Kapitel 8: Die Nutzung des Nachnamens

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Dieses Mal muss ich kein Schloss mit meiner alten Nagelfeile, mit der ich übrigens noch nie meine Nägel gefeilt habe, knacken.
Miss Taylor drückt einfach die Klinke herunter und schiebt die Tür auf.

„Jedes Mal, wenn ich hier durch gehe, habe ich Angst, dass dieser Steinengel auf meinen Kopf fällt.", erzählt Miss Taylor und betrachtet den Engel mit Gehirnblutungen aus zusammengekniffenen Augen misstrauisch. „Und ich schwöre, in diesem furchtbaren Efeu sammeln sich nur so die Spinnen!"

Sie fährt mit ihrer Hand unnötigerweise durch das dichte Efeu, das sich neben der Tür über den an der Wand angelehnten Steinbogen schlängelt.

Miss Taylor erschaudert: „Also, lass uns weiter gehen!"

Sie lässt das Efeu und die darin lebenden Spinnen in Ruhe und geht ins innere der Schule. Ich folge ihr kurz darauf, ohne durch das Efeu zu streichen.

Die Tür muss ich nicht hinter mir schließen, sie fällt in dem Moment wieder krachend zurück ins Schloss, in dem ich sie loslasse.

Jetzt befinden wir uns in einem ziemlichen kleinen Raum, oder eher gesagt, in einem ziemlich kleinen Gang, dessen Boden aus grauem Stein besteht.

Die nächste Tür ist allerdings aus dunklem Holz und nicht mehr aus ebenso dunklem Stein, aber sie ist genauso schwer, wie die vorherige.

Der Gang hinter dieser Holztür sieht allerdings deutlich wohnlicher aus.

Zumindest liegt auf dem kalten Boden jetzt ein dunkelroter Teppich, der so an der Seite drapiert ist, dass man auch ja bloß nicht drauf tritt und ihn mit dreckigen Fußabdrücken verdreckt

An den Wänden hängen Bilder. Es sind Schwarz-Weiß-Fotos von ernst dreinblickenden Frauen und Mädchen, Jungs sehe ich nicht.

Einige halten Preise in die Höhe, andere schütteln irgendwelchen Leuten die Hände, noch andere lächeln sogar und im Hintergrund sieht man ein Gebäude, das vermutlich diese Schule ist. Auf einem Foto erkenne ich sogar den gruseligen Steinengel.

Damals waren die Gehirnblutungen wohl noch nicht so stark, oder das Foto ist einfach nicht so aussagekräftig.

„Das hier ist die Ehrenwand. Du könntest auch hier landen. Entweder, du bringst einen krassen Erfolg, oder deine Eltern überweisen ein bisschen Geld. Sie leben doch in Schottland, oder? Ist es schön dort?"

Ich zucke zusammen. Ich hatte mich schon an die angenehme Stille gewöhnt und jetzt stellt Miss Taylor plötzlich unangenehme Fragen, die ich alle mit halbwegs logischen Lügen beantworten muss.

„Ich mag auf jeden Fall das Wetter dort. Sonnenschein wird total überbewertet.", antworte ich ausweichend.

Miss Taylor sieht mich von der Seite komisch an: „Jedenfalls werden wir jetzt zuerst in dein Zimmer gehen. Die Direktorin wird dann vielleicht später mit dir sprechen."

„Und in dem Zimmer sind dann ... andere Menschen?", frage ich vorsichtig.

„Oh, ja. Sie werden dir noch ganz viel Kram erklären, denke ich mal. Auch sie sind noch neu hier ... aber auch das werden sie dir vermutlich gleich erklären.", meint Miss Taylor.

„Könnten sie mir das nicht einfach jetzt schon erklären?"

„Nö.", meint Miss Taylor. „Gleichaltrige können so etwas viel besser."

„Gleichaltrige reden nicht mit mir."

„Reden sie nicht mit dir, oder redest du nicht mit ihnen?", meint Miss Taylor und zieht ihre rechte Augenbraue hoch.

Girl of Blood - [ONC2024]Where stories live. Discover now