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Das Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich den Eingang passiert habe. Am Kursraum warten die Schüler bereits. Meine Freundinnen begrüßen mich wie immer, ich grüße zurück.
»Ist bei dir alles in Ordnung?«
Yvonne hat ein besorgtes Gesicht aufgelegt, auch die anderen ziehen die Stirn in Falten.
»Mir scheint die Sonne aus dem Arsch«, sage ich so sarkastisch wie möglich.Sie erwidern nichts dazu, wofür ich sehr dankbar bin. Die Schritte werden immer lauter und kurz darauf kommt Frau Westbrook um die Ecke. Sie schließt die Tür auf und wir strömen hinein.

Während des Unterrichts werde ich wie Luft behandelt. Ich kritzele auf dem Block herum und höre nicht zu. Einmal suche ich dann doch den Augenkontakt, doch sie weicht mir aus und schaut in die Unterlagen, die auf dem Pult liegen. Von Katrin bekomme ich ein Arbeitsblatt. Ich schiebe es weg.
»Willst du es nicht abarbeiten?«, fragt sie. Vorne wird sich geräuspert.
»Noch ein Wort und es geht zum Direktor.«
Erstaunlicherweise keine Anmerkung zu mir, es scheint sie überhaupt nicht zu interessieren, ob ich mitarbeite. Die Hausaufgaben können mir auch gestohlen bleiben. Irgendwann klingelt es. In der Pause suche ich die Einsamkeit. Hinter dem Altbau ist ein blinder Fleck. Dort bin ich ungestört. So verbringe ich den Tag. Der Unterricht interessiert mich nicht. Ich schwänze Physik und Mathe. Am späten Nachmittag bin ich im Josefine. Die Bedienung bringt den zweiten Kaffee. Ab und zu klappt es einfach nicht und die Tränen treten hervor. Ich werde aber von Gästen und Belegschaft ignoriert. Zu Hause spiele ich meiner Mutter die heile Welt vor, obwohl mir überhaupt nicht danach ist. Sie erzählt von ihrem Tag im Laden und ich höre zu. Im Flur klingelt das Telefon. Sie springt auf und kommt mit ihm zurück in die Küche. Es werden kurze Freundlichkeiten ausgetauscht, dann überreicht sie es mir.
»Hallo«, sage ich leise. Es ist Papa. - »Na, wie geht es, hast du vielleicht Lust über das Wochenende vorbeizukommen? Nächste Woche. Die Kosten für den Flieger übernehme ich.«
Ich schweige einen Moment. Doch ich sage zu. Ich weiß auch nicht, was ich mir davon erhoffe. Den restlichen Abend verbringe ich im Zimmer und heule leise.

***

Es klingelt. Die letzte Stunde ist vorbei. Eine Woche habe ich hinter mich gebracht. Frau Westbrook hat mich in der Zeit überhaupt nicht beachtet. In ihrem Unterricht habe ich es kaum ausgehalten. Wie kann sie mir so leicht die kalte Schulter zeigen? Es tut so unglaublich weh. Papa hat mir Geld überwiesen. Das Taxi wartet schon vor dem Gebäude. Von der Truppe habe ich mich bereits verabschiedet. Die Fahrt dauert eine knappe Stunde. Der Flug ist nach fünfzig Minuten auch überstanden. Es ist kurz vor neunzehn Uhr. Mit anderen Reisenden steuere ich die Ausgänge an. Holländisch kann ich immer noch nicht, also spreche ich englisch. Der Taxifahrer fährt durch die engen Straßen von Amsterdam. Schmale Brücken hier und da. Ich deute dem Fahrer an zu halten und steige aus. In einer kleinen Konditorei besorge ich Kuchen. Am Ziel angekommen, steige ich aus. Das Haus liegt vor mir. Es ist in den 50ern erbaut, die alte Bauweise ist toll, doch habe ich dafür keinen Sinn. Nach kurzem Zögern betätige ich die Klingel. Der Summer ertönt und ich drücke die Tür auf. Im zweiten Stock steht Papa bereits im Türrahmen. Er strahlt über das Gesicht.
»Schön dich zu sehen.«
Ich freue mich auch ... Irgendwie.
»Hallo.«
Obwohl ich mir ein Lächeln abringe, scheint er zu merken, dass etwas nicht stimmt. Er drückt mich an sich, ich achte darauf, dass der Kuchen nicht den Boden küsst.
»Komm herein.«
In der Wohnung duftet es herrlich. In der Küche angekommen, begrüßt mich Vera. Von ihr bekommt Papa den Kochlöffel in die Hand gedrückt und er rührt weiter.
»Schön das du gekommen bist.«
Auch sie begrüßt mich mit einer Umarmung.
»So, erzähl mal, was beschäftigt dich?«
Papa schließt den Deckel und verschränkt die Arme. Seine Augen mustern mich genau.
»Es ist nichts.«
Ich habe die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
»Natürlich, ich kenne meine Tochter.«
Vera schaut ratlos aus der Wäsche. Ich möchte nicht darüber sprechen und gehe zurück in den Flur, um die dünne Jacke an den Haken zu hängen. Ist das ein Tribunal?
Als ich wieder zurück bin, streichelt er meine Wange.
»Verzeih mir, aber ich mag es nicht, wenn du etwas auf dem Herzen hast, ich sehe es dir nämlich an.«
Väter und ihre Töchter. Nun schaltet sich Vera ein: »Ich glaube, manches hast du immer noch nicht verstanden, wenn es um Frauen geht.«
Sie zwinkert mir zu.
»Wir werden es uns jetzt schmecken lassen und dann sprechen ich mit ihr, von Frau zu Frau.«

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⏰ Last updated: Oct 20, 2023 ⏰

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Blue change | [girlxgirl]Where stories live. Discover now