42. - Hoffnung.

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Die Nacht über verbrachte ich im Krankenhaus. Ich teilte mir das Zimmer mit einem Mädchen, was etwas jünger als ich war. Wir wechselten so gut wie kein Wort miteinander. Ich kannte noch nicht einmal ihren Namen.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war sie weg. Ich wusste nicht wohin sie sie gebracht haben, doch es konnte mir auch egal sein.

Ich saß an dem kleinen Tisch, der in dem Zimmer stand und aus dem Fenster hinauf in den Himmel und beobachtete die Wolken. Dann klopfte es und eine Schwester kam herein, um nach mir zu sehen. Sie wechselte mir den Verband. Mein Arm tat immer noch ziemlich weh.

Ob ich es bereute? Ja!
Aber irgendwie war ich auch froh, es getan zu haben. Doch ich konnte nicht genau sagen, wieso.

Später klopfte es an der Tür. "Herein!", sagte ich und die weiße Tür ging auf. Es war Dr. Williams, der herein kam. Hinter ihm stand eine Frau. Sie hatte kurze Haare, einen Hosenanzug an und eine Aktentasche in ihrer Hand. Sie lächelte mich herzlich an. "Guten Morgen. Wie geht es Ihnen?", fragte Dr. Williams. Ich schaute ihn an. "Besser.", sagte ich kurz. "Ms. Lovato, darf ich Ihnen Dr. Sullivan vorstellen? Sie ist Psychotherapeutin und wollte sich mit Ihnen unterhalten.", er zeigte auf die Frau. "Therapeutin?", fragte ich und sah verwundert zwischen den beiden hin und her. "Ich krieg das schon hin.", sagte die Frau zu meinem Arzt. Dieser nickte und verließ das Zimmer. "Setz dich.", sagte sie leise und deutete auf den Stuhl. Langsam setzte ich mich wieder. Mein Magen krampfte sich zusammen. "Darf ich dich Demi nennen? Dieses förmliche ist immer so behindernd bei so einem Gespräch.", sagte sie. Bei so einem Gespräch...was für ein Gespräch war das denn hier überhaupt?

"Demi, ich habe von deinen Wunden gehört. Willst du mir etwas darüber erzählen?", begann sie. Ich sah sie verwundert und gleichzeitig geschockt an. "Ich weiß nicht ob ich jemand Fremden meine Gefühle anvertrauen soll.", sagte ich leise und sah zu Boden. "Du kannst es mir ruhig erzählen. Dafür bin ich da. Und alles, was wir hier besprechen, bleibt auch hier. Ich unterliege der Schweigepflicht.", sie lächelte mich an. Diese Worte taten mir gut und auch ich lächelte kurz. Das war das erste Mal seit Tagen...

"Wann hast du dich das erste Mal selbst verletzt?", fragte sie. Ich zögerte. Ich wollte es nicht erzählen. Aber dieses Gespräch blieb hier im Raum. Also wovor hatte ich Angst? "Als ich 11 war.", sagte ich. "Was war der Grund dafür?". "Ich wollte damit den Hass gegen mich selbst loswerden. Und den aus meinem Umfeld auch.", sagte ich trocken. "Welchen Hass aus der Umwelt?", fragte sie. Vor meinem inneren Auge spielte sich alles ab. Mein ganzes Leben. "In der Schule hatte ich nie Freunde. Ich wurde ziemlich gemobbt und zu Hause musste ich immer mit der Wut und Aggressionen meines Vaters zurecht kommen. Er und meine Mom haben sich immer gestritten.", sagte ich.

"Und was war dieses Mal der Grund, dafür, dass du dir selbst Schmerzen zugefügt hast?", fragte sie. Es war ein erneuter Tritt in den Bauch. Ich konnte die Tränen nicht zurück halten und fing an zu weinen. Dr. Sullivan hielt meine Hand und sagte nichts. Doch das wollte ich auch nicht. Niemand sagte mir, dass alles gut wird, denn das wird es nicht. Genau das brachte ich jetzt. Jemanden, der einfach da ist. Nach kurzer Zeit fing ich mich wieder und holte tief Luft.

"Ich habe den wichtigsten Menschen in meinem Leben verloren. Er war da, als es sonst keiner war und er hat mir gezeigt, dass ich auch was Besonderes sein kann.", als ich über das nachdachte, was ich sagte weinte ich wieder, "Er war der Grund wofür es sich gelohnt hat mit dieser Sache aufzuhören.", ich betrachtete meinen Arm. Die weißen Linien. Wer weiß, wo ich heute wäre, hätte ich Liam nie kennengelernt. "Es waren perfekte anderthalb Jahre...", sagte ich.

Ich erzählte ihr alles was mir auf dem Herzen lag. Und sie war da und hörte mir zu. Irgendwann sah sie mich mit einem warmen Gesichtsausdruck an und sagte: "Demi, ich würde dir gerne helfen, mit deinen Problemen umzugehen.". Ich nickte. "Der erste Schritt ist, dir über deine Probleme und Entscheidungen, die du getroffen hast im Klaren zu werden.", sagte sie dazu. "Das dauert bei manchen länger und bei manchen...". "Ich weiß...", unterbrach ich sie. Sie sah mich an. Ich strich mit meinen Händen über meine Beine. "Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe. Und ich weiß, dass ich Hilfe brauche. Ich bin bereit diese anzunehmen.", sagte ich.

Dr. Sullivan erzählte mir etwas von einer Klinik, die einige Stunden entfernt lag. Dort würde man mir helfen, mit meinen Fehlern und Verhaltensstörungen klar zu kommen. Ich hatte schreckliche Angst davor, doch ich sah ein, dass das womöglich der einzige Weg war, mein Leben endlich in den Griff zu kriegen. Ich habe viel zu lange mit diesen Gefühlen, mit diesem Geheimnis gelebt. Ich brauchte diese Hilfe unbedingt...

"Aber natürlich hast du das nicht jetzt zu entscheiden. Lass dir soviel Zeit du brauchst!", sagte sie. Ich dachte kurz nach. "Ich mach's.", sagte ich entschlossen. "Bist du dir sicher? Das ist ein großer Schritt, den zu gehen willst.". Ich nickte und sagte: "Ja, ich bin mir sicher. Ich habe mich zu langen diesen Ängsten gestellt. Und...mich hält hier nichts mehr!".

*einige Tage später*

Heute war es soweit. Ich würde in 2 Stunden abgeholt werden. Ich habe mich dafür entschieden, die Therapie zu machen. Ich wusste sie würde mir helfen. Ich wollte dieses Leben nicht mehr so weiterführen. Es war die richtige Entscheidung.

Ich packte gerade die letzten Sachen zusammen. Als ich gerade ein paar meiner Shirts aus dem Schrank nahm fiel mir ein T-Shirt auf, was definitiv nicht mir gehörte. Es war eins seiner Shirts. Das Batman-Shirt. Das war immer sein Lieblingsshirt gewesen. Liam liebte Batman! Allein wenn schon der Name fiel konnte manchmal überhaupt nicht mehr aufhören davon zu schwärmen. Ich musste kurz lächeln. Ich roch daran und sein Duft stieg mir in die Nase.

Schließ endlich damit ab.

Sagte ich zu mir selbst. Dann ging ich in die Küche und öffnete den Mülleimer. Doch ich konnte es nicht wegwerfen. Ich konnte einfach nicht.

Ein letztes Mal ging ich durch die Wohnung. Die Wände waren leer, die Regale ausgeräumt. Das war ab nun an nicht mehr mein zu Hause. Für mich begann nun ein neues Leben. Ich musste einfach loslassen, auch wenn es mir vielleicht schwer fiel.

Kurze Zeit später klingelte es. Ein Mann packte meine Tasche und einige Kisten, mit allen möglichen Krempel darin in den Kofferraum. Ich nahm Buddy auf den Arm und stieg ins Auto. Da Buddy niemanden außer mich hatte, und ich mich nicht von ihm trennen konnte, wurde mir erlaubt ihn mitzunehmen. Sie meinten, er würde mir dort gut tun. Und dafür war ich sehr dankbar.

Als das Auto losfuhr drehte ich mich ein letztes Mal um.

Leb wohl San Diego.
Leb wohl Kummer und Schmerz.
Leb wohl, Liam...

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