✧Kapitel 11✧

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Kaum ist er aus meiner – und vermutlich auch aus Kiras – Sichtweite, geschieht etwas Seltsames mit ihr. Ein klein wenig sieht es so aus, als wäre sie zuvor von unsichtbaren Fäden aufrecht gehalten worden, die Mercator mit seinem Verlassen des Raumes durchtrennt hat.

Kira sieht allerdings nicht unglücklicher deswegen aus – eher, als wäre sie froh, dass die Fäden weg sind.

„Okay." Sie kommt zu meinem Glas und mustert mich. „Du hast das alles gehört, oder?"

Ich tippe einmal mit meinem Vorderbein auf den Tisch.

„Die Situation ist folgende", erläutert Kira und ihre Augen scheinen durch mich hindurch zu sehen, als würde sie auf einen Punkt hinter mir schauen. „Frederic Mercator ist derjenige, der auf der Perseus für die Sicherheit zuständig ist. Er wird gerufen, wenn es Streitigkeiten zwischen den Menschen gibt, aber er überwacht auch die digitalen Sicherheitssysteme." Mit einem Ruck fokussieren ihre Augen sich auf mich. „Zu diesen Systemen gehörst auch du, Blobb."

Ich verstehe nicht, was sie mir sagen möchte und drehe mich einmal um meine eigene Achse, in der Hoffnung, dass Kira weiß, was ich meine. Meine Hoffnung erfüllt sich.

„Wenn dich jemand manipuliert hat, dann ist es nicht unwahrscheinlich, dass dieser Jemand Mercator war", sagt sie, und jetzt erschließt es sich mir.

Jetzt verstehe ich nicht nur, warum sie Mercator verdächtigt, ich verstehe auch, warum sie ihm gegenüber die Unwahrheit gesagt hat. Sie wollte nicht, dass er mich findet. Aber warum?

„Du musst das verstehen, Blobb." Wieder hat sich Kiras Stimme verändert, sie ist tiefer geworden. Dazu kommt, dass sie jetzt wirklich nah vor meinem Glas steht und ihr Atem feinen Nebel auf der Oberfläche erscheinen lässt. „Wenn er dich manipuliert hat, wird er dich entweder zerstören oder dafür sorgen, dass sein Auftrag richtig durchgeführt wird."

Sie macht eine kurze Pause, aber ich reagiere nicht, also spricht sie weiter.

„Alle hier auf dem Schiff haben mitbekommen, was geschehen ist, und jetzt sind sie gegenüber den Lemmingen sehr argwöhnisch. Das heißt, so schnell würde keiner von euch mehr in unsere Nähe kommen. Er müsste auf dich zurückgreifen."

Das ist eine merkwürdige Erkenntnis. Es bedeutet, dass ich ... als Einzelwesen wahrgenommen werde. Als das, was Kira schon in mir gesehen hat, als sie mich Blobb genannt hat, auch wenn ihr das in dem Moment wahrscheinlich gar nicht klar war.

Ich bin wichtig.

Das ist wirklich eine sehr merkwürdige Erkenntnis – und ich glaube nicht, dass ich sie gut finde, weil es bedeutet, dass ich für eine schlechte Sache wichtig bin. Es kann nicht gut sein, einen Menschen töten zu wollen, oder?

Kira möchte offensichtlich noch mehr sagen, aber gerade, als sie den Mund dazu geöffnet hat, tritt Fred durch die Tür des Labors.

Beinahe hätte Kira mein Glas und damit mich vom Labortisch gefegt. Es ist gut, dass sie mich gerade noch fangen kann, sonst hätten wir wahrscheinlich sehr direkt herausgefunden, ob meine fehlerhafte Programmierung immer noch aktiv ist.

„Hi", sagt Kira und wieder hat sich ihr Tonfall verändert. Ich wusste auch vorher, dass Menschen im Gegensatz zu mir sprechen können, aber auf wie viele verschiedene Arten sie etwas sagen können, war mir bis vor kurzem nicht bewusst. Gerade ist kaum Ton in Kiras Stimme, stattdessen klingt sie, als würde sie vor allem mit reiner Luft sprechen.

Fred sieht dagegen aus, als wüsste er gar nicht, was er sagen will. Die Beschädigung, die ich an seinem Hals hinterlassen habe, ist verschwunden, die menschlichen Reparateure müssen sich darum gekümmert haben. Er hat allerdings eine Hand halb erhoben, als würde er Kira zuwinken wollen oder ihr die Hand reichen oder etwas dazwischen.

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