Kapitel 12

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Yoongi hatte keine Chance, er kam nicht zum Schießen und duckte sich, so gut er konnte. Als die Magazine leer waren, erhob er sich und stürzte sich auf den, der ihm am nächsten stand. Seine geballte Faust traf dessen Gesicht ohne Vorwarnung und er taumelte überrascht zurück, doch der zweite sprang von hinten auf Yoongi, legte seinen Arm um dessen Hals und drückte zu. Yoongi wehrte sich mit Händen und Füßen gegen beide, kämpfte um sein Überleben, während Sora hilflos mit zusehen musste, wie er sichtlich unterlegen war. Er musste viel einstecken, sehr viel. Sie musste doch irgendwas unternehmen können, um ihm zu helfen. Verzweifelt sah sich Sora im Büro um, als sie eine Waffe in einem abgeschlossenem Glasschrank entdeckte. Natürlich war er abgeschlossen. Ohne zu zögern, schlug sie ihren Ellenbogen gegen das Glas, welches scheppernd zersprang. Sie nahm die Waffe und erinnerte sich an ihre Übungen mit Hobi. Sie nahm das Magazin heraus, sie war geladen. Sie steckte es wieder hinein und entsicherte sie. Sie konnte nur in der Theorie mit einer Waffe umgehen. Aber besser als nichts. Sie warf einen letzten Blick auf den Bildschirm, einer der Männer lag regungslos auf dem Boden, doch der andere saß auf Yoongi und würgte ihn. Entschlossen öffnete sie die Tür und rannte die paar Stufen hinauf. Vorsichtig hob sie die Falltür ein Stück an und blickte sich suchend um. Yoongi lag etwa drei Meter von ihr entfernt und versuchte sich aus dem Griff zu befreien. Sichtlich geschwächt, als sein Blick auf Sora fiel. Seine Augen wurden größer, als er sah, wie sie die Waffe auf den Boden legte. Er nickte ihr zu und sie schubste die Waffe in seine Richtung. Er griff danach, zielte auf den Kopf und drückte ab. Bewegungslos fiel der Körper auf Yoongi, was diesen auf keuchen ließ.

Flink öffnete sie die Falltür und rannte zu ihm. Riss den Körper herunter und half Yoongi auf die Beine. Überall war Blut, sein Gesicht war übel zugerichtet und sie mochte nicht wissen, wie sein restlicher Körper aussah. Stützend stiegen sie die Stufen hinab und schlossen die Falltür. Sie wollte ihn ins Büro bringen, doch er schüttelte den Kopf und zeigte gerade aus. Sie folgte seinem Finger. Vor ihnen lag ein Gang, dessen Ende man nicht sehen konnte. Nickend stützte sie ihn, so gut sie konnte und liefen den Gang entlang. Nach mehreren hundert Metern kam ein Tür zum Vorschein.

„Du musst allein weitergehen!" befahl er ihr und löste sich von ihr, lehnte sich an die kühle Wand hinter sich.

„Was? Nein!" erwiderte sie geschockt.

„Ich gebe hier die Befehle!" knurrte er sie bedrohlich an, doch sie ließ sich diesmal nicht davon beirren.

„Es sind mindestens sieben Männer übrig. Du hast keine Chance gegen sie! Entweder gehen wir beide oder keiner von uns!" erklärte sie selbstbewusst und funkelte ihn an.

„Gör! Kannst du nicht einmal hören?" fuhr er sie unbeherrscht an. Unmerklich zuckte sie zusammen. War sie zu weit gegangen? Aber sie konnte ihn hier unmöglich zurücklassen, dass wäre sein sicherer tot! Entschlossen schaute sie ihm in die Augen.

„Du sollst mich beschützen. Das kannst du nicht, wenn wir uns trennen!" erwiderte sie und sah ihn abwartend an. Deutlich sah man es in seinem Kopf arbeiten, er würde es nie zugeben, aber sie hat Recht. Er konnte es allein nicht mit allein sieben Männern aufnehmen. Seufzend öffnete er die Tür nach oben und ihnen kam Dreck, Blätter und kleine Äste entgegengeflogen. Sie kletterten hinaus und waren mitten im Wald. Die frische Brise wehte ihnen um die Ohren und ließ sie fröstelnd schütteln. Sie hatte weder Schuhe noch Jacke an. Nur das T-Shirt und die Jogginghose von ihm. Er hatte zumindest einen Hoodie und Schuhe an.

„Wir müssen weiter" erklärte er, nun wesentlich ruhiger, doch sie hörte deutlich die Sorge in seiner Stimme heraus. Sie stützte ihn und sie kämpften sich so rasch sie konnten, durch den dunklen Wald. Es war noch nicht ganz Nacht, aber die hohen Bäume ließen kein Licht mehr hindurch. Sie hatte keine Ahnung, wo sie waren und ob Yoongi wusste, wo sie hinmussten oder ob er einfach nur eine große Entfernung zwischen den Männern ihres Vaters und ihnen bringen wollte. Sie spürte, wie angespannt er war, ständig sah er sich nach allen Seiten um und spitzte seine Ohren lauschend. Sie konnte sich nicht erklären, wie ihr Vater sie finden konnte. Hobi wäre niemals so leichtsinnig gewesen, dass irgendwas durchgesickert wäre.

Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren, während sie sich durch den Wald kämpften. Es war so dunkel, dass man kaum seine eigene Hand vor Augen erkennen konnte. Ihre Füße schmerzten und bluteten sicherlich, von dem ganzen Gestrüpp, Ästen und Steinen auf dem Boden. Ihr war kalt, so entsetzlich kalt, doch sie biss die Zähne zusammen und versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Sie spürte, wie immer mehr von Yoongi seinem Gewicht auf ihren Arm lastete, leise stöhnte er vor Schmerzen wiederkehrend auf.

„Du musst dich ausruhen" erklärte sie ihm, er wollte widersprechen, doch ihm fehlte die Kraft dazu. Seufzend lehnte er sich an den nächstbesten Baum und atmete tief durch. Keuchend sackte er leicht zusammen und hielt sich seinen Bauch. „Hast du dein Handy? Ich bräuchte die Taschenlampe" erkundigte sie sich bei ihm. Er reichte es ihr schweigend und sie starrte das Gerät an, dann ihn. „Kannst du sie einschalten...?" Sie wusste nicht, wie sowas geht. Sie hatte nur ab und zu an Hobi seinem Handy etwas herumspielen dürfen. Er hatte nicht die Kraft, um genauer nachzufragen und schaltete die Taschenlampe ein. „Danke. Darf ich?" erkundigte sie sich und deutete auf seinen Hoodie. Er zog ihn, zusammen mit seinem T-Shirt, hoch. Sein Bauch und Brustbereich war übersäht mit blauen Flecken verschiedener Größen, Hämatomen und einer offenen Wunde. Es war ein glatter Schnitt, wie bei einem Messer, schoss es ihr durch den Kopf. Es blutete noch immer und sie riss von ihrem Shirt unten am Bund einmal rundherum ein großzügiges Stück Stoff ab.

„Was tust du?" knurrte er leise, während er sie misstrauisch beobachtet.

„Wonach schauts denn aus? Ich flicke dich notdürftig zusammen oder willst du hier im Wald verbluten?" erwiderte sie und konzentrierte sich darauf, den Stoff zweimal stramm um seinen Bauch zu wickeln, was ihn zischen ließ. „Tut mir leid für dein Shirt" murmelte sie schuldbewusst, als ob das jetzt ihr größtes Problem wäre. Erneut zischte er leise, als ihre eiskalten Finger seine warme Haut am Bauch berührten.

„Fuck! Du bist eiskalt!" knurrte er leise und wollte sich sein Hoodie ausziehen, doch sie hielt sein Handgelenk fest.

„Nicht. Mir geht es gut" erklärte sie und verknotete den Stoff. Sie hoffte, es würde die Blutung stoppen. Er bräuchte dringend einen Arzt und sollte sich so wenig wie möglich bewegen.

„Dir ist kalt! Zieh den verkackten Hoodie an!" befahl er deutlich und funkelte sie bedrohlich an. Wie er es hasste, sich zu wiederholen. Wieso widersprach sie ihm ständig?

„Dir auch! Und du bist verletzt. Dein Körper braucht die Wärme dringender als ich!" erwiderte sie und gab ihm sein Handy zurück, als sie fertig war. Sichtlich angepisst steckte er es in seine Hosentasche. Er wusste, wenn ihr etwas geschieht, würde Hobi ihn köpfen und er wollte seinen Kopf nicht wegen ihr riskieren. Seufzend fuhr er sich durch die Haare.

„Dann eben so!" zischte er arrogant und zieht sie an sich. Legt seine Arme um sie und drückt sie so fest an sich, dass sie sich nicht befreien kann. Versuchte sie so zu wärmen. Erschrocken zog sie scharf die Luft ein und vergaß das Atmen, während sie Halt suchend ihre Hände auf seiner Brust abstützte.

„Lass mich los..." wisperte sie und versuchte sich zu befreien, doch obwohl er verletzt war, war er immer noch stärker als sie.

„Verdammt! Halt still!" knurrte er mit tiefer, rauchiger Stimme, was ihr eine Gänsehaut bescherte. Doch sie dachte nicht daran, klein beizugeben. Sie drehte und wand sich hin und her, versuchte seine Arme wegzuschieben und sich zu befreien. Trotz seiner Schmerzen, die sie verursachte, drückte er sie noch ein wenig fester an sich, doch auch das half nicht. Sie hielt nicht still und er wurde wütend. Ohne einen zusätzlichen Gedanken daran zu verschwenden, krachten seine Lippen auf ihre. Er spürte, wie sie sich versteifte, doch sie hielt nun endlich still. Seine Hand wanderte zu ihrem Hinterkopf, hielt sie so, dass sie sich ihm nicht entziehen konnte. Ihre Lippen waren warm und unglaublich weich. Herausfordernd stupste er mit seiner Zunge an ihre Lippen, als sich diese kaum merklich bewegten und den Kuss zögerlich erwiderten. Merklich entspannte sie sich in seinen Armen, krallte sich in seinen Hoodie fest. Er grinste leicht in den Kuss hinein. Er war sich seiner Wirkung auf Frauen bewusst und würde es sich zur Nutze machen, wenn es sein musste. Zaghaft erwiderte sie den Kuss, während er selbstbewusst seine Zunge in ihren Mund schob, als sie ihre Lippen für einen Augenblick öffnete. Fordernd vertiefte er den Kuss, während ihr ein verhaltenes Stöhnen entwich. Zufrieden lockerte er leicht seinen Griff, gleichzeitig wanderte seine Hand in ihren Nacken. Er spürte, dass sie keine Erfahrungen hatte, doch das spornte ihn nur noch mehr an.

„Suga?" ertönte Jimins Stimme aus der Nähe.

So far away und doch so nah (Suga/Hobi FF)Where stories live. Discover now