|| Sørry

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"Schönen Tag noch, auf Wiedersehen!" Ich lächelte die Frau freundlich an, die nun mit den neuen Gitarrensaiten den Laden verließ. Dieses Lächeln war nicht echt gewesen. Das war es schon lange nicht mehr, aber die meisten glaubten dem Schein und das war gut so.

Ich nahm einen Stapel der Saiten hinter der Kasse und machte mich daran, diese sorgfältig einzusortieren. Arbeit, die lenkte mich ab, aber hier im Laden war es meistens viel zu still. Also summte ich oft bei der Musik mit, die so gut wie immer leise im Hintergrund von einer Anlage abgespielt wurde. So auch jetzt, während ich Packung für Packung an ihren Platz stellte. Weil ich mal wieder so in Gedanken versunken war, hatte ich nicht bemerkt, wie jemand hereinkam und als ich mich von den Saiten abwandte, rempelte ich diesen jemand an. "Oh, tut mir leid", meinte ich etwas peinlich berührt und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Alles gut, es ist ja nichts passiert", erwiderte der junge Herr und lächelte freundlich. "Kann ich Ihnen weiterhelfen?", fragte ich nun und sah ihn daraufhin etwas genauer an. Er sah gar nicht mal schlecht aus! Sportliche, aber eine nicht zu übertriebene trainierte Figur und dunkelbraune Augen. Seine Haare konnte ich nicht sehen, da diese von einer Cap verdeckt waren, die er falschrum trug. "Ja, ich suche eine bestimmte Stärke von Drumsticks..." "Fürs Schlagzeug bin ich zuständig!" Marius, mein Kollege und gleichzeitig bester Freund war währenddessen aus dem Lager gekommen und hatte unser kurzes Gespräch wohl mitbekommen. Ich wurde nun also nicht mehr gebraucht und ging deshalb weiter meiner Arbeit nach. Mein Blick wanderte dabei immer wieder zu dem jungen Mann und als er schließlich ging, nachdem er bezahlt hatte, bereute ich es, ihn nicht nochmal angesprochen zu haben.

Während des restlichen Tages waren noch ein paar Kunden gekommen und ich hatte ein paar Bestellungen gemacht. Endlich war Feierabend und ich ging nach hinten in den Pausenraum, wo ich meine Jacke anzog und den Jutebeutel nahm. "Ich geh dann jetzt", sagte ich schließlich zu Marius, der gerade hinter der Kasse stand und wir umarmten uns zum Abschied. "Pass auf dich auf ja?" Ich nickte als Antwort und verließ dann den Laden.

Es dämmerte mittlerweile schon und auf den Straßen der Innenstadt waren viele Leute unterwegs, die in Restaurants, Bars gingen oder einfach nur die Stadt am Abend genossen. Ich wollte auch noch nicht nach Hause, denn dort hielt ich es kaum noch aus. Stattdessen lief ich einfach durch die Gegend ohne jegliches Ziel. Irgendwann kam ich dann an einem größeren Club an, das Wizemann. Hier bin ich schon öfter auf Konzerten gewesen und es war immer toll. Davor standen ein paar Leute und rauchten, also fand heute wohl auch wieder eines statt. Ich blieb stehen, da sich auf einmal alles anfing zu drehen und mein Augenlicht wurde auch immer dunkler. Na toll, ausgerechnet jetzt! Mein Kreislauf spielte gerne mal verrückt, zumal ich zurzeit auch nicht wirklich viel aß.

Um nicht einfach umzukippen, setzte ich mich nun auf den Boden, zog die Beine an den Körper und schlang meine Arme um die Knie. "Hey Sie, ist alles in Ordnung?" Ich hörte nur eine männliche Stimme, hob meinen Kopf aber nicht. "Mir ist nur etwas schwindelig", erwiderte ich mit leicht zitternder Stimme. "Okay, kommen Sie. Wir haben Krankenliegen, da können Sie sich erholen", meinte der Mann und im nächsten Moment wurde ich getragen. Meine Tasche hielt ich mit einer Hand fest, damit sie nicht von meiner Schulter rutschte. Die Augen hielt ich geschlossen, da ich das Gefühl hasste, nur die Hälfte sehen zu können, da der Rest dunkel war. Als wir im Club waren, hörte ich nur viele Stimmen und im Hintergrund Musik. Jedoch erkannte ich die Band nicht, die gerade spielte. Im nächsten Moment wurde ich auf eine Liege gelegt. Ich legte die Tasche neben mich und dann den Handrücken meiner rechten Hand auf die Stirn. "Können Sie mich hören?" "Ja." "Wie heißen Sie?" "Melina...Melina Walker." "Okay, Frau Walker, ich hole Ihnen jetzt was zu trinken und Sie winkeln bitte Ihre Beine an." Nach ein paar Sekunden war ich alleine und alles war still um mich herum, außer der Musik, die vom Konzertraum kam. Ich nahm die Hand von meiner Stirn und öffnete langsam die Augen. Mein Blick wurde allmählich klarer und ich bemerkte, dass ich mich in einem langen Gang mit mehreren Türen befand. Schließlich kam der Mann wieder und ich erkannte, dass es ein Sanitäter war...klar, wer denn auch sonst? "Ich helfe Ihnen", meinte er, stützte mein Kopf ein wenig und ließ mich dann trinken. Es tat gut, denn das Wasser war leicht gekühlt. "Passiert es öfter, dass Ihnen schwindelig wird?" Immer diese vielen Fragen..."Ja...nein. Ich habe heute wahrscheinlich einfach zu wenig gegessen", antwortete ich knapp. "Ich messe bei Ihnen trotzdem eben den Blutdruck", meinte der Sani, stellte das Glas auf den Boden und verschwand dann schon wieder. Irgendwie wollte ich hier grad einfach nur weg, denn ich fühlte mich ziemlich unwohl. Jedoch wusste ich, dass wenn ich jetzt aufstehen würde, das Schwindelgefühl wieder da sein wird. Also blieb ich widerwillig liegen und nach kurzer Zeit hatte mir der Mann dann auch den Blutdruck gemessen. "Bleiben Sie noch eine Weile hier und erholen sich", sagte er bestimmt und ging daraufhin wieder.

Ich musste eingeschlafen sein, denn ich wurde erst wieder durch lauten Applaus und Rufe in die Realität zurückgeholt. Die Band war jetzt wohl fertig und im nächsten Moment kamen mehrere Leute den Gang entlang. Ich hielt Ausschau nach den Musikern und erstarrte, als ich den jungen Mann entdeckte, der vorhin im Laden gewesen war. Ich hatte gedacht, dass ich ihn nie wiedersehen würde und jetzt das! Er sah mich jedoch nicht, da er sich lachend mit jemanden unterhielt, der neben ihm lief. Ich war mir sicher, dass er es war. Die Cap, das Lächeln, der Körperbau...Sie liefen alle an mir vorbei und ich schloss erneut meine Augen.


|| Nøthing is like it seems Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt