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Zur Pause gibt es Pfirsichtee und ein Plunderteilchen mit Pudding. Meine Freundinnen und ich stehen in der Raucherecke. Katrin zieht an der Zigarette.
»Habt ihr Morgen schon etwas vor, ich möchte mal wieder die Kegel zerfetzen, wer hat Lust?«
Yvonne sieht in die Runde.
»Sehr gerne, aber Mama und ich gehen essen.«

Klara und Katrin sagen ebenfalls ab.
»Lasst uns doch am Freitag hin, da habe ich überhaupt nichts vor, wie sieht es da bei euch aus?«, schlage ich vor und sie nicken sich gegenseitig zu. Es klingelt und ich eile in die andere Richtung, wie alle Schüler, in den jeweiligen Kurs. Bei mir ist nun Sport angesagt.

In der Umkleide geht es zu wie in einer Bienenwabe. Wir sind damit beschäftigt uns umzuziehen und die, die bereits passende Klamotten tragen und die Schuhe gewechselt haben, begeben sich in die Halle. Nachdem ich auch so weit bin, schlendere ich den Gang entlang, in ihm treffe ich auf Thomas. Natürlich begleitet ihn sein Hofstaat.
»Na, du Kampflesbe«, feixt Janosch und grinst schief. Ich ignoriere ihn, passt ihm gar nicht und er stiert auf mich zu.
»Hat es dir die Sprache verschlagen?«
»Nein, du bist nur nicht der Mittelpunkt meines Universums«, kontere ich und lasse ihn stehen. Als ich mich zu den anderen geselle, fehlt von Frau Kleber jede Spur. Dafür hat Frau Westbrook einen Basketball in den Händen.
»Emma, da bist du ja.«
Sie wirft ihn mir zu. Wo ist unsere Sportlehrerin?
»Ich bin heute die Vertretung.«
Es hat sich herausgestellt, dass Frau Kleber ihren Sohn ins Krankenhaus bringen musste, der Blinddarm hat sich gemeldet. Nun müssen wir mit Frau Westbrook vorliebnehmen. Heute wird der Ball in die Körbe geworfen.

***

Ich bekomme den Ball und gebe ihn weiter, man kann wohl behaupten, sportlich bin ich wirklich nicht. Manchmal jogge ich, aber darüber hinaus, eher nicht. Friederike versucht ihr Glück und wirft. Der Ball berührt nur das Netz. Zwei Punkte. Sie ist wirklich gut. Ich hingegen, begnüge mich als Passgeberin. Darin glänze ich. Nach einem weiteren gelungenen Abschluss klatschen wir uns ab. Frau Westbrook hebt den Daumen. Sie ist echt attraktiv. Sie trägt eine enganliegende Jogginghose und ein Oberteil mit Spaghettiträgern.
»Hey Emma, träumst du?«, ruft Johanna und wirft mir den Ball zu. Er landet in meinem Gesicht und ich plumpse auf dem Hinterteil. Der Schmerz lässt mich zusammenzucken.
»Bist du verletzt?«
Ich blicke in die großen Augen von Frau Westbrook.
»Es tut mir so schrecklich leid«, entschuldigt sich Johanna. Ihre Miene ist zerknirscht. Mit Frau Westbrook hilft sie mir auf die Beine. Nochmals schmerzt es. Frau Westbrook fragt: »Soll ich einen Krankenwagen rufen?«
»Ach was, es geht schon wieder«, wiegele ich ab, sie führen mich zu den Bänken, die am Spielfeldrand stehen.
»Wirklich?«
Ich nicke und lehne mich zurück.
»Morgen tut es wahrscheinlich nicht einmal mehr weh.«
Johanna reicht mir die Hand und entschuldigt sich abermals. Ich finde, so etwas passiert halt mal. Basketball ist ein schnelles Spiel und ich habe kurz nicht aufgepasst. Ich strecke mich und befühle die Stelle.
»Möglicherweise gibt es einen blauen Fleck, aber nichts Tragisches.«
Frau Westbrook gibt sich damit zufrieden und seufzt erleichtert aus, dann erwidert sie: »Meine erste Sportstunde und ich versaue es.«
Ich schmunzele, da sie sich verrückt macht, es ist wirklich nicht so schlimm..
»Danke für die Hilfe.«
Sie nickt und widmet sich wieder den Mädels. Sie steht an der Außenlinie und gibt ab und zu einen Kommentar. Ich mustere sie währenddessen. Hinter dem Ohr hat sie ein kleines Tattoo. Es sind fünf Sterne. Was sie ihr wohl bedeuten?
Nele gesellt sich zu mir.
»Bist du in Ordnung?«
»Ja, es geht schon«, versichere ich ihr. Manchmal wechseln wir einige Worte, aber nur flüchtig, ich glaube, sie ist ein Jahr älter als ich. Nachdem sie etwas getrunken hat, stürzt sie sich wieder in das Getümmel. Ich bin erneut an Frau Westbrook festgewachsen. Nun hat sie die Hände in die Hüften gestemmt und fungiert als Trainerin für beide Mannschaften. Sie gibt Tipps, wie man zum Beispiel die Abwehr auskontern kann. Eine Schülerin steht plötzlich ungedeckt an der Dreierlinie und wirft. Der Ball prallt vom Ring ab, kerzengerade in die Höhe und fällt dann durch das Netz. Obwohl das Glück mitgespielt hat, bin ich beeindruckt, auch Frau Westbrook klatscht begeistert. Im Gegensatz zum regulären Unterricht ist sie wie ausgewechselt, keine Strenge, sehr freundlich. Sie schaut über die Schulter und mir in die Augen. Sehr sympathisch. Nach der Doppelstunde steht als letztes Deutsch an. Drei Stunden Frau Westbrook. Bevor sie irgendetwas an Wissen vermittelt, knallt sie uns einen Aufsatz um die Ohren. Im Kollektiv stöhnen wir auf. Thema ist: Die Metapher. Niemand hat so recht Lust darauf. Dann gibt sie Bernd die Strafarbeit zurück. Darauffolgend werden Arbeitsblätter verteilt. Im Buch ergänzt sich dann einiges. Während ich abarbeite, ist sie eine ganz andere Person. Sie strahlt Ernsthaftigkeit aus. Ich schüttele den Kopf. Sie war doch vorhin so nett. Während ich weiterschreibe und in die Aufgabe vertieft bin, steht sie plötzlich hinter mir. Hat sie sich angeschlichen?

Ich lasse mir nichts anmerken und schreibe weiter. Als sie ihren Arm auf dem Tisch abstützt, steigt der Duft von Kokosnuss in die Nase. Habe ich was falsch gemacht?
»Mhm«, macht sie und geht weiter. Nach fünfundvierzig Minuten klingelt es und wir packen zusammen.

»Emma, warte mal«, sagt sie. »Ist wirklich alles gut?«
Die Mitschüler eilen nach draußen, bis niemand mehr im Raum ist. Ich trete an das Pult.
»Na klar, wie gesagt, morgen spüre ich es wahrscheinlich nicht einmal mehr.«

Ohne Vorwarnung schiebt sie mich rückwärts, bis ich mit dem Hinterteil an einen Tisch stoße. Sie deutet an, das ich mich setzen soll, auf die Tischplatte. Was hat sie vor?
Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht, als sie sich hinkniet, ziehe ich die Stirn in Falten. Behutsam hebt sie das linke Bein an, ganz vorsichtig, indes lässt sie mich aus den Augen. Berührungen verschaffen mir ein wohliges Gefühl. Ihre Hände auf meiner Haut, da ich kurze Hosen trage. Kann sie das nicht lassen?
Ein kurzer Ruck und ich verspüre einen leichten Druck am Steißbein. Nicht, was einen Arztbesuch rechtfertigt. Meine Lehrerin kümmert sich um das andere Bein und wiederholt den Vorgang. Erneut gleiten die Finger über das Schienbein. Wieder mustert sie mich. Was in mir passiert, nimmt sie überhaupt nicht wahr. Hörst du jetzt mal damit auf?
Es funktioniert nicht, ich kann nur hoffen, dass die Wangen nicht gerötet sind. Nachdem sie vor mir steht, gleiten ihre Hände in meine, ein fester Griff gibt mir Sicherheit. Langsam lehne ich mich von ihr weg. Der leichte Druck meldet sich ein weiteres Mal, es ist aber kein Schmerz.
»In Ordnung, dann ab mit dir.«

Mit weichen Knie gehe ich den Gang entlang, der mich zum Ausgang führt. Auf den Beinen spüre ich noch immer die Berührungen. Sie macht mich wahnsinnig. Im Oberstübchen wird gearbeitet, mein Körper ist auf Hochtouren. Vor der Schule treffe ich auf die Mädels. Sie besprechen noch, wann wir uns in der Bowlingbahn treffen wollen, ich höre kaum zu.

***

Mama erzählt mir zum Abendbrot von Paul. Er hatte sie vorhin angerufen. Sehr schön, ich bin schon echt gespannt. Das Abendbrot fällt kürzer aus, da ich noch die Hausaufgaben zu erledigen habe. Nachdem ich den Punkt am letzten Satz platziert habe, schlage ich das Heft zu und packe alles für morgen zusammen. Schlafenszeit.


Blue change | [girlxgirl]Where stories live. Discover now