehen oder unbeachtet geblieben.

Anders als die der Kaputzegestalt. Diese blieb vor seinem Urteil nicht geschützt, sie offenbarte sich ihm. Ob sie es wusste? Ob sie sich im Klaren war, dass das alles nur Vorstellung war? War sie so verloren, dass sie aus der Realität fliehen musste? So wie er es unzählige Male gemacht hatte.

Oder dachte sie es wäre Wirklichkeit? Und wenn sie das dachte, was sah sie dann? Was begehrte sie am meisten? Nach was sehnte sie sich mit jedem Faser ihres Körpers? Nur zu gerne würde Castiel es wissen.

Doch genauso gerne wollte er sie retten. Retten vor dem Unheil, welches dieser Baum brachte. Die Sucht und das Verlangen nach mehr.
Kurzerhand fasste er einen Entschluss. Er würde sie retten und dann in sein Team holen.

𝐒𝐡𝐚𝐝𝐨𝐰Where stories live. Discover now