2. KAPITEL

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BURN

Überfüllte Stände, zig Menschen, unzählige Essensdüfte und ich mitten drin. Ich hasse es abgrundtief.

Eryx steht breit grinsend und äußerst zufrieden mit sich selbst, - weil er mich dazu gezwungen hat herzukommen - mit einem Becher Limonade in der Hand neben mir.

Isadora steht mit Quincy bei einem der unzähligen Essenswagen an.

Auf der Nase von meinem besten Freund liegt eine überdimensionale Pilotenbrille mit verspiegelten Gläsern. Trotz der überraschenden Wärme des Aprilnachmittags trägt er eine pechschwarze Lederjacke, passende Stiefel und eine löchrige dunkelgraue Jeans. Immerhin hat er es geschafft, ein farbenfrohes Shirt herauszukramen - wenn man dunkelblau als farbenfroh bezeichnen kann.

»Leer?« Neugierig wirft er einen Blick in meinen Becher. »Ich hol' uns noch eine«, verkündet er und greift nach dem leeren Plastikbecher auf dem fleckigen Stehtisch. Ein Wunder, dass wir überhaupt einen Platz in diesem Gewusel ergattern konnten.

»Die geht auf mich!«, rufe ich ihm nach. Eryx winkt nur ab und schlendert in Richtung Getränkestand. Missmutig verziehe ich das Gesicht und wenn ich nicht allein am Tisch zurückgeblieben wäre, dann würde ich ihm nachgehen, allerdings wäre dann der Platz weg. Bevor mein bester Freund beim Stand ankommt, macht er Halt bei Isadora und schnappt sich ihr Gesicht. Die Freundin meines besten Freundes stößt ein entzücktes Quietschen aus, bevor er ihren Mund mit seinem verschließt.

Zehn Minuten später schlendert Quincy mit einer monströsen Portion Pommes in meine Richtung. Eryx ist noch nicht zurück, weshalb Isadora sich mit den Unterarmen auf dem Tisch neben mir abstützt und mich grinsend mustert. Meine Nichte tippt auf ihrem Handy herum und schaufelt sich die Pommes in den Mund.

»Sitzt du auf dem Trockenen?«

»Vermutlich hat er sich festgequatscht«, antworte ich und lasse meine Augen in Richtung Getränkestand gleiten. Wie zu erwarten, steht Eryx bei einigen Bekannten und lacht mit ihnen. Immerhin hat er zwei Becher in der Hand. »Wie war dein Personalgespräch?«

Isadora sieht mich erstaunt an. »Ich bin immer wieder beeindruckt, dass du mir tatsächlich zuhörst«, lässt sie kichernd verlauten. »Es war gut. Mein Chef ist zwar immer noch ein sexistisches Arschloch mit Vorurteilen, aber ich habe es überstanden, ohne ihm an die Gurgel zu gehen.« Sie seufzt und zuckt die Schultern. »Er hat mich übrigens schon wieder gefragt, wie ich denn die Betreuung von Quincy regle. Natürlich musste ich ihm wieder einmal erzählen, dass meine Tochter bereits sechzehn Jahre alt ist und gut auf sich selbst aufpassen kann, woraufhin er mir wieder die Geschichte von seiner Tochter erzählt hat. Sie ist auch schwanger gewesen, als sie dreizehn war, und hat das Kind abtreiben lassen. Es würde ihr fabelhaft gehen, nach der langen Therapie und bla bla bla«, erzählt sie genervt schnaubend.

»Bekommst du denn jetzt mehr Gehalt? Immerhin wolltest du darüber mit ihm sprechen, richtig?«

»Na, beweist du meiner Freundin wieder, wie der perfekte Partner sein sollte, und zeigst Interesse an jeder Einzelheit?« Eryx drückt mit grinsend augenverdrehend einen Becher in die Hand, ehe er einen Würgelaut ausstößt. Isadora schlägt spielerisch gegen seinen Oberarm. »Aua. Siehst du Burn? Ich werde zu Hause misshandelt und gedemütigt. Eigentlich solltest du hinter mir stehen und dich nicht mit ihr verbünden. Bros before hoes.« Mein bester Freund duckt sich weg, als Isadora mit einer Serviette nach ihm wirft.

Quincy verdreht über ihre Eltern die Augen und sieht dabei dermaßen nach ihrem Vater aus, dass es mich erschreckt. Die Ähnlichkeiten zwischen Eryx und Quincy sind verblüffend.

»Onkel Burn, willst du mit mir zum Bücherstand? Es wird peinlich.« Quincy schiebt sich die letzten vier Pommes auf einmal in den Mund, stopft die Schale in den Mülleimer und harkt sich bei mir unter. Ich muss auf die Frage nicht antworten, weil meine Nichte mich allmählich blind kennt.

Vom Chamäleon in der Skittlestüte | ONC 2024Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt