Kapitel 11

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Der Sturm hat sich tatsächlich gelegt, die Sonne scheint und ich sitze immer noch auf dem Klodeckel und warte. Ja, worauf warte ich nur? Ich weiß es nicht. Vielleicht das Alex kommt und meine Wunde versorgt, vielleicht dass Fiona kommt und sich entschuldigt. Plötzlich fällt mir ein, dass ich auch etwas machen kann. Ich kann meine Wunde versorgen, ich kann den ersten Schritt machen und auf Fiona zugehen. Was würde wohl jemand anderes von mir denken der mich nicht kennt? Bin ich arrogant oder zu nett? Lasse ich mich zu viel herumkommandieren oder kommandiere ich zu viel herum? Sehen mich die anderen auch so wie ich mich sehe? Ich weiß nicht einmal selbst wer ich wirklich bin, woher sollen es dann die anderen wissen? Bin ich denn selbstbewusst genug oder bin ich zu selbstbewusst? Frustriert schließe ich meine Augen und schüttel meinen Kopf. Ich werde wahnsinnig wenn ich weiter über mich nachdenke, also stehe ich auf und fange schonmal an, was geht im Bad aufzuräumen, da ich mich nicht alleine an meine Wunde.

"Lydia." erschrocken schaue ich auf und lächle dann die Zwillinge an. Fiona ist im Hintergrund, aber schaut mich erleichtert an. Mir fällt ein riesen Stein vom Herzen und schnell stehe ich auf und gehe auf sie zu. "Dir geht es gut." flüstere ich, nachdem ich sie in meine Arme geschlossen habe. Auch sie legt ihre Arme um mich und in dem Moment könnte ich nicht glücklicher sein. "Wir müssen noch aufräumen." murmelt sie und schließlich lösen wir uns voneinander. Lächelnd nicke ich und schaue glücklich zu den anderen. Alex lächelt mich breit an, seine blauen Augen strahlen richtig und ich löse meinen Blick erst von ihm, als sich die anderen anfangen zu bewegen und aufräumen.

Nach einer halben Stunde haben wir das Bad aufgeräumt, ich habe meine Schmerzen ignoriert und mir nichts anmerken lassen. Schließlich setze ich mich auf den Boden und verschnaufe für einen Augenblick. "Wie sieht es eigentlich unten aus?" erkundige ich mich bei den anderen, woraufhin sie ihr Gesicht verziehen. "Geht schonmal vor." meint Alex und winkt die drei Kleinen weg. Fragend blicke ich zu ihm hoch. "Was ist mit deinem Bein?" ich schaue runter und schließe meine Augen, weil der Anblick nicht sehr schön ist. Getrocknetes Blut klebt auf der offenen Wunde, meine Leggings ist zerfetzt und außenrum sind viele Kratzer, sowohl kleine als auch große. "Tja, sieht nicht sehr gut aus." zucke ich dann meine Schultern. "Aber was will man machen." "Ich habe mal einen Erste Hilfe Kurs gemacht." sagt Alex. "Ich werde deine Wunde verbinden.". Überrascht hebe ich meine Augenbraue und überlege. Es wäre mir bestimmt komisch wenn er so nah an meiner intimsten Stelle ist, aber wer weiß was alles passiert, wenn ich, bzw er sich nicht um meine Wunde kümmert.

Während sich die Schlimmsten Szenarien in meinem Kopf abspielen, wartet Alex geduldig auf meine Antwort und schaut mich schließlich skeptisch an. "Lydia?" ertönt dann seine Stimme und reißt mich aus meinen Gedanken. "Ja? Ehm, klar." erwidere ich schnell und richte mich auf. "Ich eh, was?" verwirrt stammel ich vor mich hin und laufe schließlich rot an und verstumme. Wieso kann ich nicht einfach von Haus aus meine Klappe halten und ihm einfach nur zuhören, dann bringe ich mich nicht in solche Situationen! "Ich würde mich jetzt dann um deine Wunde kümmern, bevor-" "Okay. Machs bitte schnell weil wir noch aufräumen müssen." unterbreche ich den armen Alex, der sich jetzt bestimmt verarscht vorkommt. "Gut. Warte hier, ich muss noch was holen." Ich nicke und setze mich wieder auf den Klodeckel, um wie besprochen auf ihn zu warten.

"So, jetzt nicht erschrecken." er hält ein Messer in die Höhe und panisch starre ich die scharfe Klinge in seiner Hand an. Ich sehe schon, wie er in meinem Bein damit rumstochert. "Keine Angst, damit werde ich nur deine Leggings aufschneiden. Ist doch okay, oder?" er ist bereits vor mir in der Hocke und blickt mich fragend an. "Mach nur." Ich schließe meine Augen und lehne meinen Kopf gegen die kühle Wand und atme beruhigend ein und aus. "Sag bescheid, wenn ich aufhören soll." Ich nicke langsam, mich schon auf das Schlimmste vorbereitend. Vorsichtig hebt Alex den dünnen Stoff meiner Leggings an, die aber durch den Aufprall mit dem Zaun etwas tiefer in die Wunde gedrückt wurde. Ich ziehe scharf die Luft ein, aber versuche ruhig zu bleiben. "Doch größer und tiefer die Wunde als gedacht." kommentiert Alex und konzentriert sich weiterhin auf meinen Oberschenkel.
Als endlich meine Wunde frei liegt und er sie ohne Probleme desinfizieren und mit einer Salbe einschmieren kann, habe ich mich endgültig beruhigt und vertraue seinem Geschick. "Könntest du dein Bein bisschen anheben und abwinkeln?" entgeistert schaue ich ihn an, woraufhin er etwas verlegen wirkt. "Oder du rutscht etwas weiter vor, oder du setzt dich auf den Wannenerand." also gehe ich rüber und setze mich auf den schmalen Rand, damit Alex meine Wunde verbinden kann. Flink arbeiten seine Finger und wickeln den weißen Verband um meinen Oberschenkel. Ich betrachte seine Hand und mir fällt auf, dass er schöne Hände hat, als er Gitarre gespielt hat, habe ich mich nie auf seine Hände konzentriert, sondern auf die Musik. Aber jetzt fällt mir wirklich auf, dass seine Hände schön sind. Schlank, lang und auch seine Nägel sind gepflegt, was für mich wichtig ist.

Schließlich ist er fertig, dann wäscht er sich seine Hände und lächelt mich an. "War doch nicht so schlimm, oder?"
"Nein, war's echt nicht. Danke." Ich stelle mich hin und blicke so auf mein Bein. Der weiße Verband sticht sehr zwischen den Fetzen meiner restlichen schwarzen Leggings hervor. "Ich glaube, ich ziehe mir mal was anderes an.". Lächelnd nickt Alex und lässt mich vorbei in mein Zimmer.

"Shit!" entfährt es mir, als ich den Raum betrete. Auch hier liegt alles zerstreut, meine Klamotten sind durchnässt, dreckig, teilweise auch zerrissen, der Schrank ist kaputt und auf dem Bett liegen auch etliche Sachen wie Äste, Erde, Teile vom Schrank und meine Kleider. Schnell schaue ich mir die anderen Zimmer an, die ähnlich aussehen. Am unbeschädigtsten ist das große Zimmer, wo die drei geschlafen haben. Ich gehe nochmal in mein Zimmer um mich umzuziehen, dann gehe ich runter zu den anderen und helfe beim aufräumen.

Paar Stunden später hören wir auf und beschließen etwas zu essen. Unten haben wir so ziemlich alles aufgeräumt, nur die Fenster sind kaputt, Regale und andere Möbelstücke, aber damit können wir nichts machen. "Ich schlage vor, dass wir für diese Nacht alle zusammen in eurem Zimmer schlafen, da das noch am bewohnbarsten ist.". Die anderen Stimmen mir zu und schnell haben wir unsere Schlafplätze vorbereitet. Die drei schlafen wie zuvor in ihren Betten und Alex und ich auf Matratzen auf dem Boden.

"Oh man. Die passt nicht mehr rein." jammert Fiona und schaut ratlos zu uns. Tatsächlich liegen überall auf dem Boden unsere Koffer, da wir nun endgültig in dieses Zimmer ziehen, weil mein Bett kaputt ist, genauso wie die anderen Betten auch. Entweder der Lattenrost, oder das Gestell an sich ist gebrochen. "Tja, das ist wohl der Nachteil an Doppelbetten." stelle ich fest und die anderen nicken nachdenklich. "Ich werde nicht mit dir auf einer Matratze schlafen!" ruft Fiona laut und zeigt demonstrativ auf mich. "Ich auch nicht neben Elli!" schließt sich Tommy meiner Schwester an. Wir seufzen genervt auf und ich verdrehe meine Augen. "Wir sind gerade nicht in der Lage, über solche Kleinigkeiten zu streiten." ermahne ich Fiona, die aber stur ihren Kopf schüttelt. "Lieber schlafe ich alleine in einem anderen Zimmer, als mit dir auf einer Matratze.". Ich versuche meine Genervtheit zu kaschieren. "Mir macht es nichts aus, die Matratze zu teilen." meldet sich Alex zu Wort und überrascht schnellt mein Blick zu ihm. "Dann wäre ja alles geklärt." zufrieden klatscht Fiona in die Hände und betätigt den Lichtschalter, da es draußen Dunkel wird, allerdings tut sich nichts. "Leitung tot." stellt Tommy fest und lässt sich auf sein Bett fallen. "Ich hole Kerzen." seufze ich und gehe aus dem Raum. "Ich helfe dir." meint Elli hinter mir und kommt mir nach in die Küche, wo wir aus einem Schrank jeder vier große Kerzen holt und ich noch eine Tüte Teelichter. "Das müsste reichen.". Also gehen wir wieder hoch und stellen auf dem Tisch drei große Kerzen und am Boden verteilen wir die Teelichter. "Hat jemand ein Feuerzeug?" frage ich und da keiner antwortet, stehe ich auf um eins von unten zu holen, aber Alex ist schneller. "Danke." sage ich, als er wieder oben ist und erst die großen Kerzen anzündet und dann nach der Reihe die Kleinen. Wir sitzen alle auf der Matratze im Kreis und wissen nicht was wir machen sollen. "Wisst ihr noch früher? Da haben wir doch immer dieses eine Spiel gespielt." breche ich die Stille und schaue mich um. "Ja, wo wir immer die Gruppen gebildet haben." erinnert sich auch Tommy und fängt an zu grinsen. Auch den anderen fällt es nach und nach ein und Tommy schlägt vor, dieses Spiel zu spielen. "Okay. Mädchen gegen Jungs.". Wir stehen alle auf und die Jungs sind so großzügig und überlassen uns das Zimmer. "Gut, was wird unsere Fahne?" "Ich habe ein Halstuch." schlägt Elli vor und kramt dann in ihrem Koffer, um besagten Stoff zu holen. "Gut. Also einer bleibt hier und bewacht unsere Fahnen, falls die Jungs es schaffen hierher einzudringen." stelle ich die Taktik auf und die zwei Stimmen mir zu. "Ich würde sagen dass du hier bleibst." wende ich mich an Fiona, die mich beleidigt anschaut, aber schließlich nickt. Elli nickt mir zu, als Zeichen dass sie bereit ist. Wir gehen aus der Tür und zu unserer Überraschung werden wir gleich von den zwei Jungs angegriffen. Elli ringt mit ihren Zwillingsbruder und Alex hat mir meine Arme hinter meinen Rücken gedreht und hält mich somit in Schach.

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