Kapitel 14 - Letztes Familiendinner

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Sein schwarzer Sportwagen bog rasend um die Kurve und beschleunigte schnell.

"Eigentlich wolltest du doch reden...", flüsterte ich leise, starrte ihm traurig hinterher. Es war eindeutig zu spät.

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"Ich bin sooo unglaublich stolz auf euch beide!", verkündete Mum mit einem strahlenden Gesicht. "Hannah heiratet einen wundervollen jungen Mann und unsere Olivia geht in die große weite Welt!"

In zwei Wochen bin ich das letzte Mal bei Emilios. Für Dienstag war dann mein Flug gebucht. Ein Semester in Wien.

Während meine Schwester herzlich lachte und Dad sich amüsiert in seinen Stuhl zurück lehnte, nur um grinsend den Kopf zu schütteln, versuchte ich die Liebesattacken meiner Mum nicht all zu persönlich zu nehmen.

Jede Mutter würde ihre Töchter doch vermissen, wenn sie plötzlich weit weg wären. Aber anscheinend hatte unsere Mama dieses Kapitel schon abgeschlossen, als wir beide ausgezogen waren.

"Werdet ihr mal auf Besuch kommen?", fragte ich weniger amüsiert als alle anderen. Mein Blick schweifte zwischen meinen Eltern hin und her. Ich bemühte mich, die Zwiespältigkeit bezüglich meines Ausland-Wunsches nicht zu präsentieren.

"Wir haben uns mal nach Flügen umgesehen, aber wenn das Wetter hier besser bleiben soll als in Europa...", sie hielt inne und legte ihren Kopf schief. "Aber die Stadt ist wirklich sehr schön, das würde ich schon gerne einmal sehen, William", entgegnete meine Mum spitzbübisch und wandte sich zu meinem Vater.

"Ich denke nicht, dass uns das Wetter in Europa daran hindert wird", stimmte er schmunzelnd zu, weshalb meine Mum überlegend nickte.

Europa. Als ob das ein ganz anderes Universum wäre. Gut, es ist ein anderer Kontinent. Aber ich hätte auch nach Amsterdam oder München gehen können. Oder Kopenhagen, Rom, Paris, Stockholm, Barcelona, London, Milano...

Ich hätte auch hier bleiben können, überlegte ich resigniert und stocherte weiter in meinem Essen herum, richtete meinen Blick auf Mum, um eine angenehmere Antwort von ihr zu bekommen.

"Gut, wir nehmen einfach die dicken Wintersachen mit", erklärte sie abschätzend, lächelte mich liebevoll an und für einen kurzen Moment sah ich den stechenden Schmerz in ihren Augen.

Mich überrannte ihre Reaktion, sie nahm mich unvorbereitet ein und ich verspürte so etwas... so etwas wie Schuld.

Sie gab ihr Allerbestes uns beide gehen zu lassen und ich unterstellte ihr Leichtfertigkeit. Die Psychologin in mir wurde wieder wach und analysierte sofort, was das zu bedeuten hatte.

Sie würde es nicht ertragen. Den Abschied hier am Flughafen und dort, wenn sie wieder abreisen würden. Wie konnte ich nur so blind sein?

Mum schnitt sich etwas von dem Thunfisch auf ihrem Teller mundgerecht und lies sich nichts mehr anmerken, kaute glücklich und schmunzelte, als Dad ihr beruhigend das Knie tätschelte.

"Europa dürft ihr euch wirklich nicht entgehen lassen! Caleb schwärmt die ganze Zeit von Paris! ...deswegen werden wir deinen Besuch mit Frankreich verbinden!", weihte Hannah mich voller Vorfreude ein, nachdem sie den Bissen von ihrem Salat runtergeschluckt hatte und freudig in die Hände klatschte.

"Wirklich?!", blickte ich sie überrascht an, lies mein Besteck auf den Teller sinken und spürte, wie meine Augen groß wurden vor Glück. Ich umarmte sie grinsend.

"Ich kann dann eine Stadttour mit euch machen und euch meine neuen Lieblingsplätze zeigen und in meinen neuen Lieblingsrestaurants Essen gehen und dann in eine Studenten-Geheim-Bar einschleusen und...", sprudelte es förmlich aus mir heraus.

UNQUALIFIEDWhere stories live. Discover now