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BLUE

Ich saß tiefenentspannt am Frühstückstisch, schaute MTV (und sang mit) und wartete darauf, dass meine Mum in die Küche geschlurft kam, um mir Sandwiches für die Schule zu machen. Klar, ich konnte das auch selbst zustandebringen, aber seltsamerweise schmeckte alles, was eine Mum zubereitete, besser.

"Morgen werde ich schon dreiunddreißig ... fuck ... ", grummelte sie und ließ sich auf einen Stuhl mir gegenüber fallen.

"Nicht fluchen, Mum", grinste ich und schmierte Nutella auf meinen siebten Toast. "Alle anderen Eltern der Idioten aus meiner Klasse sind doch viel älter. Noahs und Elodies auch."

"Aber ich bekomme schon Falten! Und graue Haare!"

"Aber du bist trotzdem hübsch. Du musst einfach mal wieder Urlaub machen."

Mom arbeitete rund um die Uhr, sie war Anwältin. Sogar nachts machte sie irgendeinen Scheiß.

"Ich könnte ja auch mal anfangen zu arbeiten, ich brauche noch Geld für neue Drums und ich schulde dir noch was. Ich bin siebzehn", murmelte ich.

"Das musst du noch nicht. Konzentrier dich lieber auf die Schule. Und jetzt hau ab! Du kommst noch zu spät! Schreib gute Noten!"

Ich nickte und stand schnell auf, bückte mich, um meine Stiefel zu nehmen, die eigentlich immer unter der Eckbank lagen, auf der ich saß.

Nichts.

"Wo sind meine Schuhe?! Scheiße, ich verpasse die Bahn!", rief ich panisch, als ich sie nicht fand.

"Hier. Stress dich nicht so. Ich bring dich runter." Sie gab mir meine schwarzen Boots und meinen schwarzen Rucksack, wuschelte mir durch die Haare und begleitete mich bis zum Bürgersteig.

Mein Nachbar und Bandkumpel Noah kam auch gerade aus seiner Haustür.
Wie immer musste Mum mich ihren grausamen Abschieds-Peinlichkeiten aussetzen: Sie gab mir einen fetten Kuss, mitten auf den Mund.
Arrgh. Wahrscheinlich musste sie das tun, um nicht zu verzweifeln. Mit der Liebe hatte sie nämlich gar kein Glück. Aber mit mir. (Bester Sohn der Welt.)

"Mum!"

"Jaja. Mach's gut, Bluey, Sweetie. Bis heute Mittag." Sie drückte mich noch einmal und ging wieder ins Haus.
Noah grinste nur breit.

"Na, Süßer! Sollen wir noch Elodie abholen?"
Ich nannte meine Freunde öfter so. Ich liebte sie einfach so sehr.

Er nickte. "Hey. Klar, komm."

Elodie war übrigens auch in unserer Band.
Eigentlich spielten wir immer die Songs, zu denen wir gerade Lust hatten, und meistens sang sie, Noah sang Background und ich spielte Gitarre oder saß an meinem heißgeliebten Schlagzeug.
Singen tat ich auch, aber eher die Rock- und Indiesongs.
Pop war nicht meine Lieblingsmusik, doch ich spielte alles gern, damit meine Freunde glücklich waren.

Und Musik machte nun einmal sehr glücklich.

Unsere Schule war toll (wenn man mal vom Unterricht, den anderen Schülern und den Lehrern absah). In der Mittagspause durften wir sogar die Instrumente benutzen, weil wir unsere Schule bei Wettkämpfen oder Castings vertraten. Wir waren vielleicht gut, aber noch nie Erster geworden. (Okay, wir waren nicht gut.)
Doch wir hatten fest vor, einmal zu gewinnen. Und schon in dreieinhalb Wochen war unsere nächste Chance.

"Wahrscheinlich ist Elodie schon losgegangen. Wir sollten uns lieber beeilen, wenn wir die Bahn nicht verpassen wollen", warf Noah ein.

"Hast Recht." Schnell liefen wir los, ich immer ein bisschen schneller als er. Meine Beine waren länger.
Wir erwischten den Zug gerade noch so und setzten uns mit Elodie in eine Reihe, von wo ich traurig zu meiner Ex, Lana, sah. Sie hatte mich so mies betrogen ... und ich Idiot hatte alles für sie getan. Jetzt knutschte sie ihrem Neuen, Roy (was für ein beknackter Name), mal wieder fast die Lippen weg. Sie hatte mit ihm geschlafen, als wir noch eine Beziehung hatten.
"Du hast überhaupt kein echtes Interesse an mir!", hatte sie geschrien.
Dabei hätte ich alles für sie getan; ich hatte sie bewundert und war so stolz gewesen, ihr Freund sein zu dürfen. Es war wohl nicht genug gewesen, denn ich hatte nie den Wunsch verspürt, mit ihr Sex zu haben oder anderweitig mit ihr intim zu werden. Oder mit meinen anderen Exfreundinnen.
Es tat so weh. Insgesamt hatte ich schon vier Freundinnen gehabt und ich ... ich hatte nur mit einer einzigen von ihnen Schluss gemacht. Die anderen hatten mich verlassen, weil sie ein anderer Typ interessiert hatte oder ich "so distanziert" gewesen wäre oder nur mit ihnen zusammen gewesen wäre, "um eine Freundin zu haben".

How To Get Your Best Friend Gay Where stories live. Discover now