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Der Morgen beginnt mit dem schönsten Wetter. Sonnenlicht dringt in die Küche und bleibt an der Wand haften. Heute ist der letzte Tag in Holland. Papa und ich frühstücken.
»Wann geht dein Flieger?«, fragt er und schenkt Kaffee nach. Ich schaue zur Uhr, die an der Wand hängt. Meine Antwort fällt knapp aus.
»In drei Stunden.«
Zu wenig Zeit, um noch etwas zu unternehmen.
»Ich fahre dich dann zum Flughafen.«
Papa gießt sich Milch in die Tasse. Ich trinke Kaffe schwarz, schmeckt besser.
»Der Bus hält doch ...«
»Ich will keine Widerrede hören, mein Engelchen.«
Eigentlich möchte ich es nicht hören, aber für ihn werde ich wohl immer die kleine Tochter bleiben, die vor der bösen Welt beschützt werden muss. So schlimm ist sie gar nicht, wenn man weiß, dass dunkle Ecken zu meiden sind.
»Danke.«
Kauend antwortet er: »Selbstverständlich.«
Nachdem er den Bissen heruntergeschluckt hat, erkundigt er sich nach Mama. Ich erzähle ihm, dass alles in Ordnung sei. Das Klingeln an der Tür kündigt den Postboten an. Er steht auf und geht in den Flur. Ich schnappe nur Wortfetzen auf, nicht weil ich schwerhörig bin, da ich einfach kein Holländisch kann. Nach wenigen Augenblicken ist er wieder zurück. Die Tageszeitung wird studiert, wenigstens die Titelseite.
»Kommst du auch zu den Herbstferien vorbei?«
Die Briefe landen ungeöffnet auf dem Fensterbrett.
»Ich weiß es noch nicht, aber wenn es nach mir geht, sehr gerne.«
Leider ist die Woche in Amsterdam viel zu schnell vergangen, besonders im Sommer ist die Stadt ein Traum. Nicht nur wenn man nachts die Clubs besucht, sie gibt auch den einen oder anderen Ort her, an dem man romantische Stunden verbringen kann. In meinem Fall ist das ... na ja ... nicht der Fall. Ich bin single.
»Vera und ich würden mich riesig freuen.«
Meine Stiefmutter hätte uns gerne begleitet, sie musste aber schon zur Arbeit.
»Ich werde die Zeit hier vermissen«, sage ich mit einem Kloß im Hals. Aus meinem Mund klingt das wie ein Abschied für immer. Emma, reiß dich mal zusammen.
Es ist nur, ich weiß nicht, wann ich ihn erneut besuche. Ab und zu wird das auch spontan entschieden, letztes Jahr war es zum Jahreswechsel. Ich bin die Tage vor Silvester in die Clubs gegangen, heiße Zeit.
»Ach Engelchen, wir sehen uns wieder, versprochen.«
Papa gibt mir einen Kuss. Seine Lippen kleben, igitt, der Honig! Schnell befeuchte ich ein Tuch und befreie die Wange vom klebrigen Bienennektar. Er schmunzelt währenddessen. Jetzt muss ich wieder ins Badezimmer, um die Schminke ... Ach, so ein Quatsch, benutze ich so gut wie nie. Ja, der Witz war sehr schlecht und flach, mehr als das, eher ein Loch. Wie quasseln noch über dies und jenes.

Drei Stunden Später.

Verabschiedungen liegen mir nicht, deshalb, eine kurze Umarmung und ab in den Flieger. Es geht wieder nach Deutschland. Flugzeit: knapp eine Stunde. Ich hasse es, ja, ja, es ist das sicherste Verkehrsmittel, sagt das meinem Kopf. Aufgeregt bin ich und kann es kaum erwarten, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Von der Stewardess bekomme ich nach halbstündiger Flugzeit eine Kleinigkeit angeboten, ich lehne aber ab, bekomme nichts herunter, dafür mein Sitznachbar, der es sich schmecken lässt. Es wird der Klassiker serviert. Bolognese mit Spiralnudeln.

***

Ein bisschen mehr als fünfundvierzig Minuten später.
»Bitte bleiben Sie angeschnallt, bis die endgültige Parkposition erreicht ist«, erklärt die Flugbegleiterin über die Lautsprecher. Die Warterei scheint einigen Reisenden auf das Gemüt zu schlagen, sie scharren wie die wilden Stiere und können es kaum noch erwarten. Mich stört es ganz und gar nicht, schließlich habe ich heute nichts mehr vor, na ja, nicht ganz, wenn "Freunde" als nicht wichtig erachtet werden. Es ist 14 Uhr 30. Alles im grünen Bereich. Heute Abend, so um neun, wollen wir uns treffen.
Warum sind die so von Eile gepackt?
Geschäftsmänner- und Frauen in Anzügen verstehe ich ja noch, ab und zu muss ein Anschlussflug erwischt werden, ich kann nur keine ausmachen. Für die Schlauberger, ja ich weiß, die tragen den feinen Zwirn nicht laufend, außerdem, müssten sie zahlreich sein. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, ich sehe alltägliche Klamotten. Ich verstehe das sowieso nicht. Man besucht andere Länder, um sich der Erholung hinzugeben, stattdessen siegt der Stress und hat überhaupt nichts vom Urlaub. Ich bin die Ruhe selbst und lehne mich zurück und schließe die Augen.

Blue change | [girlxgirl]Where stories live. Discover now