21. KAPITEL

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BURN

Ich liebe Tinsley Cross. Und ich tue es für immer. Sie ist mein Sein und meine Seele. Wir sind eins. In zwei Körpern, die zueinanderfinden mussten.

Mein Atem stockt, während ich mich ihren Lippen nähere. Zunächst küsse ich ihren Mundwinkel und drehe, bei dem genüsslichen Laut aus ihrer Kehle, beinahe durch. Angst mischt sich mit flattrigen Wärmeblitzen. Ich will ihr nicht wehtun. Trotzdem will ich sie küssen. Ich muss es tun. Tinsleys Mund bettelt geradezu darum, von mir liebkost zu werden. Geheilt und gepflegt. Also tue ich es, auch wenn mir eine leise Stimme zuflüstert, dass ich mich nicht sofort wieder auf sie einlassen sollte.

An unserer Verbindung ist nichts toxisch, weshalb mir kein Grund einfällt, es nicht zu tun. Sie hat gelitten, leidet noch und arbeitet an sich, weil sie uns will. Tinsley Cross, die Frau, die den Sticker über eine Telefonnummer geklebt hat und mir Dark Romance Bücher angedreht hat, die Frau, die mich während eines Frühlingssturms in meinen Grundfesten erschüttert hat, will uns. Ich stelle der Stimme in meinem Inneren den Ton ab, lege meine andere Hand um ihre Wange und küsse sie. Meine Haut saugt ihre Tränen auf und ich fühle mich wie der stärkste Mann der Welt, als sie ihre Hände um meinen Rumpf schließt und mich an sich sieht.

Tinsley zu küssen ist wie damals. Es fühlt sich an, als wäre sie nie weggewesen und doch hat sich alles verändert. Ich kann die Abmagerung deutlich spüren, aber die Tatsache verändert nichts an meinen Gefühlen. Der Kuss ist nicht hitzig oder erotisch, sondern voller Liebe und Vergebung. Als ich mich von ihr löse, ringt sie um Atem und krallt ihre Finger fester in mein Shirt. Meine Stirn sinkt gegen ihre und ich sauge ihren Geruch in meine Sinne. Jede Zelle in meinem Körper trägt Tinsleys Namen.

»Ich wäre für dich da gewesen«, flüstere ich in die mit abgehacktem Atem gefüllte Stille.

»Ich weiß, aber ich konnte kaum für mich selbst da sein. Wie hätte ich dir die Last aufbürden können, ohne mich miserabel zu fühlen?« Auf die Frage habe ich genau eine Antwort, weshalb ich einen brummenden Laut ausstoße und die Augen öffne. Ihre überwältigenden Iriden verschlucken mich umgehend.

»Du bist keine Last für mich, hörst du? Wirst du niemals sein. Lass mich jetzt für dich da sein«, bitte ich sie. Ein Kloß bildet sich in meinem Rachen, während ich auf ihre Reaktion warte. Tinsley senkt für einige Sekunden den Blick, ehe sie die Verankerung unserer Augen verstärkt wieder aufnimmt. Ganz sacht nickt sie und ein unsicheres Lächeln zupft an ihren Lippen. »Ich möchte, dass du bei mir bleibst, Tinsley.« Meine Stimme zittert wie verrückt.

»Okay«, haucht sie. Tränen steigen in ihre Augen und tropfen von ihrem Wimpernkranz auf meine Finger hinab. Ich kann unter meinen Lidern die heiße salzige Flüssigkeit spüren, weil das Glück in meiner Brust explodiert.

»Bleib heute Nacht bei mir. Lass uns über alles reden«, schlage ich vor. Ich beiße mir auf die Zunge, um ihr nicht zu gestehen, dass ich sie nie gehen lassen kann. Ich kann nicht zulassen, dass sie jemals aus meiner Wohnung geht, weil ich Angst habe, sie wieder zu verlieren.

»Okay«, flüstert sie erneut. Sie nickt ganz langsam und lehnt sich mir entgegen. Ein keuscher Kuss, ehe sie meine Hände von ihren Wangen schiebt. Tief atmet sie durch, verschränkt unsere Finger auf ihrem Schoß und starrt einige Zeit darauf herunter. »Du bist ein sehr männlicher Mann, Burn.« Ihre Worte lassen mich überrascht lachen.

»Tatsächlich?«, frage ich belustigt. Tinsley hebt den Kopf und sieht mich lächelnd an. Ihre Fingerspitzen streifen über meinen Kiefer und meinen Hals.

»Ich hätte dich niemals für unmännlich gehalten, wenn du mir von deiner Krankheit erzählt hättest. In dir hätte ich überhaupt nichts anderes sehen können als den Mann, der du bist. Du bist stark, maskulin, sexy«, sagt sie und stockt kurz. Das Lächeln auf ihren Lippen ist vorsichtig. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass es Schmerzen verursacht oder an Unsicherheit. »Aber ich verstehe dich.« Ein weiteres Mal streicht sie sanft über meine Wange, dann gleiten ihre Finger an meine Brust. Flach, legt sie ihre Hand über mein pochendes Herz. »Dort siehst du mich so, wie ich bin, und ebenso sehe ich dich mit jeder Facette sehr deutlich. Die letzten Jahre bin ich nicht von dir losgekommen und ich glaube auch nicht mehr daran, dass es jemals dazu kommen würde. Die Gefühle für dich werden mit jeder Sekunde in deiner Nähe heftiger. Sie übermannen mich, Burn, deshalb brauche ich dich bei mir. Trotzdem verstehe ich, wenn du nicht mehr dazu bereit sein solltest, sobald ich dir alles erzählt habe. Bitte fühl dich nicht verpflichtet, bei mir zu bleiben, nur, weil du den Schmerz dann sehr genau kennst, okay?«

Vom Chamäleon in der Skittlestüte | ONC 2024Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt