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Hallo, ihr lieben Leute,
heute ist das Kapitel etwas kürzer, ich hoffe, es gefällt euch dennoch.
Ich wünsche euch einen schönen Sonntag.

Die montägliche Lustlosigkeit hat zugeschlagen. Unterricht, ach wie schön, er ist wie Kaugummi. Dem Lehrer Frau Janitz ergeht sich in trockenster Theorie. Ich glaube nicht, dass berühmte Personen, würden sie noch leben, dass gutheißen würden. Dazu teilt sie mindestens eine Tonne an Arbeitsblättern aus, gebt uns doch mal ne Pause. In meiner Welt besteht Physik aus Apfel und Baum, weit gefehlt, in welcher Schule bin ich gelandet?
Umlaufbahnen von Satelliten berechnen, ich habe keine Lust mehr. Die Hausaufgaben sind schrecklich, dafür ist in Mathematik ein Wunder geschehen. Es macht mir wirklich Spaß. Nein, die Hölle ist nicht zugefroren, ebenfalls stehe ich sogar an der Tafel und löse eine Beispielaufgabe. Wenn mal der Verstand funktioniert. Sehr schön. Herr Hoffmann kann es auch nicht glauben.

Der Tag vergeht dann doch wie im Flug.

Zu den letzten beiden Stunden wartet Frau Westbrook. Meine Laune ist gut. Sie öffnet die Tür und begrüßt uns. Ihre Erscheinung besteht aus einem offenen Schmunzeln. Unsere Augen treffen sich, die Zeit bleibt stehen. Aber wieso?
Schnell unterbricht sie die Verbindung und widmet sich dem Stoff. Yvonne wirft mir einen Zettel zu, als sie sich sicher ist, dass es unbemerkt bleibt. Ich öffne ihn und beginne zu lesen: »Nach der Schule ins Josefine?«

Ich knülle ihn zusammen und nicke. Frau Westbrook hat davon nichts mitbekommen, sie erklärt etwas an der Tafel. Ab und zu sieht sie über die Schulter und landet natürlich bei mir. Ich senke den Kopf und kritzele auf dem Block herum. So plätschert der Unterricht dahin. Fünf Minuten vor dem Klingeln entlässt sie uns.
»Katrin und Klara kommen nach«, erzählt Yvonne, während wir aus der Schule gehen. Im Café verziehen wir uns in den hinteren Bereich. Kurz danach tauchen sie auch auf. Wir bestellen uns etwas zu trinken und eine Kleinigkeit für den Magen und verbringen einen schönen Nachmittag.

Mama und ich genießen den Abend auf dem Balkon. Mit einem atemberaubenden Sonnenuntergang. Wir leeren eine Flasche Rotwein. Später falle ich ganz taumelig ins Bett. Liegt wohl am Alkohol?

Die Träume sind übertrieben. Einmal werde ich von einem wildgewordenen Bären verfolgt. Ich überlebe nur, weil ich ins Unterholz flüchte. Darauf ändert sich die Szenerie und ich bin im All. Durch eine Unachtsamkeit wird der Anzug beschädigt und hat ein Leck. Der Sauerstoff entweicht. Völlig irre. Kurz bevor ich aufwache, passiert der Klassiker. Ich stehe im Klassenraum und bin nackt. Plötzlich taucht Frau Westbrook auf. Ich will im Boden versinken. Anstatt sich über mich lustig zu machen, nimmt sie mein Gesicht in ihre Hände und küsst mich.

Schweißgebadet wache ich auf. So ein Blödsinn. Unter der Dusche versuche ich die Nacht aus dem Kopf zu waschen, es will mir aber nicht gelingen. Ständig muss ich an Frau Westbrook und den Kuss denken. Am Frühstückstisch höre ich Mama kaum zu, sie erzählt irgendetwas, keine Ahnung, was es ist. Fortlaufend denke ich an ... Frau Westbrook. Man sagt ja: Träume sind Schäume. Nicht auf die Goldwaage legen. Ich versuche es.

Der Tag in der Schule ist mühevoll. Die Gedanken schweifen ab. Mal werde ich ermahnt, weil ich Löcher in die Luft starre, einmal wegen Träumereien. In den Pausen beteilige ich mich kaum an den Gesprächen. Angenehmerweise fällt es nicht auf. In der letzten Stunde steht Französisch an. Ist in den letzten vierundzwanzig Stunden irgendetwas mit mir passiert?
Unsere Blicke treffen aufeinander und mein Puls beschleunigt. Was ist das?
»Emma, du hast wohl einen besonders guten Tag, so wie du lächelst«, sagt sie und widmet sich dem Kursstoff. Mache ich das?

Ich stecke die Nase in das Buch, um sie nicht länger anzusehen. Die Zeit vergeht einfach nicht, nach gefühlten fünf Stunden versuche ich dem Stoff zu folgen, wie damals im Café verstehe ich nur Bahnhof. Endlich klingelt es und ich packe zusammen. Alle strömen hinaus.
»Emma, warte einen Moment.«
Mir rutscht das Herz in die Hose.
»Hast du was ausgefressen?«
Yvonne kichert. Sie folgt den anderen hinaus.
»Du hast kaum dem Unterricht gefolgt, beschäftigt dich etwas?«, fragt Frau Westbrook, als wir alleine sind. Darauf habe ich keine Antwort. Ich stehe vor ihr, wie der Ochse vor dem Berg. Sie ist sichtlich verwirrt, so geht es mir auch. Einige Sekunden schweigen wir.
»Deine Mitarbeit ist doch sonst so gut, also, was ist los?«
Erneut bringe ich nichts hervor und zucke lediglich mit den Schultern. Ja, was ist nur los?
»Es wird nicht wieder vorkommen«, verspreche ich mit dünner Stimme. Ich räuspere mich, habe einen Frosch im Hals. Gerade jetzt muss das passieren. Frau Westbrook feixt: »Es kann sprechen, ein Wunder ist geschehen.«
Ich verzieh die Lippen zu einem leichten grinsen.
»Keine Ahnung, was es ist, vielleicht bin ich einfach nur zerstreut.«
Die Antwort scheint einleuchtend zu sein, denn sie nickt und meint: »Na ja, ab und zu erwischt es mich auch.«
Sie berührt meine Schulter und ich halte die Luft an.
»Lass es aber nicht zur Gewohnheit werden.«

»Hat sie dir eine Standpauke verpasst?«, erkundigt sich meine beste Freundin und kichert ein weiteres Mal. Für sie ist das ein großer Spaß.
»Ach halt die Klappe.«
Ich halte ihr den Mittelfinger unter die Nase.
»Themenwechsel«, beginnt sie. »Hast du an Weihnachten schon was vor? Wir fahren in die Berge, möchtest du mitkommen?«
Ich erzähle ihr von den Plänen meiner Mutter und das wir das schon länger vorhaben. Von Katrin und Klara ist nichts zu sehen, also geht es zu Yvonne nach Hause. Mama schreibe ich, dass ich heute bei ihr esse.

***

Ihre Eltern sind in eine Diskussion vertieft. Worum sie handelt?

Ich habe keine Ahnung. Auf jeden Fall streiten sie nicht. Yvonne und ich essen in ihrem Zimmer. Auf dem Laptop läuft ein Film. Den kenne ich zwar, aber der ist so gut, dass man ihn öfters ansehen kann. Dabei ist die Story so simpel. Lucy Nelson ist in ihren Chef verliebt, bringt jedoch nicht den Mut auf, es ihm zu sagen. Natürlich geht am Ende alles gut aus und die Hochzeitsglocken läuten.

Ich nehme den letzten Bus.

Nach der Dusche haue ich mich hin. Der Mann in Amerika erfährt, dass seine Schwester im Knast gelandet ist. Sie wird wegen Mordes angeklagt. Beide Leben stehen auf dem Kopf. Nach einer halben Stunde stoppe ich das Hörbuch und kuschele mich in die Decke.

Der Mittwoch wartet mit Biologie, Musik und Sport. Keine Frau Westbrook, trotzdem denke ich an sie. Ihre Kollegin ändert das und lässt uns rennen, bis die Lungen brennen.
Ist das wahr?
Jetzt reime ich auch noch. Der freche Kobold, der bei einem netten Schreinermeister untergekommen ist, fällt wohl gerade aus seinem Bettchen. Danach steht Bodenturnen an, mag ich nicht, muss mich aber konzentrieren und die Frau verschwindet aus dem Kopf, wenigstens für knapp eine Stunde. Nach der Schule besorge ich mir noch einen Stift. Das Abendbrot besteht aus Flammkuchen. Richtig lecker. Natürlich selbstgemacht. Mama erzählt irgendetwas, habe keinen Plan. Am späten Abend beschließe ich zu joggen, um Frau Westbrook aus den Gedanken zu verbannen. Es hilft nicht. Verdammt?
Ich kann den nächsten Tag kaum erwarten. Französisch. Zwei Stunden. Wärme breitet sich in der Bauchgegend aus. Ich achte überhaupt nicht auf die Straße. Plötzlich taucht ein Fahrrad auf. Ich stoße mit ihm zusammen, kurze, heftiger Schmerz und die Welt wird schwarz.


Blue change | [girlxgirl]Where stories live. Discover now