Kapitel 12: Von hinten erstochen

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Ich habe mal gehört, dass man jeden Tag etwas neues lernt.

Also, die heutige Weisheit: Erbsensuppe mit Spinat ist absolut nicht "delikat".
Ganz im Gegenteil sogar! Es sollte veboten werden, so etwas überhaupt Menschen vorzusetzen.

„Es ist einfach Schwachsinn! Warum kann es nicht einfach Erbsensuppe mit Erbsen geben?!", schimpft Christine am Abend, während ich im Bad meine Zähne putze. "Aber nein, man muss ja Spinat reinhauen!"

„Es soll halt was darstellen. Du weißt schon, weil die meisten hier zu viel Geld haben.", antwortet Mary. „Da soll das Essen halt immer was besonderes sein."

„Das ist die dümmste Erklärung, die ich je gehört habe. Und leider ist es vermutlich sogar die korrekte."

Ich spucke die Zahnpasta in das Waschbecken und drehe den Wasserhahn auf. Das Wasser, das herausschießt, ist kochend heiß und ich ziehe fluchend meine Hand aus dem Wasserstrahl, bevor ich den Hahn auf den blauen Punkt zudrehe.

Vorsichtig schiebe ich meine Hand wieder unter das diesmal eisig kalte Wasser. Ich habe zwar das Gefühl, als würden Eiswürfel meine Haut verprügeln, aber ansonsten ist die Temperatur deutlich besser als die vorherige.

Als ich zurück ins Zimmer komme, sind die Vorhänge wieder zugezogen, nur die angeschalteten Nachttischlampen sorgen für fahles Licht.

„Wir gehen heute früh ins Bett. Montage sind verdammt anstrengend! Du zum Beispiel hast morgen Chemie in den ersten beiden Stunden, dann Mathe und Englisch und am Ende noch Dystopisches Drama. Steht alles in deiner Mappe.", verkündet Mary und setzt sich im Schneidersitz auf ihre Matratze, bevor sie die rote Nachttischlampe neben ihrem Bett ausknipst.

„Danke.", sage ich und gehe auf mein eigenes Bett zu. Die Mappe liegt noch auf meinem Schreibtisch, hineingesehen habe ich direkt nach dem Abendessen.

Ich weiß, wo ich morgen wann hin muss.
Chemieunterricht habe ich im Hauptgebäude, Mathe im Flur dahinter, Englisch einen Stock darunter. Dystopisches Drama wird außerhalb unterrichtet. Genauer gesagt wohl in einer Art Hütte in dem Teil des Waldes, der gerade noch innerhalb des eingezäunten Bereiches liegt.

Christine knipst ihre Lampe als nächstes aus und zieht sich dann ruckartig die Decke über den Kopf: „Kurze Info, Genieve: Wenn du die blöde Lampe auf deinem Tisch nicht innerhalb der nächsten zwei Minuten ausmachst, sperre ich dich mit August so lange in einen Raum, bis du wegen Mordes an einem sechzehnjährigen Jungen angeklagt wirst."

„Hä?", kommt es müde von Mary.

Christine stöhnt genervt auf: „Der sechzehnjährige Junge wäre dann August."

„Hä?"

„Ich würde sie so lange in einen Raum mit ihm sperren, bis sie ihn umbringt – ach vergiss es, jetzt ist jeglicher Witz weg!", schimpft Christine. „Mach einfach das blöde Licht aus!"

Also knipse auch ich meine Nachttischlampe aus und lege mich in mein Bett.
Circa fünf Minuten später ertönt ein lautes Schnarchen.

In dem Moment wird mir klar, dass es sehr schwierig wird, diese Nacht überhaupt erst einzuschlafen.

Zehn Minuten später hört das Schnarchen aber glücklicherweise kurz auf und ich wittere meine Chance, allerdings weigert sich mein Körper beharrlich dagegen, einzuschlafen.

Weitere fünfzehn Minuten später habe ich alles, was ich heute erlebt habe, drei mal durchdacht, den Hals des toten Fahrers, die herumfliegenden Glassplitter und meine Tante mit den Stickern auf den Augen immer wieder vor meinem inneren Augen gesehen und bin kurz davor, die Ruhe in meinem Zimmer in der NSG zu vermissen.

Girl of Blood - [ONC2024]Donde viven las historias. Descúbrelo ahora