Chapter 2

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Goldene Augen trafen auf saphirblaue.

Für einen Moment war die Kapuzengestalt sprachlos. 'Die Augen sind das Tor zur Seele', lautete der allzu bekannte Spruch und an den klammerte sie sich gerade zu.

Sie versuchte, seine Mimik richtig zu deuten. Den leicht schief gelegten Kopf, die hoch gezogene dunkle Augenbraue, das Kräuseln seiner vollen Lippen.

Unbewusst begann die junge Frau, ihren Gegenüber zu mustern. Ihr Blick fiel seine Statur entlang - muskulös und dominant.
Weiter nach oben - ein schmales Gesicht, geprägt von markante Wangenknochen.

Sein gebräunter Teint brachte die außergewöhnlichen Augen zum Leuchten. Denn das waren seine Augen, außergewöhnlich.
Oh Götter.

Sie verlor sich beinahe in den Augen aus purem Gold. Immerhin liebte sie alles, was glänzte. Münzen, Edelsteine, Schmuck. Doch diese Augen leuchteten heller als jeder Schatz.

Ungewollt, doch ganz wie es sich für eine Diebin gehört, schätzte die Frau sein Vermögen. Denn seine Kleider waren kein bisschen schlicht.

Des Mädchen Blickes wanderte von dem mitternachtsblauen Halstuch um seine Kehle, zu dem wie angegossenem sitzenden Hemd und weiter zur faltenlosen, schwarzen Stoffhose. Ein dunkelblauer Frack betonte seine kräftigen Schultern und seine schlanke Taille.

Das Einzige, was ihn gefährlich aussehen ließ, war der Messergurt, den er an der Hüfte trug.
Erst da wurde sie sich ihrer Situation bewusst. Sie war in einer ihr fremden Stadt, inmitten von Gaunern und Lügnern, stand vor einem verboten gutaussehendem Mann, der ein Messer besaß.

Und so wie es geschärft war, wusste er sicher auch, wie man damit umzugehen hatte.
Schnell unterbrach sie ihre Musterung. Sie musste hier raus. So schnell sie konnte. Leise räusperte sie sich.

"Habe deine Gäste unter Kontrolle." In ihrer Nervosität bemerkte sie nicht, wie er ein Lächeln unterdrückte.
"Ich bin mir sicher, du könntest es mit ihnen aufnehmen.", kommentiere er als er mit einem Nicken auf den vor sich hin schimmernden Dolch zeigte.

"Doch das solltest du draußen tun, nicht in meinen Räumlichkeiten."
Die Kapuzengestalt wich ein paar Schritte zurück. Übervorsichtig wie sie war, legte sie eine Hand auf den Knauf ihrer Waffe.

Leise schnaubte der Mann auf, als er beinahe gelangweilt auf sie zu schlenderte. "Was trinkst du?", die junge Frau war verwirrt. Wieso um alles in der Welt fragte er sie das?
Geduldig blickte er sie an.

So intensiv, dass sie nun auch die etwas dunkleren Akzente in seinen Augen ausmachte. Zauberhaft, so würde sie sie beschreiben. Denn das taten seine Augen, sie verzauberten die Frau.

Ihr wurde erst bewusst, dass sie nicht mehr so trinkfest war wie früher, als sie, ohne nachzudenken, Negroni antwortete. Sie könnte sich in diesem Moment selbst ohrfeigen. Wieso hat dieser Unbekannte solch eine Wirkung auf sie?

Der Mann verschwand in der Menge, die sich bei seinem Anblick sofort in zwei Teile teilte, um ihn durchzulassen.

Er war gefürchtet. Wie angewurzelt blieb die junge Frau an Ort und Stelle. Wagte es nicht, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen, denn noch immer lagen die bedrohlichen Blicke der andern Besucher des Clubs auf ihr.

Und ein Blick stach heraus. In den Schatten der anderen, versteckt vor ihren Augen, drehte er das Messer in seinen Händen. Bereit, es zu werfen. Bereit, ihr Leben zu beenden.

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Blanz hatte die zierliche Gestalt hinter sich gelassen. Hoch erhobenen Hauptes stolzierte er Richtung Theke, sich den stechenden Blicken der andern, nur zu sehr bewusst. Genau wie ihm das Zittern der Frau bewusst gewesen war.

Ihre Stimme hat zwar gefühllos gelungen, doch aus eigener Erfahrung wusste er, wie einfach man andere täuschen konnte.
Kopfschüttelnd verscheucht er seine Gedanken. Stattdessen beobachtete er bloß, wie man die Negronis zusammen mixte.

Er hatte sich kurzerhand auch entschieden, einen zu trinken. Er würde ihn brauchen, wenn er den Widerling hinter geschlossenen Türen eine Lektion erteilen wollte.

Castiel Blanz war zwar ein Mörder, Lügner und Verbrecher, doch gewiss nicht frauenfeindlich wie seine Untergebenen. Das Knallen von Gläsern auf der dunklen Corianplatte, riss ihn zurück in die Realität.

Die Realität, in der er eine Rolle zu spielen hatte. In der er blutrünstig und gewalttätig sein musste, um zu überleben. Als er elegant nach den Gläsern griff und sich schwungvoll umdrehte, gefror er zu Eis. Geschockt beobachtete er das Szenario, dass sich vor ihm abspielte.

Die junge Frau hatte der Menge denn Rücken zugedreht. Doch bevor ihre Hand den Türknauf umfassen konnte, rauschte ein Messer auf sie zu. Gerade als Castiel dachte, dass es sich in ihren Kopf bohren würde, wirbelte die Gestalt herum und fing es an dessen Griff auf, nur Zentimeter von ihrem verdecktem Gesicht entfernt.

Die Menge verstummte. Die Zeit blieb stehen.
Die Kaputze der Frau war etwas verrutscht und Castiel erhaschte einen Blick auf eine dunkle Haarsträhne. Langsam ließ er die Gläser sinken, zeitgleich wie die Unbekannte die Klinge des Messer zärtlich nach unten richtete. Dann sah sie zum Werfer.

Es war der Kerl, der sie belästigt hatte. Sein Grinsen verrutschte. Bloß Schock blieb. Plötzlich flog das Messer auf den Mann zu und fand sein Ziel an dessen Oberschenkel. Die Klinge vergrub sich tief in seiner Haut. Gequält, schrie er auf.

Ausdruckslos hatte die Frau sich dem schluchzenden Mann zugewandt, bevor ihr Blick Castiel's fand.

𝐒𝐡𝐚𝐝𝐨𝐰Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt