Freier Fall

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Die Welt um uns schien taub und dennoch tobte die Suche um uns herum auf Hochtouren. Cate war mit einem Schreikrampf in sich zusammen gebrochen, als sie den Umschlag gesehen hatte... Es waren Bilder von Lyla und keine schönen... Das ganze Hotel wurde mit der Polizei, mit den Leuten meines Vaters und meinen Leuten auf den Kopf gestellt, um irgendwas zu finden. Und ich? Ich atmete tief durch während ich in der Warteschleife hing, um zum General durch gestellt zu werden. Cate hatte darauf gepocht ihn zu informieren, hatte mich aber gleichzeitig vor einem Hörsturz gewarnt. Ich hoffte ihn noch vor dem Öffnen des Umschlags zu erreichen. Es war nämlich auch einer zu ihm auf dem Weg. Dieser verdammte Wixer war sich seiner Sache wohl sehr sicher. Er hatte sich noch nicht mal Mühe gegeben, ihr verschwinden durch seine Hand zu verbergen.
"Walleres? ", kam es nach einer halben Ewigkeit von der anderen Seite der Leitung. Also gut...
"General? Lyrkan Calaros in der Leitung, der Freund ihrer Cousine", sagte ich und seine Stimme wurde sofort lockerer.
"Grüße dich was kann ich für dich tun?", fragte er freundlich.
"Hast du heute schon deine Post durchgesehen?", begann ich.
"Nein, ich bin auch erst jetzt auf dem Weg ins Büro", meinte er.
"In Ordnung. Bevor du die Post öffnest, muss ich wissen ob ein gelber Umschlag mit deinem Namen darauf unter den Briefen ist", erklärte ich und er schien verwirrt. Ich hörte eine Tür ins Schloss fallen und gleich danach das Geräusch eines Stuhls, der zurück geschoben wurde.
"Wieso willst du das wissen?", hakte er nach.
"Gut hör zu... Wir haben hier drüben ein verdammt großes Problem... Der Umschlag den ich meine ist von Lylas Erzeuger... Sie ist seit acht Stunden verschwunden und er macht kein Geheimnis daraus, das er sie hat", sprach er und es folgte eine schwere, unbehagliche Stille. Im nächsten Moment hörte ich ein lautes Rascheln. im Anschluss viel meiner Vermutung etwas runter und er schien jeden Fluch aufzusagen, den sein Wortschatz zu bieten hatte. Etwas wurde zerrissen, bevor wieder eine bebende Stille folgte. Ich hielt den Hörer etwas weiter von mir, da ich mir denken konnte, was gleich kommen würde.
"Nein... Nicht meine Kleine Eisprinzessin... Nicht meine Maus....DIESES VERDAMMTE DRECKSSCHWEIN!!!! ER WILL SIE DOCH TATSÄCHLICH ZU EINER SEINER HUREN MACHEN, DIESER VERDAMMTE DRECKSKERL!!!!", wütete es durch die Leitung und folgte noch viel mehr. Das war das erste mal in meinem verdammten Leben, das mir bei diesen Schreinen und Flüchen die Tränen über das Gesicht liefen. Es schien als würde er sein ganzes Büro auseinander nehmen, so wie ich vor ein paar Stunden noch mein Zimmer. Meine Seele zerriss während ich einfach nur zuhörte. Er weinte... Weinte, als sei ein Teil von ihm soeben in den Tod gesprungen. Im nächsten Moment mischten zwei weiter Stimmen ein, die ihn offensichtlich versuchten zu beruhigen. Es gelang ihnen auch, denn langsam aber sicher beruhigte sich die Lage wieder.
"Was ist denn plötzlich in dich gefahren Junge?! Du bist doch sonst nicht so!", schrie ihn eine ältere Stimme an.
"Das Schwein hat Lyla!", rief er immer wieder, bis der Hörer endlich wieder angehoben wurde. Als ich mich ein weiteres Mal vorgestellt hatte, erzählte ich die Geschichte noch einmal und es schmerzte immer wieder mehr wenn ich diese Worte in den Mund nahm und sie aussprach. Sie waren wie ein schleichendes Gift, welches langsam über die Zunge in meinem gesamten Körper und Geist ausbreitete. Er konnte es ebenso nicht wirklich in Worte fassen. Und wenn er es versuchte dann sprühte die Verachtung in Funken aus ihnen hervor. Wir bliesen es dabei und sie würden sich noch einmal melden wenn sich die Lage ein wenig beruhigt hatte. Ich stimmte zu und so war dieses quälende Gespräch endlich beendet.
"Wie hat er es aufgenommen?". Ich fuhr in mich zusammen, als Jake neben mir auftauchte. Ich atmete erleichtert auf und richtete den Blick auf die schweren Wolken die heute am Himmel hingen.
"Reicht es wenn ich sage, das er nervlich komplett außer Gefecht gesetzt wurde?", entgegnete ich und er seufzte.
"War nicht anders zu erwarten. Laut Cates Erzählungen hatten die beiden eine Bindung zueinander, wie kein anderer. Als wäre er ihr Vater gewesen...", meinte er und zog eine Schachtel Zigaretten hervor. Er hielt sie mir hin.
"Wieso nicht", meinte ich und nahm mir eine. Ich hatte lange keine mehr geraucht... Tja... Ich tat es auch nur wenn die Kacke so richtig am Dampfen war. Sascha stieß zu uns. Doch anstatt mir eine Predigt über Zigaretten zu halten, zog er ebenfalls welche hervor und zündete sie sich wortlos an.

Ich sah zu meinen Koffern und dann nochmal durch das Zimmer. Nichts vergessen. Man hatte die Wettkämpfe abgebrochen, wegen Lylas Verschwinden. Aber Jakob hatte sein Wort gegeben auch aus der Ferne bei der Suche nach ihr zu helfen. Ich hatte mir nämlich eine Sache geschworen: Ich würde nicht nur rumsitzen und nichts tun. Ich würde sie finden und wenn ich dafür über Leichen gehen musste. Ich atmete durch, um den plötzlich Schwindel los zu werden, der mich immer wieder überkam... Ich wusste woran es lag... Es war das Band zwischen mir und ihr, welches lid...
"Bist du soweit?", kam es durch die Tür. Es war Xarius. Ich trat auf den Flur und sah ihn, mit Fusel auf den Armen. Der kleine hatte ziemlich was abbekommen, in dieser Nacht... Zum Glück hatte man ihn noch rechtzeitig versorgen und nähen können. Doch seit Lyla verschwunden war, zeigte er kaum noch Reaktionen. Xarius hatte es zur Aufgabe gemacht über ihn zu wachen und für ihn da zu sein. Und wenn ich ehrlich war, sah der Kleine genauso aus wie ich mich fühlte.
"Wie man es nimmt", antwortete ich und er sah mich prüfend an.
"Hey so lange du das Band zwischen euch noch spüren kannst und es dich leiden lässt, weißt du das sie lebt und kämpft. Sie hat so viel Feuer unterm Arsch, so viel Kraft in sich und das weißt du! Sie muss sich dieser Kraft vielleicht noch bewusst werden, aber sie ist in ihr", sagte er ernst. Aber er hatte recht... Das Band zwischen uns war der einzige Beweis, das sie noch am Leben war.
"Da muss ich dir wohl oder übel recht geben", meinte ich mehr zu mir als zu ihm. Streichelte Fusel über den Rücken, doch hob noch nicht einmal den Kopf. Nur das regelmäßige Atemgeräusch sagte einem, das dieser kleine Kerl überhaupt noch lebte. Wir begraben uns wortlos nach unten in die Eingangshalle, wo sich die Läufer und Trainer bereits von einander verabschiedeten. Es war eine bedrückende Atmosphäre und keiner von Ihnen schien zu lächeln. Und als ich die Halle betreten hatte wurde die Stimmung nur noch unerträglicher. Sie sahen mich alle nur an. Manche bangend, andere wiederum mit Mitleid in den Augen. Ich nickte allen noch einmal zu und sah dann zu, das ich zum Wagen kam. Ich hätte nicht gewusst, was ich Ihnen noch zu sagen hatte. Ich wusste ja nicht einmal was ich über meinen eigenen zustand sagen sollte. Mein Vater klopfte mir auf die Schulter, während ich meine Koffer beim Fahrer abgab und ich zwang mich den Kopf zu heben.
"Wir werden sie finden... Koste es was es wolle", sagte er und es war wie ein Versprechen.
"Ich hoffe es", kam es aus meinem Mund bevor ich auf dir Rückbank verschwand.

Daemons On Ice Where stories live. Discover now