Kapitel 17 - Unerwartet

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Er erwiderte nichts und brachte mich stattdessen in einen etwas größeren Raum. Ich erblickte eine junge, durchtrainierte Frau mit dunkelroten Haaren und eng anliegendem Lederanzug, die auf uns zu warten schien.

"6N23", informierte der Mann sie und blieb stehen. Er dachte vermutlich nicht einmal daran, mich loszulassen.

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Ich zog meine Beine näher an mich heran und kuschelte mich so gut es ging in die Couch auf der ich saß, um mich zumindest irgendwie zu beruhigen.

Als Schutzmechanismus hatte ich mir ein Kissen zwischen Bauch und die angewinkelten Beine gelegt, damit es meinen Bauch wärmte. Irgendwie musste ich mir diese Situation so annehmbar wie möglich gestalten.

Grace stellte ein Tablett mit Tee auf den modernen kleinen Glastisch und schenkte mir einen Becher ein. Grace war der Rotschopf, der mich in mein 'neues Zimmer' gesteckt hatte und mir erklärte, dass ich meine Ruhe brauchte.

Witzig. Damit hätte ich ja überhaupt nicht nach einer solchen Entführung gerechnet.

~ Rückblende ~

"Nachher werde ich dir alle deine Fragen beantworten, versprochen. Dir passiert hier nichts. Das Passwort zu deinem Zimmer habe bisher auch nur ich", erklärte sie mir geheimnisvoll.

"Hm", erwiderte ich mies gelaunt. Der Mann setzt mich in dem Zimmer ab, das von nun an mir gehören sollte.

Was für eine Institution war das hier? Mädchen entführen und dann?

Ich war mehr als verwirrt und die Fragen in meinem Kopf machen das Ganze nicht leichter.

"Ruh' dich aus, ich komme in einer Stunde, um dich zu holen", informierte sie mich und schloss dann freundlicherweise die Tür hinter sich.

Mein Adrenalinspiegel sank ins nicht-existente und ich verfiel in einen Traumlosen Schlaf.

~ Ende ~

Ich nahm ihr dankend den Teebecher ab, den sie mir mit ihrem ausgestreckten Arm hin hielt. Ich wärmte beide Hände daran und war so froh, dass sie mir eine Jogginghose zur Verfügung gestellt hatten.

Sie goss sich ebenfalls etwas von dem wohlriechenden Tee ein und setzte sich auf die gegenüberliegende Couch.

Hinter ihr an der Wand hingen riesige Bildschirme und ein paar Schreibtische mit vergleichsweise kleineren Computern standen herum. Vermutlich war das mehr ein Arbeits- als ein Wohnraum.

"Du hast bestimmt eine Menge Fragen, also schieß los", ermutigte Grace mich, atmete tief durch und ahnte vermutlich welch ein Schwall von undankbaren Kommentaren sie gleich treffen würde.

Ich schnaubte verächtlich. Allerdings betrachtete sie mich keineswegs abfällig. Eher so, als würde sie mir gerne diesen unbeschreiblichen Ballast von mir nehmen.

Ich nickte müde, musterte meinen Nagellack an den Händen, der nach dieser Tortur ein wenig abgeblättert war.

"Wieso bin ich hier?", fragte ich gequält.

Ich wollte überall lieber sein, als hier. Eigentlich wäre ich jetzt im Flugzeug. Oder schon in Wien, das wäre noch besser.

"Deine Fähigkeiten mit den verschiedensten Charakteren klar zu kommen, trotzdem die Distanz zu ihnen zu wahren und auch Fremde von der ersten Sekunde an zu analysieren sind beeindruckend. Du bist eine der besten Psychologiestudenten", erklärte sie.

"Falsch, das kann nicht sein. Ich denke, ich wüsste, wenn ich eine der besten Studenten wäre", unterbrach ich sie etwas aufgebracht.

"Gut, dann formuliere ich es anders. Du bist eine der besten Psychologiestudenten, die in unser Raster passen", fügte sie dementsprechend hinzu. Mit dieser verwirrenden Antwort konnte ich komischerweise doch etwas anfangen.

UNQUALIFIEDWhere stories live. Discover now