Kapitel 8

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Ich setzte mich im Lotossitz und streckte den Rücken durch, sodass ich frei atmen konnte.

Die Arme ließ ich in den Schoß fallen und legte die Hände ineinander, aber ohne, dass sich die beiden Daumen berührten.

Ich ließ die Schultern fallen, sodass ich zwar eine aufrechte Haltung hatte, aber gleichzeitig entspannen konnte. So stand es jedenfalls im Buch.

Ich schloss die Augen und atmete ein paarmal tief ein und aus. Ich achtete darauf, den Atem zu spüren, wie er erst langsam einfloss und meinen Brustkorb hob und schließlich wieder ausströmte und dabei meine Oberlippe kitzelte.

Kurz schweiften meine Gedanken wieder ab, doch ich schaffte es, mich wieder auf meinem Atem zu konzentrieren.

Ich wusste nicht wann, aber es schien mir eine halbe Ewigkeit vergangen zu sein, wurde mein Atem noch langsamer und ich geriet in eine Art Halbschlaf.

Tief verborgen im Wald, in einer alten windschiefen Hütte, die von einem kleinen Garten umgeben war, in dem allerlei Kräuter, Blumen und andere merkwürdige Gewächse wuchsen, wohnte eine alte Frau. Eine sehr alte und kluge Hexe. Ihre etwas rundlichere Figur verbarg sie unter einem rotem Kleid und vielen Tüchern, die sie um Schultern und Hüften gebunden hatte. Eine Tasse, die sie gerade gespült hatte, trocknete sie mit ihrer Schürze ab und stellte sie auf einen völlig unpassenden Unterteller.

Danach machte sie sich daran, in ihrer vollgestopften Küche einen Kräutertee zu kochen, als sie aus den Augenwinkeln etwas Dunkles das trübe Licht, das durch ihr Fenster schien, verdunkeln sah.

Im nächsten Moment war es auch schon wieder verschwunden. Vielleicht hatte sie es sich auch nur eingebildet oder es konnte auch nur ein wehender Ast sein. Doch ihre Jahrhunderte lange Erfahrung und ihr Instinkt sagten ihr etwas Anderes. Sie zog den scharfen Dolch aus der Scheide an ihrer Hüfte und schaute aus dem Fenster. Der Regen prasselte in einem stetigen Rhythmus gegen das Fenster. Die Hexe wischte mit dem Ärmel ihres Kleides den Dunst von dem kleinen Fenster, um besser hinaus schauen zu können. Eine Kapuzengestalt öffnete das kleine Tor zu ihrem Vorgarten und ignorierte die Warnung >Vorsicht bissige Hexe<, die auf einem Schild stand. Das Gesicht der Gestalt konnte sie nicht erkennen, da es im Schatten der Kapuze vor ihr verborgen blieb. Auch der Rest der Person war nicht zu erkennen, da sie in einen langen, dunklen Umhang gehüllt war. Allerdings trug sie ein Bündel in ihren Armen, mit welchen sie schnellen Schrittes auf die Hütte zugeeilt kam. Die Gestalt bewegte sich so anmutig und leicht, als würde sie über das regennasse Gras schweben.

Die Hexe stellte ihre Teetasse, die sie grade in der Hand hielt, ab und eilte zur Tür. Den Dolch schob sie zurück in die Scheide. Die Tür öffnete sich knarrend und schon huschte die Kapuzengestalt ins Haus. Obwohl es draußen wie aus Kübeln regnete, war sie staubtrocken. Nachdem die Hexe die Tür wieder geschlossen hatte schob die Gestalt ihre Kapuze zurück und hervor kam das Gesicht einer Frau. Sie hatte ein schmales Gesicht mit hohen Wangenknochen und blaue, ein wenig schräg stehende Augen. Doch das Auffälligste waren die Ohren. Sie begannen am Ende der Wangenknochen und liefen schräg nach oben spitz zu. Die Frau hatte weiße Haare, welche in sanften Wellen in dem Kragen des Mantels verschwanden. Es war kein Weiß, welches ältere Leute bekamen, sondern ein so strahlendes und reines Weiß, als wäre es flüssig gewordenes Mondlicht.

>>Maje... << Setzte die alte Hexe an.

>>Schsch! Es ist zu riskant, dass wir belauscht werden. << Die Frau drückte das Bündel, welches sie noch immer in den Armen hielt, enger an sich, als wollte sie es beschützen.

>>Von wem denn? Von ein paar Eichhörnchen? Kaum einer traut sich in die Nähe dieses Hauses, solange ich meinen Dolch noch selber schwingen kann. << Sagte die Hexe zähneknirschend.

Immergrün *pausiert* #TeaAward2018Where stories live. Discover now