Kapitel 11: Wo Spinat nicht hingehört

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Mary und Christine haben beide ziemlich großen Hunger.
Allerdings wieder aus eher unterschiedlichen Gründen.

Mary, weil sie das Mittagessen verpasst hat, um sich die alten Kostüme anzusehen, und Christine, weil sie das Mittagessen zu widerlich fand, um es zu schlucken.

Christine schließt die Zimmertür doppelt ab, dann erst verlassen wir den Flur. Ich höre leise Stimmen aus den anderen Zimmern, an denen wir vorbeigehen.
In einem scheinen sich zwei Mädchen laut miteinander zu streiten, jedenfalls sind hinter dieser Tür die Stimmen deutlich lauter.

"Die Schule ist ein Labyrinth. Eigentlich verlaufen wir uns alle mindestens drei Mal täglich.", erzählt Mary schulterzuckend. "Man gewöhnt sich daran."

Dieses Mal verlaufen wir uns nicht. Wir verlassen unseren Flur, laufen die nächsten Flure entlang und erreichen schließlich das große Treppenhaus, in dem ich vor ein paar Stunden die Direktorin getroffen habe.

Es sieht fast genau so aus wie vorhin, nur dass jetzt ein paar Jugendliche in meinem Alter an dem Treppenabsatz stehen und sich lachend unterhalten, andere gehen einfach nur stumm nebeneinander die Stufen herunter.

"Wenn du diese Treppe findest, findest du eigentlich alles. Sie ist das Herz aller Irrwege.", meint Mary und winkt zwei Mädchen zu, die neben uns die Stufen hinuntergehen. "Darf ich vorstellen: Cassy und Aria."

Cassy (Zahnspange, dunkelbraune Augen, dünne Zöpfe in den Haaren) und Aria (Kinnlange schwarze Haare, kleine Pickel auf der Stirn, auffällige Silberkette) winken uns freundlich zu.

"Wer bist du?", fragt Aria. Ihre Stimme erinnert mich an ein Messer. Sie zerschneidet die ausgesprochenen Wörter geradezu brutal kurz.

"Genieve.", antworte ich. "Und du bist Aria Li, ebenfalls Teil der dystopischen Kostümschneidertruppe und Rapmusikfan?"

Arias Mund klappt auf, Marys Augen werden so groß wie kleine Teller.

"Woher weißt du das?", flüstert Aria, nachdem sie aus ihrem kurzen Erstarren wieder aufgewacht ist.

"Du hast dir das alles gemerkt?!", fragt Mary schrill.

"Natürlich. Es ist immer hilfreich, alle seine Mitmenschen schon zu kennen, bevor man sie zum ersten Mal trifft. Also, nochmal: Hi.", sage ich lächelnd und strecke Aria meine Hand entgegen.

Sie schüttelt sie zögernd, als würde sie erwarten, dass ich einen Elektroschocker oder so etwas ähnliches als Ring trage.

Tue ich übrigens nicht.

"Gehen wir weiter? Wir blockieren die Treppe!", meldet sich Christine, die in den letzten Sekunden akribisch ihre Fingernägel gemustert hat. "Ich hoffe, das Abendessen ist besser als das Mittagessen!"

Cassy lacht nervös auf: "Ja. Vielleicht gibt es ja Nudelauflauf?"

Ein gezwungenes Gespräch über gutes und schlechtes Essen hilft, die unangenehme Atmosphäre ein wenig zu bekämpfen.

Nur wenige Minuten später erreichen wir den Speisesaal. Der Boden ist wieder aus dem grauen Stein, die Fenster auf der einen Seite gehen auf den Innenhof heraus, auf der anderen Seite hängen einfach schlichte Gemälde.

In dem Raum verteilt stehen kleine Tische, bedeckt mit rötlich schwarzen Tischdecken und perfekt angeordnetem Besteck.

An jedem Tisch stehen vier Stühle.

"Ähm ... wir sprechen dann morgen oder so weiter!", sagt Mary als Verabschiedung, als Aria und Cassy sich ohne Abschiedsworte zu einem anderen Mädchen setzten.

"Der Tisch da drüben ist noch frei!", bemerkt Christine, die scheinbar nicht einmal bemerkt hat, dass Aria und Cassy nicht mehr bei uns stehen.

Also setzten wir uns an den freien Tisch, der zwischen zwei besetzten Tischen, und außerdem direkt zwischen zwei der Fenster positioniert ist, sodass wir einen wundervollen Ausblick auf die Wand haben.

In der Mitte der Tischdecke ist wieder das Auge mit dem Messer aufgedruckt, das Wappen der Schule.

"Egal, wie oft ich es ansehe: Es wird einfach nicht schöner.", seufzt Mary und legt den Kopf schief, als würde das helfen.
Spoiler: Es funktioniert nicht.

"Du bist neu hier, oder?", fragt ein Junge vom Nachbartisch. Er hat glatte braune Haare, einen hochgezogenen Mundwinkel und schlammfarbene Augen.

"Nein. Du warst nur die letzten Tage auf einem Auge blind und hast mich nicht gesehen.", antworte ich.

Jetzt zieht er auch den zweiten Mundwinkel hoch, was irgendwie schmerzhaft aussieht. Dann erst lacht er zweimal auf und fährt sich mir der rechten Hand durch die Haare. Jetzt sieht er aus, als hätte er zu lange im Wind gestanden. "Ich bin jedenfalls August. Das neben mir sind -"

"Edward und William.", unterbreche ich ihn. „Ich weiß."

Edward (schwarze Haare, Sommersprossen und eine schief sitzende rote Krawatte) und William (Locken, braune Augen, ebenfalls eine rote Krawatte (allerdings sitzt sie bei ihm gerade) und leichte Grübchen) sehen sich verwirrt und doch in gewisser Weise belustigt an.

„Stalkerin!", sagt August und fletscht die Zähne, als er versucht, breiter zu grinsen. Irgendwie sieht er ein bisschen aus wie ein Hund. „Wenn du irgendwelche Frage hast, kannst du jedenfalls immer zu mir kommen!"

„Okay. Wie viele Planeten gibt es in unserem Sonnensystem?"

Augusts Lächeln fällt in sich zusammen, wie ein Luftballon, der auf eine spitze Nadel gedrückt wird: „Was?"

„Du hast gesagt, irgendwelche Fragen. Und das ist eine Frage. Eine sehr einfache sogar."

August sieht zu seinen Freunden. Edward mustert betont interessiert das Tischtuch und William fängt langsam an zu lächeln.

August dreht sich wieder zu mir um, zeigt wieder seine Zähne. Hat ihm jemals jemand gesagt, wie furchtbar das aussieht?

„Also ... ich meinte andere Fragen.", sagt er dann mit gepresster Stimme. „Denk vielleicht das nächste Mal zuerst nach!"

Hätte er lange Haare gehabt, hätte er sie über seine Schulter geworfen, als er sich zurück zu seinen Freunden dreht.

Christine lacht laut auf, doch das Lachen vergeht ihr, als eine Frau eine Metallschüssel vor uns abstellt. Darin schwimmt eine grünliche Flüssigkeit mit ein paar orangefarbenen Stücken.

„Entschuldigung, was ist das?", fragt sie vorsichtig. Der Mann, der die Suppe abgestellt hat, sieht sie wütend an, als könnte er nicht fassen, dass Christine nicht direkt alle Inhalte aufzählen kann: „Erbsensuppe mit frischem püriertem Spinat und feinen Möhrchen."

„Warum würde man Spinat in Erbsensuppe mischen?", fragt Christine kritisch.

„Es schmeckt eben delikater so.", meint der Mann und reckt das Kinn in die Höhe, bevor er wieder zu seinem Wagen geht, wo noch mehr solche gefüllten Metallschalen drauf stehen, und ihn weiter zum nächsten Tisch schiebt, um sich erneut der Frage nach dem Grund für Spinat in Erbsensuppe stellen zu müssen.

", meint der Mann und reckt das Kinn in die Höhe, bevor er wieder zu seinem Wagen geht, wo noch mehr solche gefüllten Metallschalen drauf stehen, und ihn weiter zum nächsten Tisch schiebt, um sich erneut der Frage nach dem Grund für Spinat in Erbs...

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Girl of Blood - [ONC2024]Donde viven las historias. Descúbrelo ahora