Chapter 4

95 18 70
                                    

Es wäre gelogen, würde er sagen, er hatte ihr nicht nachgestellt. Castiel wäre dumm gewesen, hätte er es nicht getan. Eine so erfahrene Kriegerin musste man im Auge behalten. Entweder sie erwies sich als eine Verbündete, oder seine schlimmste Rivalin.

Castiel zerbrach sich weiterhin den Kopf. Er hatte viel über sie nachgedacht, versucht aus diesen saphirblauen Augen schlau zu werden, welche sich in sein Gedächtnis eingebrannt hatten. Gehörte sie bereits einer Gang an? Wenn ja, welche? Und wenn nicht, wie bekam er sie auf seine Seite? Nach ihrer ersten Begegnung, war sie sicher nicht mehr so gut auf ihn zu sprechen.

Den Kiefer angespannt, umfasste Castiel eins seiner Dokumente fester. Ihn quälte der Gedanke zu wissen, sein Bruder hatte ihn die einzige Chance auf ein Bündnis genommen. Immerhin sollte er ihm eher dankbar begegnen.

Er war es, der sich nach dem Tod seiner Mutter um ihn gesorgt hatte. Immerhin hatte ihr Vater sie im jungen Alter verlassen.
Er war es, der ihm Sicherheit gewährte.

Er war es, dem er sein Leben verschuldete. Und so revanchierte er sich? Indem er seinen Namen in den Dreck zog? Ihn vor allen blamierte? Castiel würde sich noch eine Strafe ausdenken. Vielleicht sollte er ihn auf die Straße werfen?

Bevor er seine Rachezüge weiter führen konnte, klopfte es an der Tür. Überrascht sah Castiel von seinem Tisch auf. Wer besuchte ihn um diese Uhrzeit?

Vorsichtig schnappte er sich eines der Messer, die unter den Papieren lagen. Unaufgeräumt wegen des Messerwurf Trainings am Morgen.

Mit lautlosen Schritten huschte er zur Tür. Noch einmal lauschte er. Nichts war zu hören. Nicht einmal der Atem des Eindringlings.
Castiel wusste das, da draußen jemand Unbekanntes war.

Denn keiner seiner Freunde würde anklopfen, geschweige denn nicht aus der Puste sein, wenn sie die Treppen zu seinen Zimmern hochgegangen wären.

Abrupt und ohne lange nachzudenken, rieß er die Tür auf. Es war schon so dunkel, dass er nicht wusste, wenn er da mit voller Wucht an die Wand des Flures beförderte. Erst als er nach unten sah, gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit.

Die schwarzhaarige Schönheit, die er da an seine Wand drängte, sah gereizt zu ihm hinauf. Noch bevor sie etwas sagen konnte, drückte Castiel mit seinem Messer fester zu.
"Wieso erfreust du mich mit deiner Anwesenheit?", fragte er grimmig, bevor sein Kiefer gefährlich zusammenzuckte.

Doch davon ließ sich die Frau nicht klein kriegen. Statt ihm stotternd eine Antwort zu liefern, hielt sie ihm einen Zettel vor die Nase. Diesem schenkte Castiel einen kurzen Blick.
Sein Herz setzte aus, als er jemanden Bekannten darauf ausmachte.

Die Kapuzengestalt.
Ihr Steckbrief, mit einem großen gesucht, ragten über ihr verdecktes Gesicht. Schnell überflog Castiel die kurzen Zeilen unter ihrer Zeichnung.

Die Kopfgeldjäger würden bei der Summe, die man auf ihren klugen Kopf setzte, jeden Stein nach ihr umdrehen.

Castiel unterdrückte ein verzweifeltes Seufzen. Er war nicht mehr der einzige, der sie suchte. In seinem Gedanken versunken, nutzte die Frau ihrer Chance, das Messer langsam von ihrem Hals zu drücken.

Als sie sich, mit einem Schmunzeln, entfernte und in seinen Raum schlenderte, erwachte Castiel aus seiner Starre. "Deswegen bist du hier? Um mir den Steckbrief einer gesuchten Person zu zeigen?"

Als Antwort lachte sie, wodurch der protzige Schmuck an ihr klimperte."Nein...", interessiert lehnte sie sich zu seinem Schreibtisch.

Griff nach ein paar Dokumenten und überflog sie mit einem höhnischen Gesichtsausdruck. Ihr mit Schriftzügen übermalter Arm kam zum Vorschein, als sie die Ärmel ihres Kleides hochschob.

Wie immer verdrehte Castiel die Augen beim Anblick ihrer Tätowierung. Ihre weiche Haut war von den Sprüchen und Sätzen ihres Vaters bedeckt.

"Das ist alles, was du weißt?", spottete sie, womit sie ihn aus seinen düster werdenden Gedanken riss. "Beantworte meine Frage, Terzia." Als Antwort ließ sie ihre Hände nach vorne fahren. Ein unschuldiges Lächeln umspielte ihre roten Lippen, als sie die Papiere zu Boden beförderte.

Die Messer blitzten auf.
Castiel konnte nicht schnell genug reagieren, sie hatte schon eins in die Hände bekommen. Und warf. Stocksteif blieb er stehen, als es an ihm vorbeischoss und sich in die Holzwand bohrte.

Noch bevor er sie in Grund und Boden brüllen konnte, unterbrach ihn Terzia. "Du ziehst unseren Namen in den Dreck, Bruderherz.", ein enttäuschter Ausdruck legte sich über ihr Gesicht und überdeckte die vor Wut glühenden Augen.

"Finde dieses Mädchen!", Castiel blieben die Worte im Hals stecken. "Man munkelt schon, du seist nicht mehr so stark wie früher. Deine Kontakte lassen dich in Ungewissheit.", er wollte den Kopf schütteln, ihr versichern alles sei beim besten, er hätte alles unter Kontrolle.

Doch sein Körper bewegte sich nicht.
"Hoffe bloß sie hat sich nicht schon mit dem Feind verbündet.", waren ihre letzten Worte, bevor sie an ihm vorbeirauschte. Bevor sie aus der Tür treten könnte, umfasste er ihren Arm.

"Sprich nie wieder so mit mir.", sagte er als er wieder bei Sinnen war. "Wenn nicht ich, wer dann Großer?", er verkniff sich ein Lächeln. Gönnte ihr den Einblick in seine Gefühlswelt nicht.

Stattdessen erlaubte er sich eine Provokation. "Du hast verfehlt.", mit einem Nicken deutete er zum Messer an der Wand.Jetzt war es an seiner Schwester, die ein Lächeln zu verkneifen versuchte, es ihr jedoch nicht mal halb so gut gelang wie Castiel.

Kleine Grübchen bildeten sich auf ihren rosigen Wangen. "Ich verfehle nie." Mit diesem Worten war sie weg. Riss sich auf seine Griff und verschwand. Geblieben war bloß ihr zitrischer Duft.

𝐒𝐡𝐚𝐝𝐨𝐰Where stories live. Discover now