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Die Zeit vergeht. Katrin ist mit ihrer neuen Eroberung auf der Tanzfläche. Sie tanzen wild herum. Yvonne und ich halten uns an Getränken fest. Der Bewegungsdrang ist völlig bedient. Natürlich haben mich beide Geschlechter aufgefordert, habe jedoch dankend abgelehnt, es ist schon ziemlich spät, die Falle wartet, wenn es mich betrifft. Da wir drei erwachsen sind, verabschiede ich mich und trete den Heimweg an, sonst werde ich den morgigen Tag nicht überleben. Im Bus sind die Nachtschwärmer ausgebrochen. Pärchen und Alleingänger. Für sie beginnt die Nacht erst. Bis in die frühen Morgenstunden?

Nichts für mich, jedenfalls nicht heute. Klingt, als bereue ich es, nein, genug, das Bett wartet, morgen treffe ich Katrin und Yvonne ja erneut. An der nächsten Haltestelle steigt der Boss von vorhin ein, ohne Anhang. Er torkelt in meine Richtung und nimmt neben mir Platz.
»Na, sag doch einfach, dass du verrückt nach mir bist.«
Seine Aussprache lässt zu wünschen übrig, die Zunge ist schwer, an den Augenlidern hängen Bleigewichte. Die Alkoholfahne verätzt die Nase. Ich unterdrücke die Abneigung nicht.
»Du stinkst aus dem Mund wie eine Brennerei.«
Seine Augen verengen sich.
»Dein Mundwerk sitzt ziemlich locker, ich glaube, ich muss es dir stopfen.«
In diesem Zustand, wohl kaum, selbst wenn er nüchtern wäre.
»Lass es«, biete ich ihm an, doch er will nicht hören und setzt zu einem Schlag an, zumindest hält er es für einen, ich wehre ihn mit Leichtigkeit ab. Der Schwung bringt ihn aus dem Gleichgewicht und er küsst den Boden. Schmerzen lassen ihn aufstöhnen.
»Dreckige Fotze.«
Er jammert und hält sich die Nase. Kein Blut, aber sie scheint wohl gebrochen zu sein. Wie es der Zufall will, nähert sich plötzlich ein Polizist. Innerlich verdrehe ich die Augen. Mir bleibt auch nichts erspart.

Selbstverständlich komme ich viel zu spät nach Hause. Der Beamte hatte den Notarzt verständigt. Ich hatte ihm natürlich die Umstände erklärt. Anscheinend war ihm der junge Mann nicht unbekannt, denn er nannte ihn Kilian. Der Alkohol hat ihn gewalttätig gemacht. Trinkt nicht über den Durst. Lohnt es sich überhaupt noch, ins Bett zu gehen?
Ich denke nicht weiter darüber nach, verschwinde im Badezimmer. Auf Föhnen verzichte ich, sonst mache ich das Haus wach, die Haare habe ich trocken gerubbelt und stecken in einem Handtuch. Im Schlafanzug steckend, verschwinde ich unter die Decke. Aus den Ohrenstöpseln dringt Meeresrauschen. Es entspannt mich. Vor drei Jahren im Spanienurlaub aufgenommen. Mama und ich. Allmählich sorgt das Geräusch dafür, dass die Augenlider immer schwerer werden. Das Land der Träume erwartet mich. Ein schneeweißes Einhorn kotzt einen Regenbogen, der sich über den Waldboden ergießt. Marienkäfer surren vorbei und pupsen leise. Ein Männchen taucht auf, zuckt mit den Schultern und schwingt sich auf das Fabelwesen und reitet davon. Mama tippt mir von hinten auf die Schulter und erzählt einen flachen Witz. Sie findet ihn so komisch, dass sie vor Lachen zusammenbricht. Was soll das?

Danach schlägt mir ein Troll ins Gesicht und alles wird schwarz.

***

Was war das denn?
Mama und ein Troll. Ein bizarrer Traum. Pupsende Marienkäfer?
Ich glaube, ich muss mal mit dem Teil meines Gehirns sprechen, der für die nächtlichen Aktivitäten verantwortlich ist. Einhörner, mit denen kann ich nicht einmal etwas anfangen.
Na ja, schlimmer sind die Träume, in denen ich sterbe.
Vor einigen Jahren träumte ich von einem Flugzeug und plötzlich riss die Vorderseite ab und stürzte zur Erde hinab. Um mich Chaos, die Gäste angsterfüllt. Eine Flugbegleiterin wurde noch herausgerissen. Unter mir tat sich der Ozean auf. Eine blaue Fläche, welche bis zum Horizont reichte. Damals war ich schweißgebadet aufgewacht.
Es ist das sicherste Verkehrsmittel. Ein mulmiges Gefühl habe ich bis heute. Tja, ich fliege nicht so oft, dafür bin ich echt dankbar. Das Sonnenlicht, das durch das Fenster fällt, sorgt dafür, dass ich die Decke über den Kopf ziehe. Der Duft von Kaffee drängt sich in den Vordergrund. Keine schlechte Idee. Wie spät ist es eigentlich?
»Aufstehen, du Siebenschläfer.«
Mama zieht die Decke weg, nicht gerade die feine Art.
»Du hast versprochen im Buchladen zu helfen.«
Stimmt, also stehe ich auf und tapse ins Badezimmer. In der Dusche putze ich die Zähne, während der Schaum vom Kopf tropft. Allmählich erwachen die Lebensgeister.
Danach ziehe ich frische Klamotten an. Als ich am Tisch sitze, schenkt Mama mir den Wachmacher ein.

Blue change | [girlxgirl]Where stories live. Discover now