Kapitel 11

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Als der Abend endlich überbrückt war und ich mich in mein Zimmer zurückziehen konnte, seufzte ich glücklich auf. Meine kleinen Geschwister waren mir eindeutig zu anstrengend, die größeren waren mir lieber. Zum Glück würden die ja morgen wieder alle eintrudeln.

Gegen neun Uhr morgens stand ich auf, da ich noch eine Runde mit Robin gehen wollte, bevor ich mich auf den Weg zu Tim machen würde. Ich machte mich also fertig und schnappte mir einen Apfel, ehe ich mit Robin das Haus verließ. Der große Rüde freute sich sichtlich über den Auslauf und lief schwanzwedelnd um mich rum. Ich sah ihn kopfschüttelnd an und grinste. Wie konnte man um diese Uhrzeit schon so munter sein? Nach ungefähr fünf bis zehn Minuten kam ich am Park an, wo ich dann auch anderen Hundebesitzern begegnete. Die meisten Hunde hatten nichts gegen Robins neugierige Begrüßung, ein paar allerdings fanden es nicht so lustig. Da pfiff ich Robin dann zu mir zurück und wartete, bis sie vorbeigegangen waren. Wir drehten eine große Runde durch den Park, ehe wir uns auf den Rückweg machten. Nachdem wir ungefähr eine Stunde unterwegs gewesen waren, klingelte mein Handy. Verwundert schaute ich auf das Display, welches eine mir unbekannte Nummer anzeigte.

„Amely Schröder" meldete ich mich stirnrunzelnd. „Hi Amy, hier ist Christina Walter, die Mutter von Tim." Mein Gesicht entspannte sich. „Hi, was gibt's?" fragte ich also neugierig. Sie seufzte, was mich wieder dazu brachte, meine Stirn in Falten zu legen. Mit einem Handzeichen rief ich Robin zu mir und bedeutete ihm, sich neben mir hinzulegen. Dann konzentrierte ich mich wieder auf das Gespräch. „Tim hatte heute Morgen um drei einen Anfall. Er hat keine Luft mehr bekommen. Er wurde sofort in Narkose versetzt und die Ärzte haben einen weiteren Tumor in seiner Lunge gefunden. So wie es aussieht hat der andere Tumor gestreut. Sie konnten den Tumor erfolgreich entfernen, allerdings ist Tim noch nicht aus der Narkose aufgewacht. Die Ärzte meinen ich muss Geduld haben, aber ich mache mir ziemliche Sorgen und... Das hört sich jetzt vielleicht dumm an, aber ich habe das Gefühl, dass er durch deine Anwesenheit aufwachen wird... Nein, vergiss was ich gesagt habe, tut mir Leid für die Störung" sagte sie verzweifelt und ehe ich irgendwas erwidern konnte, hatte sie aufgelegt. Ich ließ das Handy sinken und setzte mich geschockt neben Robin. Dieser schnupperte sofort fürsorglich an meiner Hand und leckte immer wieder über sie. Wie im Trance begann ich seinen Kopf zu kraulen. Dann, wie von einer Tarantel gestochen sprang ich auf und lief los. Ich lief so schnell ich konnte Richtung nach Hause, dicht gefolgt von unserem Berner Sennenrüden. Dank meines harten Tanztrainings hatte ich eine gute Kondition und kam ohne Geschwindigkeitsverlust Zuhause an. Ich öffnete in Windeseile die Tür, schob Robin hindurch und machte mich auf den Weg zum Krankenhaus. Ich machte mir tierische Sorgen um Tim, weswegen ich nicht ein Mal mein Tempo drosselte. Gegen zwanzig nach elf kam ich beim Krankenhaus an und wurde zum ersten Mal etwas langsamer. Ich wollte schließlich kein Hausverbot riskieren, weil ich eine klapprige Rentnerin umgemäht hatte. Vor Tims Tür zögerte ich kurz bevor ich klopfte und eintrat.

Erst konnte ich nur Christina von hinten sehen. Sie drehte sich zu mir um und sah mich mit einer Mischung aus Hoffnung und Trauer an. Ich sah an ihr vorbei und entdeckte Tims Kopf, der unter der weißen Decke hervorlugte. Langsam ging ich zu ihm und setzte mich auf die Bettkante. Während ich seine Hand nahm merkte ich nicht, dass Christina leise den Raum verließ. Langsam und sanft streichelte ich Tims Handflächen und beobachtete sein Gesicht. Er sah so friedlich aus und trotzdem verletzlich. Die fehlenden Haare, Augenbrauen und Wimpern verliehen seinem Gesicht einen kranken Ausdruck, den auch seine wunderschönen Gesichtskonturen nicht überdecken konnten. Ich seufzte leise und strich über seine Wange. „Bitte wach auf Tim. Ich brauche dich doch, denn... denn..." stotterte ich und sah kurz zum Fenster, weswegen ich die Regung unter seinen Augenliedern nicht wahrnahm. „Ich liebe dich" flüsterte ich und beugte mich zu ihm runter. Tränen tropften auf Tims makelloses Gesicht, während ich meine Lippen sanft auf seine legte. Nach einem kurzen Kuss löste ich mich von ihm und schluchzte leise. Mit meinem Zeigefinger strich ich meine Tränen von Tims Gesicht, als sich sein Mund zu einem winzigen Lächeln verzog. „Ich liebe dich auch Amy" kam eine fast tonlose Stimme aus seinem Mund.

Dieser Tag ist nun schon einige Wochen her. Die Schule hatte inzwischen wieder angefangen und die erste Chemotherapie von Tim war durch. Er durfte nun für ein paar Tage nach Hause, bevor er erneut ins Krankenhaus musste. Ich war gerade bei ihm und half seiner Mutter die Sachen einzupacken, als es an der Tür klopfte. „Ja?" fragte Tim vom Bett aus und beobachtete, wie mein Vater eintrat. „Hallo ihr drei" begrüßte er uns lächelnd. Da er ja in diesem Krankenhaus arbeitete, sah er öfter mal in seinen Pausen vorbei. „Hi Papa" antwortete ich lächelnd. Er sah lächelnd durch die Runde, ehe sein Blick bei Tim hängen blieb. „Und endlich nach Hause?" fragte er ihn. Tim nickte lächelnd. „Ja zum Glück. Auf die Dauer macht dieses klinische Weiß depressiv." „Na dann will ich euch mal nicht aufhalten. Meine Pause ist sowieso gleich vorbei, ich wollte nur kurz vorbeischauen. Bis dann, macht es gut. Ach ja und Amy?" Ich sah ihn fragend an. „Ich habe heute ein wenig früher Schluss, kannst du deiner Mutter Bescheid sagen, dass ich zum Essen komme?" fragte er mich. Ich nickte strahlend. „Mach ich Papa." Er lächelte kurz und war schon wieder weg. Christina schloss den Reißverschluss der Tasche und erhob sich. „So ihr beiden, wir können los." Ich ging zu Tim und gab ihm einen kurzen Kuss. Er lächelte und erhob sich von der Bettkante. „Darf ich bitten?" fragte er mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht und reichte mir seine Hand. „Aber sicher doch" erwiderte ich lachend und legte meine Hand in seine. Vor Glück sprühend gingen wir händchenhaltend aus dem Krankenhaus. Wir mussten ein seltsames Bild abgeben, so wie die Leute uns anguckten. Zwei Jugendliche, von denen einer krebskrank ist, die aber vor Freude strahlend durch das Krankenhaus marschierten und dabei von einer Frau mit Reisetasche verfolgt wurden. Vielleicht interpretierte ich die Blicke aber auch falsch und die Leute freuten sich für uns. Von außen sah es schließlich so aus, als hätte Tim nun endgültig seine Krankheit besiegt und würde nicht nur für ein paar Tage in den „Heimurlaub" geschickt werden. Aber alleine das Wissen, dass ich meinen Freund die nächsten Tage in seinem Zuhause besuchen konnte, ließ mich mit der Sonne um die Wette strahlen.

Bei den Walters Zuhause angekommen, folgte ich Tim ins Haus. Ich war zum ersten Mal hier und sah mich deswegen neugierig um. „Schön habt ihr es hier" sagte ich lächelnd. „Es freut mich, dass es dir hier gefällt" antwortete Tim leise und drückte mir einen Kuss auf die Schläfe. „Komm mit, ich zeig dir mein Zimmer" meinte er dann und zog mich hinter sich her die Treppe rauf.

Tims Zimmer war für ein Jungszimmer ziemlich ordentlich, was vielleicht daran lag, dass seine Mutter während seines Krankenhausaufenthaltes aufgeräumt hatte. Die Wände waren in einem freundlichen hellblau gestrichen und dazu standen weiße Möbel im Zimmer. An der Wand über seinem Bett hing ein riesengroßes Bild mit dem Spruch „Nothing is impossible" Tim folgte meinem Blick und lächelte, als er das Bild sah. „Irgendwie ist es wahr oder? Als ich damals die Diagnose bekommen habe, dass ich sterben werde, hat meine Mutter es mir geschenkt. Der Spruch hat mich jeden Morgen davon abgehalten aufzugeben. Er hat mich dazu gebracht, an meine Heilung zu glauben" sagte er leise und ging zu dem Bild, um darüber zu streichen. „Manchmal frage ich mich, ob ich überlebt hätte, wenn ich mich damals aufgegeben hätte. Wenn das Bild nicht gewesen wäre..." Er drehte sich zu mir um und sah mich nachdenklich an. „Ich hätte dich nie kennengelernt." Ohne irgendwas zu sagen ging ich zu ihm und umarmte ihn. Ich drückte ihn ganz fest an mich und atmete seinen Duft ein. „Du bist aber hier, das ist alles was zählt. Und du wirst das schaffen Tim, da bin ich mir sicher." Tim vergrub sein Gesicht in meinen Haaren und gab mir dann einen Kuss auf die Stirn. „Hoffentlich hast du Recht Amy. Wir müssen einfach ganz fest daran glauben" sagte er leise und drückte mich noch fester an sich. Dann ganz leise, als würde er sich selber Mut zusprechen hörte ich seine Stimme an meinem Ohr. „Nothing is impossile."

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Hallo ihr lieben :)

Ich melde mich nach langer Zeit nun auch mal wieder mit einem Kapitel :D Es ist zwar ein wenig kurz, aber ich fand die Stelle am Schluss perfekt, um das Kapitel zu beenden^^ vielleicht schaffe ich es die nächsten Tage nochmal, ein weiteres Kapitel hochzuladen, ich habe ja zum Glück gerade Ferien :)

Ich freue mich irgendwie total, dass Amy und Tim nun zusammen sind *-* wem geht es auch so? :D

Und was meint ihr, schafft Tim nach dem ganzen Drama noch den Kampf gegen seine Krankheit? Oben könnt ihr übrigens das Bild sehen, welches bei Tim im Zimmer hängt^^ (natürlich ohne die Internetadresse :))




Nothing is impossibleWhere stories live. Discover now