Kapitel 9

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"Ich weiß aber nicht, was du für Musik hörst." stellt er fest und schaut mich dann abwartend an. „Naja, ich höre total viel verschiedenes. Ich hatte eine Zeit, da habe ich viel HipHop gehört, dann mal hauptsächlich Pop und den ganzen alten Scheiß, den mir meine Eltern gezeigt habe." zähle ich auf und wir fangen an, uns ein wenig über Musik zu unterhalten.
„Wirst du auch paar Monate nach Deutschland kommen, wie Alice?" frage ich nach einer kurzen Stille. "Ich habe mal drüber nachgedacht, aber bisher noch nicht wirklich mit meinen Eltern geredet. Natürlich würde ich gerne." erklärt er und ein kleiner funken Hoffnung macht sich in mir breit.
"An was denkst du gerade?" bricht diesmal er die Stille. "Daran, dass ich gerade glücklich bin." Das war nicht gelogen. Ich bin wirklich glücklich, hier neben Alex zu sitzen und einfach über belanglose Dinge zu reden. "Dann mach öfter was dich glücklich macht." meint er und ich lächel ihn an. "Du?" frage ich zurück. "An diesen wundervollen Abend." er schaut mir in die Augen und mein Herz fängt wieder an zu rasen. Sein Blick gleitet zwischen meinen beiden Augen hin und her und dann weiter runter und wieder zurück. Etwas fragendens schimmert in seinen Augen und er kommt mir immer näher. Ich weiß nicht was ich machen soll, soll ich ihn küssen oder soll ich mich zurückziehen?

Die Entscheidung wird mir durch das Öffnen der Haustüre abgenommen. Irgendwie erleichtert aber doch enttäuscht atme ich aus, Alex steht schnell auf und geht den drein entgegen. "Und wie wars?" "Gut, aber zum Schluss ziemlich windig." erklärt Tommy und flätzt sich auf die Couch. Jeder ist in einem guten Zustand und wird morgen keinen Kater kriegen, ich erzähle ihnen vom Sturm der morgen kommen soll und erkläre auch ihnen was wir machen müssen. Alle sind schockiert und gehen sofort hoch um jegliche Sicherheitsmaßnahmen zu machen. Etwas unbehaglich stehe ich im Zimmer und weiß nicht was ich zu Alex sagen soll, immerhin wollte er mich küssen, glaube ich zumindest. "Haben wir hier einen Keller oder sowas in der Art?" Ich habe entschieden das ganze locker zu nehmen und so zu tun als wäre nichts passiert. "Ja, wir müssten uns mal da bisschen einrichten falls es doch länger dauern sollte." "Ja." erwidere ich mit einem immer noch unbehaglichem Gefühl, gehe hoch und trage dann sämtliche Kissen und Decken in den Keller.

***

Das erste was ich am nächsten Tag mache, ist aus dem Fenster zu schauen, um festzustellen dass es bewölkt ist und der Wind weht. Etwas beruhigt ziehe ich mir eine Leggins und ein einfaches Trägertop an und binde meine Haare locker nach oben. Der Tisch unten ist bereits gedeckt, Tommy, Elli und Alex sitzen bereits und unterhalten sich leise. "Ich habe Angst." flüstert Elli und senkt ihren Kopf. Ich beschließe noch etwas im Hintergrund zu bleiben, also stehe ich weiter an der Tür. "Was wenn unseren Eltern etwas passiert?" "Ihnen wird nichts passieren, sie kommen gesund und munter wieder hierher und alles wird gut sein." beruhigt Alex sie und nimmt sie in den Arm. Auch Tommy geht zu ihnen hin und sie kuscheln sich zusammen. Ein warmes Gefühl breitet sich in mir aus und am liebsten würde ich auch dort hingehen und mich an sie kuscheln. So kitschig sich das auch anhört, ich vermisse diese liebenden Umarmungen, Zuhause gibt es so etwas nicht, unsere Eltern arbeiten den ganzen Tag und wenn sie da sind reden wir nicht mal miteinander, nur wenn es sein muss. Wir leben aneinander vorbei. Aber diese Harmonie und Liebe die zwischen den Geschwistern herrscht erwärmt mein Herz so sehr, dass ich nur gutmütig lächeln kann und mich für sie freue. Ja, das ist sozusagen ein kleines Wunder für mich. Es heißt ja, schätze auch die kleinen Sachen im Leben und genieße sie, denn wenn du das Kleine nicht zu schätzen weißt, verdienst du das Große nicht. "Wird mit uns auch alles gut sein?" höre ich Elli wieder und Alex beruhigt sie erneut, als mein Handy plötzlich klingelt. "Hallo." begrüße ich meine Mutter und spaziere lässig in die Küche und setze mich zu den anderen. "Habt ihr schon von dem Sturm mitbekommen? Ungefähr gegen Mittag soll er kommen, geht in den Keller-" Sie wird von einer Stimme im Hintergrund unterbrochen. "Nein, dein Vater sagt gerade, dass es in der Kammer im Boden noch eine Klapptür gibt und darunter ist ein kleiner Bunker, der ist am sichersten. Quetscht euch da alle rein und nimmt Decken und Kissen mit und noch wichtig essen und trinken." rattert sie runter und lässt mich nicht zu Wort kommen. "Wo werdet ihr sein? Seid ihr auch in Sicherheit?" werfe ich schließlich ein und bekomme eine positive Antwort. "Geh zu der Kammer und such diese dämliche Tür." drängt sie, also stehe ich auf und tue wie mir geheißen. Tatsächlich finde ich eine kleine Klapptür und mache sie auf, ein Raum wo wir tatsächlich alle fünf Platz haben offenbart sich mir und ich mache die anderen darauf aufmerksam. Elli möchte natürlich mit ihren Eltern sprechen, also überreiche ich ihr mein Handy und gehe in den Keller, um das ganze Zeug wieder hochzutragen und im geheimen Raum zu verstauen. Als ich mein Handy wieder habe, rede ich noch kurz mit meinen Eltern, als die Leitung plötzlich bricht. Erschrocken schaue ich Alex an und ich verkrampfe mich. "Alles ist gut. Elli, geh bitte Fiona wecken und Tommy, du hol was zu Essen und zu Trinken. Beide nicken und gehen aus dem Raum. "Es ist alles okay, Lydia." er legt seine Hand an meine Wange und schaut mich ernst, aber mit einem sanftem Blick an. Plötzlich knallt die Tür laut zu und erschrocken schreie ich auf, zucke zusammen und greife nach Alex' Hand. "Es wird alles gut sein." sagt er sanft und macht die Tür wieder auf.

Als ich wieder rausschaue weht der Wind schon heftiger, Zettel und diverse kleine Sachen fliegen in der Gegend umher. "Shit!" fluche ich laut als mir einfällt dass ich gestern Abend vor lauter Aufregung den Schlüssel auf der Veranda habe liegen lassen. Das ist der einzige Schlüssel den wir für das Haus bekommen haben und den darf ich nicht verlieren. Mittlerweile wird der Sturm immer heftiger, aber ich muss den Schlüssel holen, in der Hoffnung dass er noch da ist. Schnell laufe ich zu der Verandatür und mache sie einen Spalt weit auf, der Wind reißt sie komplett auf und ich taumle wegen dem Stoß einige Schritte hinter. "Lydia bist du verrückt? Komm zurück!" schreit Alex, aber ich gehe schnell raus und schaue überall nach. Die Blumenkästen liegen auf dem Boden und schon völlig verzweifelt schaue ich auch dort nach. Gott sei dank finde ich dort den Schlüssel zwischen der Erde und den Blumen und stehe erleichtert wieder auf. Der Wind zerrt wild an meinen Haaren und etliche Gegenstände fliegen nun durch die Luft. Ein Blumenkasten wird gegen meine Beine geschleudert, sodass ich mein Gleichgewicht verliere und auf die Fließen falle. Stöhnend rapple ich mich wieder auf und halte den Schlüsselbund fest in meiner Hand. Zu Spät sehe ich ein abgebrochenes Holzstück, vermutlich von einem Zaun, auf mich zufliegen und kann nicht mehr ausweichen. Ein stechender Schmerz durchzuckt meinen Oberschenkel und mit einem lauten Schrei falle ich fast wieder hin, aber rette mich noch in das Innere des Hauses, wo Alex die Tür sofort wieder schließt. "Was ist los mit dir? Wieso bist rausgegangen?" fragt er aufgebracht und blitzt mich wütend an. "Schlüssel." antworte ich knapp und gehe an ihm vorbei. Über uns knarzen die Dielen und feiner Staub rieselt herab. Wir steigen zu den anderen runter und setzen uns hin. Ich beiße mir auf meine Lippen da mein Oberschenkel schmerzt. "Hat jemand eine Taschenlampe?" fragt Tommy ins Dunkle und sogleich knipst jemand Licht an. Ich fasse leicht an meinen Oberschenkel und stelle erschrocken fest, dass es blutet. Als ich den Saum meines Tshirts auf die Wunde lege, spüre ich, wie sich etwas tiefer hineinbohrt. Ich keuche auf und hoffe dass es keiner mitbekommen hat. Ich möchte nicht, dass sie sich Sorgen um mich machen, das ist nur ein simple Wunde, nichts schlimmes. Am Anfang ist jeder still, über uns wird die Tür wieder laut zugeschlagen und ich zucke zusammen. Elli kuschelt sich an Alex, auch Tommy rückt näher an ihn ran. Fiona sitzt gegenüber von mir und schaut stur in eine andere Richtung. Ich fühle mich einsam, obwohl ich in einem engen Raum mit vier anderen Personen sitze, wer weiß wie lange noch, meine Wunde brennt und keiner sagt einen Ton. Ich glaube ich habe den Tiefpunkt erreicht. "Gibt's hier auch Schokolade?" ertönt plötzlich Fiona's Stimme, Tommy kruscht rum und reicht ihr dann etwas, was sie mit einem Danke annimmt. "Noch jemand?" Sie reicht die Tafel weiter an Tommy, er an Alex, Alex weiter an Elli und sie mir. Dann ist diese Tafel auch schon leer und ich lege den Müll neben mich. "Jemand was trinken?" Ich halte eine Wasserflasche hoch. "Ja, ich." meint Alex, ich reiche sie ihm, wobei sich unsere Hände berühren. Schnell ziehe ich meine zurück und schaue zu Boden, damit man mein rotes Gesicht nicht sieht.

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