Kapitel 5 - Charmantes Lächeln

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~ drei Tage später ~

Ich gab mein Bestes, nicht jedes Mal enttäuscht zu sein, wenn jemand anrief, aber ich nicht seine Stimme hören konnte. Allerdings wunderte es mich noch viel mehr, dass ich kein einziges Wort darüber an Anne verloren hatte. Dauernd suchte ich nach einem Grund, weshalb ich mich so entschieden hatte und auch wenn jede Faser meines Körpers ehrlich mit Anne sein wollte, ich konnte nicht mit ihr darüber reden.

Auch wenn ich die Antwort verdrängte, hatte ich, glaube ich, Angst. Ich wusste nicht, was das mit Nathan sollte und ich wusste auch nicht, warum ich ihm so schnell Vertrauen geschenkt hatte. Ich war mehr als verwirrt und mit Anne darüber zu reden würde mich bestimmt zu einer Lösung führen, aber mein Verstand hielt mich davon ab.

Ich musterte meine Dozentin für Psychologie und so souverän wie sie vor all den anderen Studenten hier sprach, fällte ich eine Entscheidung. Wenn Nathan nicht heute noch anrufen sollte, dann würde ich mit Anne reden und einen Weg finden, mich wieder auf mein eigenes Leben zu konzentrieren. Als angehende Psychologin sollte ich mein Unterbewusstsein ausspielen können.

Wie immer holte ich mir einen Kaffee nach der Vorlesung, lief Richtung Bibliothek und beobachtete die Menschen um mich herum. Nachdem man so viel Interessantes über die menschlichen, unterbewussten Vorgänge gehört hatte, fühlte ich mich immer wie Sherlock Holmes, wenn ich Gelerntes an Wildfremden anwenden konnte.

Man konnte Menschen so leicht in eine Schublade stecken und welch ein Wunder, sie verhielten sich innerhalb dieser alle genau gleich. Manches war leicht zu erklären. Aber fragt mich nicht, woher ich einfach wusste, dass der muskulöse Mann in hochwertigem Anzug, Pilotenbrille und einem Starbucks Coffee to go in der linken Hand weder Bankier noch Anwalt war, sondern Eventmanager und zwar ein Rechtshänder.

Er griff mit der freien Hand, das war seine rechte, in das innere seines Jacketts, holte ein überdimensionales Smartphone raus und tippte so schnell, dass ich nicht im entferntesten mitlesen könnte, was er schrieb. Aber ich bemerkte, dass er zur Zahlen-Tastatur wechselte und wie wild Termine oder Uhrzeiten eintippte.

Ganz vorsichtig führte er den Kaffeebecher an die Lippen und nahm einen großen Schluck. Nachdem ich die Straße überquert hatte, schmiss ich meinen leeren Kaffeebecher unauffällig neben dem Eventmanager in die Mülltonne und erhoffte mir auf diese Weise herauszufinden, welche Marke das Smartphone hatte.

Doch genau in diesem Moment nahm er einen Anruf entgegen, mit seinen In-Ears und deswegen steckte er das Smartphone zurück in die Innentasche des Jacketts, ehe ich einen genaueren Blick darauf erhaschen konnte. Daran müssen wir arbeiten, sagte ich streng zu mir selbst.

~~~~~

Die Bücher, die ich für meine nächste Facharbeit brauchte, lagen bereits eine kleine Ewigkeit offen vor mir, rechts davon mein Laptop und daneben ein kleiner Block und Stift für Notizen. Vor mir, wo ich mich eigentlich gerne abstützen würde, lag mein iPad mini, das mir den Weg zu einem Wörterbuch ersparte.

Da klingelte mein Handy und sofort wurde ich mit bitterbösen Blicken der anderen Studenten gestraft. Ich lief rot an und wühlte gehetzt in meiner Tasche herum, bis ich es schließlich fand und den Anrufer wegdrücken wollte. Unbekannte Nummer - Nathan!, war mein erster Gedanke.

Mein Herz machte einen Satz und peinlich berührt nahm ich schnell an, um den Klingelton zu beenden und lief zwischen die großen Regale.

Telefonat zwischen Liv und Nathan

„Liv? Bist du dran?" :/

„Hi Nathan... ich kann nur nicht so laut reden", flüsterte ich. :)

UNQUALIFIEDWhere stories live. Discover now