Kapitel 18: Ein Papierzettel

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Der Tag zieht sich wie ekelhafter Kaugummi.

Eine weitere Vorstellung meiner selbst, weitere Hausaufgaben, noch mehr schlecht gelaunte Lehrer, die ihren Kaffee entweder vergessen haben, oder "freiwillig auf die Dosis Koffein verzichten. 

Als es endlich Zeit zum Mittagessen ist, würde ich sogar Spinatlasagne mit Spinattopping und Spinatsoße essen.

Das erste, was Mary tut, als wir an unserem Stammtisch sitzen, ist, den Kopf mitten auf die harte Tischplatte zu legen: „Ich kann nicht mehr! Ich meine es ernst, kauft mir einen Grabstein und schreibt das heutige Datum drauf!"

„Und es ist erst Dienstag.", bemerkt Christine unbeeindruckt.

Ich sehe, wie William, Edward und August den Speisesaal betreten und sich nach einem leeren Tisch umsehen. William trägt diegleiche Jacke wie gestern Abend, vielleicht ist es sogar dieselbe.
Entweder er ist sehr unvorsichtig, oder er mag die Jacke einfach sehr gerne.

„Ach, Christie! Was ich schon immer fragen wollte: Wie viel Geld hast du dafür bekommen?", fragt August laut, als sie sich dazu entscheiden, sich an den Tisch direkt neben uns zu setzen, an dem bisher nur ein Junge mit Hornbrille und dunklen Locken gesessen hat. 

Christine reagiert nicht.

„Hey, hast du mich nicht gehört?!", er tippt Christine auf die Schulter und sie dreht sich genervt zu ihm um: „Ich dachte, du willst mir Christie reden?"

„Du bist Christie"

„Nope. Ich heiße Christine.", entgegnet Christine ungerührt. „Also, was ist?"

„Wie viel Geld hast du dafür bekommen, dir die Haare abzuschneiden?!"

August dreht sich zu seinen zwei Freunden um, aber weder Edward noch William lachen. William zieht entschuldigend die Augenbrauen hoch.

„Gar keins! Wieso sollte ich Geld dafür bekommen haben?!", fragt Christine. „Das läuft beim Friseur eher anders herum -"

„Wieso bist du dann kahl? Wette verloren?!"

„Wer sollte so eine Wette überhaupt abschließen?", frage ich. „Man wettet meinetwegen um Geld oder Leben, aber nicht um Haare!"

Mary lacht.

Ihren Gesichtern nach zu schließen, haben die Jungs ihr Lachen noch nie zuvor gehört. Sogar der schweigende Junge mit der Brille sieht Mary mit großen Augen an.

„Um Leben?! Was läuft bei dir denn falsch, Jenny?!", faucht August.

„Wieso kannst du dir eigentlich keine Namen merken? Wir haben keine Jenny hier!", ruft Mary.

„Vielleicht hat er unsichtbare Freunde?", schlägt Christine vor und reckt den Hals, um eine bessere Sicht auf das Essen zu bekommen, das die ersten schon auf die Tische gestellt bekommen.

August dreht sich eingeschnappt um, und fängt an, sich mit seinen Freunden zu unterhalten. Ihr Gespräch ist ziemlich langweilig, doch jedes Mal wenn ich Williams Stimme höre, sehe ich ihn unwillkürlich mit dem Seil vor mir.

Meine Tante hatte Informationen.
Hilfreiche Informationen, ja.

Aber genug Informationen? Nope.
Doch William steckt anscheinend mitten drin in dieser ganzen Bund-Organisations Sache. Wenn also jemand hier auf jeden Fall noch Antworten hat, dann er.

Ich muss nur an ihn heran kommen.

Wir kennen uns erst seit einigen Stunden, also kann ich nicht mit „Wir sind Freunde, du kannst mir vertrauen" arbeiten.

Glücklicherweise gibt es auch noch andere Möglichkeiten.

Während also die Teller vor uns gestellt werden, ziehe ich einen Bleistift und ein Stück Papier aus meinem Rucksack.

Ich schreibe nicht viel, Schlagwörter genügen.

17:00, Geisterflur

Der Geisterflur ist eigentlich ein ganz normaler Flur, mit ganz normalen Klassenzimmern und ganz normalen Wänden. Allerdings findet dort laut Mary kein Unterricht mehr statt, und seit sich das Gerücht verbreitet hat, dort würden Ratten leben und nur darauf warten, dass Leute in ihr Revier eindringen, damit sie neues Frischfleisch bekommen, ist es angeblich absolut ausgestorben dort.

Ich mag Gerüchte sehr gerne, meistens, weil in ihnen (zumindest in den Guten) noch genug Wahrheit steckt, die verzweifelt versucht wurde, zu verbergen. (Was ich allerdings nicht mag, sind Gerüchte, die mich selbst betreffen, aber ich denke das geht den meisten so.)

Ich falte den Zettel ordentlich zusammen und schreibe „William" auf die Vorderseite.

Christine beschwert sich wieder über das Essen, Mary erzählt von ihrem Englischunterricht und den Hausaufgaben, also bemerkt keine von ihnen, dass ich den Zettel mit Williams Namen einem Mädchen am nächsten Tisch zustecke.

„Was ist das?", fragt sie, während ihre Freundinnen in kreischendes Gelächter ausbrechen, weil die vierte in ihrem Bunde gerade ihre Nudeln vor lauter Ekel wieder ausspuckt.

„Das ist kompliziert zu erklären. Gib es einfach weiter, bitte.", antworte ich und lächle bemüht freundlich.

Sie erwidert das Lächeln, und gibt den Zettel tatsächlich weiter. Es ist, als bahne er sich eine Linie durch den gesamten Speisesaal, wird flüstert weiter und weiter gegeben.

Lustig ist, dass niemand auf die Idee kommt, ihn wieder zurück zu geben, obwohl er in dieser Richtung eigentlich schneller ankommen würde.

Es dauert eine Weile, aber irgendwann ist der Zettel über die meisten Tische hinweg zu William gewandelt, und die ersten haben dank ihrer sterbenden Aufmerksamkeitsspanne schon wieder die Existenz dieses Papierstücks vergessen.

William nimmt den Zettel verwirrt entgegen und faltet ihn unter dem Tisch auf.

Seine Augenbrauen zucken kurz verwirrt, dann knüllt er den Zettel zusammen und steckt ihn in seine Hosentasche.

Weil er seinen Kopf in die Richtung unseres Tisches dreht, wende ich mich schnell meinem Teller zu.

Hindernis eins ist, durchaus ein wenig ungeschickt, überwunden.

Nach dem Mittagessen gehe ich gemeinsam mit Mary und Christine auf den Innenhof. Mary schwärmt von Connor Richter, der ihr heute einen Bleistift ausgeliehen hatte, als sie ihren versehentlich zerbrochen hatte und Christine kritisiert das Wetter.

Danach gehen wir zurück auf Zimmer 73, erledigen unsere Hausaufgaben und Mary besucht einen Workshop über Modedesign.

„Für diese Workshops und den ganzen Kram kannst du dich im Sekretariat eintragen. Falls du Interesse daran hast.", sagt Christine schulterzuckend.

„Danke.", antworte ich schlicht. Ich glaube, das ist das erste Mal, dass in Christines Tonfall wenig, bis hin zu gar keine Schärfe mitschwingt.

Ich behalte durchgängig meine Armbanduhr im Blick, warte, bis es vier Uhr ist.

„Ich gehe nochmal raus. Bis später.", sage ich zu Christine, die immer noch an ihrem Schreibtisch sitzt.
Sie guckt gar nicht erst auf, sondern winkt mir nur kurz zu, was gut ist, weil sie nämlich sonst gesehen hätte, wie ich das kleine, praktische Messer in meinem Schuh durch ein etwas größeres, aber nicht minder praktisches austausche und es mir in den Ärmel schiebe.

 Sie guckt gar nicht erst auf, sondern winkt mir nur kurz zu, was gut ist, weil sie nämlich sonst gesehen hätte, wie ich das kleine, praktische Messer in meinem Schuh durch ein etwas größeres, aber nicht minder praktisches austausche und es mir in...

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Girl of Blood - [ONC2024]Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon