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Zwei Stunden Französisch.
Frau Westbrook arbeitet mit uns Stoff ab. So sehr ich die Sprache auch liebe, es ist heute irgendwie anstrengend. Dauernd werde ich von ihr abgelenkt. Abermals treffen sich unsere Augen und sie lächelt mir freundlich zu. Heute hat sie wohl einen guten Tag. Sie ist entspannt. Liegt es am Wetter?
Es zeigt sich von seiner besten Seite. Ein jeder hat mal einen schlechten Tag. Na ja, auch Lehrer sind nur Menschen.
»Emma, komm doch bitte mal nach vorne und schreibe den Satz an die Tafel.«
Warum ich?
Steffen kann das doch auch machen.
Warum muss ich?
Ich stehe nicht so gerne dort, aber sie beharrt darauf. Ich nehme das Stück Kreide entgegen und schreibe: »Persée est plus visible dans le ciel d'automne et d'hiver.«
Komischer Satz: »Perseus ist am besten am Herbst- und Winterhimmel zu sehen.«
Habe ich irgendwo nicht aufgepasst?
Sie bedankt sich und nachdem ich sitze, sagt sie: »Ich möchte, dass ihr einen Aufsatz zum Sternenbild Perseus schreibt.«
Hat sie den Verstand verloren?
»Selbstverständlich auf Französisch.«
Sie ist Satan in Gestalt einer Lehrerin, die uns mit Stoff quält, der überhaupt nichts mit dem Unterricht zu tun hat. Ich werde mich beim Direktor beschweren.
»Natürlich will ich auch den griechischen Aspekt beinhaltet sehen, die Götter und Menschen.«
Wären wir auf einem Schiff, das auf hoher See dahinsegelt, gäbe es jetzt eine Meuterei. Lasst den Kapitän von der Planke springen, sodass er von Haien zerfleischt wird. Oberstufe hin oder her, es ist unfassbar. In Deutsch und Französisch einen Aufsatz. Meine Freundinnen sind ebenso von Ungläubigkeit erfasst. Frau Westbrook schlägt mit der Hand auf das Pult.
»Ruhe, sonst setzt es Strafarbeiten, dass euch Hören und Sehen vergeht.«
Unwillkürlich verstummt der Kurs. In ihren Augen blitzt Wut. Der Mund beschreibt eine feine Linie, da sie die Lippen aufeinanderpresst. Ein Bleistift fällt zum Boden und beschreibt dieses typische Geräusch. Der Vesuv ist wohl kurz vor dem Ausbruch. Ich habe falschgelegen, sie hat ihre Periode und ist ziemlich gereizt. Die Frau muss sich mal in den Griff bekommen.

»Ich hasse die Westbrook«, sagt Katrin voller Inbrunst. Wir sind in der Mensa. Der Appetit ist mir vergangen. Yvonne hat sich Bolognese besorgt.
»Die Frau ist unmöglich.«
Klara sitzt vor Hühnerfrikassee.
»Wann sollen wir die Aufsätze schreiben? Wir haben auch noch andere Fächer.«
An unserem Gymnasium hat man üblicherweise zwei Wochen dafür, na ja, ist das genug?
Es muss wohl reichen.
»Bist du nicht hungrig?«, fragt meine beste Freundin. Bevor ich antworten kann, landet die Gabel in meinem Mund.
»Kauen nicht vergessen.«
Es schmeckt gut.

In der dritten und vierten Stunde steht Physik an. Frau Janitz hat Versuche angesetzt, dafür sind wir im passenden Raum. Bernd und Klaus spielen mit der Flamme vom Bunsenbrenner. Dabei sollen sie doch darauf achten, ob sich im Erlenmeyerkolben etwas verändert. In Zweiergruppen sind wir beschäftigt. Anscheinend haben Yvonne und ich es richtig gemacht, die Flüssigkeit wird purpur. So vergeht die Zeit.

Danach steht Mathematik an. Ich schwöre es feierlich, dem Unterricht zu folgen, aber irgendwann drehen sich die Zahlen und ich bin verzweifelt. Ein Mitschüler steht an der Tafel und löst eine Beispielaufgabe. Im Buch ist ebenfalls eine aufgeführt, auch sie erschließt sich mir nicht. Bin ich wirklich so dumm?

»Du bist nicht beschränkt, einfach nur faul«, höre ich Mama sagen, ja, vielleicht stimmt das, aber mein Verstand hat abgeschaltet. Ob ich Nachhilfestunden brauche?
Besser wäre es wohl. Schließlich will ich das Abi schaffen.

Nach zwei Stunden bin ich erlöst. Die Chaoten warten schon am Ausgang. Nur Klara fehlt.
»Dann bis morgen«, verabschiedet sich Yvonne, auch Katrin hat es eilig, so gehe ich zur Haltestelle. Dort ist der Andrang besonders groß. Zwischen der Menge mache ich sie aus.
»Na, endlich Feierabend«, sage ich scherzhaft. Sie nickt nur. Was hat sie denn?
Ich hake nach: »Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen?«
»Ach nein«, antwortet sie. »Habe nur einen schlechten Tag, nichts weiter, morgen wird es schon wieder besser.«
Ich glaube ihr. Der Bus ist da.

Blue change | [girlxgirl]Where stories live. Discover now