Caitlyn Jacobs (a touch of darkness)

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Caitlyn

Als sie gegen Mitternacht aus der Bar stürmte, regnete es. Nein, es stürmte und gewitterte. Doch davon ließ sie sich keineswegs aufhalten. Sofort setzte sich die Studentin in Bewegung und überquerte die Straße, ohne vorher nach links oder rechts geschaut zu haben, was ihr direkt ein lautes Hupkonzert wütender Autofahrer bescherte, die um diese Uhrzeit noch auf den Straßen Manhattans unterwegs waren.

Chloes Schritte wurden immer schneller und somit auch das Tempo, dass sie einlegte, um von der Bar wegzukommen. Denn sie war auf der Flucht. Auf der Flucht vor den Männern, mit denen sie sich deutlich verscherzt hatte. Eigentlich wollte sie nur um etwas Geld Pokern. Geld, welches die Studentin dringend benötigte. Warum und wofür, hat sie niemanden verraten. Nicht einmal den jungen Mann, der ihr helfen wollte. Doch wenn die unheimlichen Männer sie finden, bevor er es kann, ist sie tot. Denn niemand hintergeht die mächtigen und kaltblütigen Baronen New Yorks. Zumindest niemand, der bei klarem Verstand war und das war Chloe Weaver definitiv nicht. Sie war anders als all die anderen jungen Frauen in ihrem Alter und genau das machte sie so verdammt gefährlich.

Kaum hatte die junge Studentin die andere Straßenseite erreicht, hatte der Regen sie bereits komplett durchnässt. Chloe trug an diesem Abend ihre weiße Bluse, durch den man jetzt jedoch ganz klar ihren schwarzen BH sehen konnte, sowie einen schlichten schwarzen Rock, der ihr nicht einmal bis zu den Knien ging. Jetzt klebte alles an ihr wie eine zweite Haut und fühlte sich beim Laufen so unfassbar schwer an, dass es ihr unmöglich war, noch schneller zu laufen, obwohl das doch eigentlich das ist, was für sie jetzt am besten wäre.

Sie gelang kurz darauf in eine dunkle Seitenstraße, in der sie abzutauchen versuchte und versteckte sich hinter einen großen Müllcontainer, der nur so vollgestopft mit dicken Säcken war und bei denen sie hoffte, ihr beißender Gestank würde sie von ihrem eigentlichen Duft beschützen. Chloe roch nach Pfirsich und Mango, die beiden Lieblingsgerüche, die die junge Frau an ihre Mutter erinnerte, für der sie das alles hier überhaupt erst machte.

Doch gerade als Chloe sich mit dem Rücken gegen die kalte Backsteinmauer eines Restaurants lehnen wollte, huschte ein Schatten an ihr vorbei. Es waren nur ein paar wenige Sekunden, aber schon diese reichten aus, um die Studentin wieder in Alarmbereitschaft zu versetzen. Dabei wollte sie doch eigentlich nur für einen kurzen Augenblick Luft holen und durchatmen, bevor sie zurück in den Angriffsmodus wechselte.

Der Schatten tauchte erneut vor ihren blauen Augen auf und ehe sich die junge Frau versah, packte sie jemand an ihrer Kehle und drückte Chloe grob gegen die Backsteinmauer hinter sich. „Fass mich nicht an!“, fauchte sie und versuchte sich automatisch zu wehren. Es war ein Reflex, den sie perfekt beherrschte, da es nicht das erste Mal war, dass sie in den Gassen von Manhattan angegriffen wurde. Nur legte niemand bis jetzt Hand an ihre Kehle. Panik durchfuhr sie und ließ ihr Herz augenblicklich schneller schlagen. „Sei ruhig“, knurrte der Mann, drückte die Studentin noch fester gegen die Mauer und hielt ihr dann mit der anderen Hand den Mund zu, sodass sie keinen Ton mehr über ihre Lippen brachte.

Sie wollte den Mann zwischen seine Beine treten, in der Hoffnung, sich dadurch aus seinen Klauen befreien zu können. Aber sie konnte ihren Körper keinen einzigen Millimeter bewegen und als sich Chloes blaue Augen mit den grünen vom Mann trafen, weiten sich ihre sofort. Er erkannte ihn wieder. Das würde sie immer tun. Vor ihr stand Hermes, der Dieb, Bote und Gaukler von New York. Wie er allerdings in wirklich hieß, wusste sie nicht, auch wenn sie es zu gern wüsste. Hermes‘ smaragdgrüne Augen waren ein sich ständig verändernder Wirbelsturm, der mal warm, mal kalt oder einfach nur leer war. Doch genau das war es, was sie beruhigte. Sein Wirbelsturm. Denn je länger sie den jungen Mann anschaute, der übrigens mindestens genauso durchnässt war wie sie, beruhigte sich auch Chloes Herzschlag. Leidglich ihre Atmung ging weiterhin schwer über ihre Lippen.

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