|| Skatepark

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Es war mittlerweile eine Woche vergangen. Eine Woche, die nicht anders war, als alle anderen. Heute war Freitag und ich hatte heute schon um 13 Uhr Feierabend, weil der Laden früher geschlossen wurde. "Hast du Lust, mit in den Skatepark zu gehen? Das Wetter ist so geil heute." "Ja okay, ich geh nur schnell nach Hause und zieh mich um", meinte ich zu Marius und ging dann auch. Wie schon gesagt, zog ich mich zu Hause um und ging dann wieder los. Ich selber skatete nicht, aber es war auch cool, den anderen zuzusehen. Irgendwie fuhr die Bahn heute nicht so wie sonst, sondern musste an einer bestimmten Station halten und dort umkehren. Deshalb nahm ich einen Umweg zur nächsten U-Bahn. Der Weg führte mich durch ein kleines hübsches Dorf, in dem nicht allzu viele Leute wohnten. An einem der Häuser blieb ich abrupt stehen und sah zu dem schräg gegenüber. Davor entdeckte ich doch tatsächlich Josh! Eigentlich hatte ich ihn schon fast vergessen und auch aufgehört, die Musik von ihnen zu hören. Jetzt sah ich ihn hier und er war nicht alleine. Er spielte mit einem kleinen Mädchen, soweit ich sehen konnte. Es sah total süß aus, wie er das machte, aber irgendwie versetzte mir das auch einen Stich. Warum hatte er mir nicht erzählt, dass er eine Tochter hatte? Klar, wir haben uns eigentlich gar nicht gekannt, aber ich finde, dass sowas schon wichtig war. Ich sah den beiden noch kurz zu und ging dann etwas enttäuscht von ihm weiter. Eigentlich sollte mir das egal sein. Es war sein Leben und ich mischte mich da sicher nicht ein. Am Skatepark angekommen, entdeckte ich Marius ziemlich schnell bei einem anderen Jungen. Ich ging auf die beiden zu. "Hey." "Hey, Leo, Melina, Melina, Leo", stellte er uns kurz gegenseitig vor, woraufhin wir uns die Hand gaben. Zusammen gingen wir dann rein. Es waren nicht viele da, weil es schließlich immer noch Arbeitszeit war. Ich kletterte, wie eigentlich immer, auf die obere Kante einer der Halfpipes, legte die Tasche neben mich, nachdem ich mich in den Schneidersitz gesetzt hatte und versteckte die Hände in den Ärmeln des Hoodies. Von hier oben beobachtete ich die Jungs. Marius hatte echt viele Tricks drauf und ich wünschte mir, dass ich auch skaten könnte. Vor ein paar Jahren hatte ich es öfter probiert, mir aber so viele Schrammen zugezogen, dass mir irgendwann die Lust vergangen war. Auch wenn ich gerade versuchte mich auf die Jungs zu konzentrieren, ging mir das Bild von Josh und dem Kind nicht aus dem Kopf. Es war wieder so typisch für die meisten 'größeren' Musiker. Wahrscheinlich wollte er mich an dem Abend nur ins Bett bekommen und hat sich deshalb so nett verhalten. Ich schüttelte den Kopf, um ihn zu vergessen. "Wir kommen jetzt zu dir, okay?" Ich sah zu den Jungs, die gegenüber von mir auf der Halfpipe Plattform mit ihren Boards standen. "Alles klar, ich mach Platz!", rief ich zurück und schmunzelte, weil natürlich noch mehr als genug Platz neben mir war. Die beiden fuhren nun gleichzeitig los und sprangen auf meiner Seite ab. Gekonnt hielten sie dann noch ihre Boards fest, damit diese nicht wieder runterrollten. "Ihr Profis", bemerkte ich grinsend. Nachdem sie ihre Boards an das Gitter am hinteren Teil der Halfpipe gelehnt hatten, setzten sie sich zu mir. Marius ließ die Beine runterhängen, legte sich dann auf den Rücken, verschränkte die Hände unter dem Kopf, schloss die Augen und ließ sich die Sonne auf das Gesicht scheinen. Leo hatte mittlerweile seinen Rucksack abgenommen und seine Sonnenbrille aufgesetzt. "Wie lange skatest du schon?", fragte ich interessiert. "Ach, eigentlich seitdem ich auf einem Board stehen konnte. Also ab etwa einem Jahr." "Angeber", kam es von Marius, woraufhin Leo grinsen musste. "Und wie alt bist du jetzt?" "24", antwortete er und zog dann seine Joggingjacke aus. Jetzt konnte man seine paar Tattoos auf den Armen sehen, die ihm echt gut standen. Ich wandte meinen Blick ab und schloss auch meine Augen, um die Wärme ein wenig zu genießen. "Magst du auch eine?" Ich öffnete ein Auge und sah zu Leo rüber. Er deutete auf die offene Zigarettenpackung in seiner Hand. "Nein, ich rauche nicht", antwortete ich und schloss dann wieder beide Augen. Als ich das Feuerzeug hörte, öffnete ich sie jedoch wieder und sah runter auf den Skatepark. Mein Blick wanderte zu der Jump-Ramp, wo gerade jemand ein paar Tricks übte. Moment, dieses T-Shirt kam mir doch bekannt vor. Als ich genauer zu dem jungen Mann sah, fielen mir auch die roten Haare auf, die unter der Cap hervorschauten und auch das Tattoo auf dem rechten Arm.

"Kann ich vielleicht doch einmal ziehen?", fragte ich Leo nun. "Klar." Er hielt mir die Zigarette hin, ich zog einmal und bließ den Rauch dann in die Luft. "Hey, bist du eingeschlafen?" Ich sah auf Marius hinab und piekte ihm mit dem Zeigefinger in den Bauch. Es kam nur ein Murren von ihm, was mich zum Grinsen brachte. "Hast du was zum Trinken dabei?" "Mhm...Im Auto. Den Schlüssel hat Leo." Ich sah zu Leo, der sich gerade die Zigarette zwischen die Lippen klemmte und anschließend in seinem Rucksack nach dem Schlüssel suchte. "Danke", meinte ich, als er ihn mir gab, stand auf und kletterte die Leiter runter. Natürlich nahm ich einen anderen Weg zum Ausgang, damit Josh mich nicht sah. Ich hoffte, dass er weg war, wenn ich wiederkommen würde. Es dauerte nicht lange, bis ich Marius' Auto fand. Hinten im Kofferraum stand ein Six-Pack von kleinen Apfelschorleflaschen. Ich nahm zwei davon, schloss das Auto wieder ab, steckte den Schlüssel in die Hosentasche und ging dann zurück. Es gab mir ein komisches Gefühl zu wissen, dass Josh ausgerechnet jetzt auch hier skatete.

"Achtung!!" Fast an der Halfpipe angekommen, rief plötzlich jemand und kurz darauf raste ein Board in meine Beine, so dass ich mit den Flaschen in der Hand hinfiel. "Verdammt!", leise fluchend, stellte ich die Flaschen hin und betrachtete meine Hände, die auf beiden Außenseiten aufgeschrammt waren. "Tut mir leid", sagte jetzt jemand. Ich sah nach oben und irgendwie hatte ich schon geahnt, dass es Josh war, dem ich jetzt in die Augen sah. Er reichte mir seine Hand, ich nahm sie nach kurzem Zögern und er zog mich hoch. Für einen Moment waren nur wenige Zentimeter zwischen uns bis ich zwei Schritte zurückging. Josh sagte nichts, sondern sah mich nur erwartungsvoll an. "Es tut mir leid." Jetzt war ich diejenige, die das sagte. Ich hatte so gehofft, dass ich ihn nicht wiedersehen würde. "Dass ich nicht geantwortet habe und dass ich einfach gegangen bin." Ich wich seinem Blick aus. "Das, was auf dem Zettel stand...was hat das zu bedeuten?", fragte er nun. "Ich kann...ich kann es nicht sagen." "Was soll das heißen?" "Josh, es ist nicht alles so wie es scheint", antwortete ich ehrlich, nahm dann die Flaschen und wandte mich zum Gehen. "Süßes Kind übrigens, was du da hast", meinte ich noch und ging, doch er legte eine Hand auf meine Schulter. "Warte mal, welches Kind?" Ich drehte mich nochmal um. "Ich hab euch gesehen, als ich hierher gefahren bin. Vor dem Haus im Dorf." Mir kam es so vor, als wolle er mich verarschen. Dachte er wirklich, ich wäre so naiv? "Achsooo, das ist nicht mein Kind! Emelia ist meine Nichte", sagte er bestimmt und in seinen Augen konnte ich sehen, dass er nicht log. Na toll...ich Depp! "Okay, das wusste ich nicht." "Lass uns heute Abend was machen. Es tut, gut mal wieder jemanden zu kennen, der mich nicht auf mein 'Musikerdasein' reduziert." Ich seufzte leise, weil ich unschlüssig war. Andererseits hatte er mir verziehen, was ich nie gedacht hätte. "Na gut." "Cool, schreib mir einfach deine Adresse, ich hol dich dann ab." "Nein, schreib mir, wo und wann wir uns treffen", erwiderte ich, weil ich nicht wollte, dass er wusste, wo ich wohnte. Er nickte zustimmend. "Steht dir übrigens gut", meinte ich schließlich noch, zeigte auf sein Shirt, schmunzelte und ging dann aber endgültig zurück zur Halfpipe.


|| Nøthing is like it seems Où les histoires vivent. Découvrez maintenant