Zayn {1}

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Ich wache auf und sehe durch mein Zimmer. Die Wände sind hässlich und grau. Mein Fenster ist offen und ich denke nur spring einfach raus. Doch ich tue es nicht. Ich stehe einfach auf, laufe schnell ins Bad und stelle mich unter die Dusche. Das warme Wasser läuft an mir runter, irgendwie genieße ich es. Renn weg. Renn einfach weg. Betrink dich bis du nicht mehr aufwachst. Nimm eine Überdosis. Spring vor ein Auto. Knall dir die Beine weg. Diese Stimmen im Kopf schreien mich an und ich bin einfach machtlos gegen sie. Ich stelle das Wasser kurz kalt um aus meinen Gedanken zu entfliehen, danach schalte ich es ab und wickle mir ein Handtuch um die Hüften. Ich trete ans Waschbecken und betrachte mich. Mein Körper ist mit blauen Flecken und Knutschflecken bedeckt. Eine seltsame Mischung aus Schmerz und Vergnügen spiegelt sich darin wieder. Ich sehe mir einzelne Wunden an. Er benutzt mich einfach als Aschenbecher...und ich erkenne viele Brandwunden wieder. Es sind alles Stellen an denen Zigaretten an mir ausgedrückt wurden. Allein der Anblick tut weh. Ich versuche meine Wunden noch zu verarzten und dann setze ich meine kalte Maske wieder auf. Von dem verängstigten Kind zum kalten Jungen, der ich für die Meisten bin. Mein blaues Auge pocht.

Als ich mich dann angezogen habe und in der Küche stehe versuche ich schnell noch rauszurennen, doch es ist zu spät.
"Wo willst du hin, Missgeburt?", höre ich meinen eigenen Vater knurren. Und seine Worte tun mehr weh als alle Schläge die ich je von ihm bekam. Ich drehe mich zu ihm.
"I-ich will zur Schule.", seine Alkoholfahne sticht mir in die Nase.
"Du bleibst.",antwortet er mir und stellt seine Flasche ab, während er mich an sich zieht. Panik kommt in mir hoch.
"Nein.", sage ich und drücke ihn weg, doch er zieht mich nur an sich und ich spüre harte Schläge die auf meinen Kopf treffen.
"Hör auf verdammt hör auf!", schreie ich, doch er hört nicht auf. Ich höre Schritte und plötzlich sieht mich meine kleine Schwester an. Doch er hört trotzdem nicht auf. Nicht mal vor einem kleinen Kind.
"Geh Kleines.",keuche ich schmerzvoll und sie rennt aus dem Haus. Es tut so weh, dass sie mich so sehen muss. Er schlägt mich immer weiter bis er irgendwann keine Lust mehr hat und von mir ablässt.

Ich nutze die Chance und stehe auf, renne sofort raus. Nach elenden Minuten komme ich in der Schule an, ich muss meinen Schmerz rauslassen und dann kommt Harry. Louis und ich fangen an auf ihn loszugehen. Und irgendwie tut er mir leid, aber ich will andere die Schmerzen spüren lassen, die ich gerade spüren muss. Und so schlage ich ihn immer weiter bis ich zum Unterricht muss, in der Hoffnung, dass er uns nicht verrät, denn dann würde ich noch mehr Schläge bekommen. Töte dich. Bring dich um. Du schaffst es nicht mehr. Beende es. Schreien diese Stimmen.
Ich nehme mein Handy in die Hand, eine Nachricht von ihr leuchtet auf.

@AnasBrokenDoll an @http.hurensohn :
Geht es dir gut? Du bist lange nicht on gewesen. Muss ich mir Sorgen machen?

Antwort an @AnasBrokenDoll:
Nein Kleine, musst du nicht.

Ihre Antwort:
Sicher? Ist er wieder auf dich losgegangen?

@AnasBrokenDoll
Meine Schwester hat es sogar gesehen.

@http.hurensohn
Scheiße...ich wünschte ich könnte dir irgendwie helfen...

Doch in Wahrheit kann sie es nicht. Ich muss warten. Irgendwann kann ich gehen. Irgendwann bin ich nicht mehr da und alles wird dann gut.

Harry verrät uns nicht. Er rennt raus und ich sehe ihm nach. Ich habe Mitleid.
Als es zur Pause klingelt stehe ich auf. Vor mir steht Bibiane und ich remple sie mit Absicht an. Sie sieht zu mir, blass wie immer.
"Hey...pass doch auf...", spricht sie leise und ich sehe sie an.
"Vielleicht solltest du aufpassen wo du stehst!", knurre ich und sie zuckt zusammen.
"Du bist doch in mich gerannt verdammt!",antwortet sie mir und versucht dabei mutig zu sein. Ihre Locken fallen ihr wie immer ins Gesicht und ich streiche sie ihr aus dem Gesicht und ziehe dann dran.
"Du hast nicht so mit mir zu reden, hörst du?!", knurre ich und werde etwas lauter. Sie verzieht vor Schmerz das Gesicht.
"Du hast mich nicht anzufassen!", zischt sie.
"Ich kann dir dummen Hure auch gleich die Zähne ausschlagen!", knurre ich erneut, gebe ihr eine Ohrfeige und sie fällt zu Boden. Meine Hand ist auf ihrer geröteten Wange zu sehen. Sie sieht voller Schmerz zu mir hoch und irgendwie tut sie mir leid, aber ich spucke einfach zu ihr runter. Anders kenne ich es nicht und es ist einfach meine Art.
"Ich hasse dich.", sagt sie leise.
"Du bist eine Missgeburt, Zayn.", fügt sie hinzu und da überkommt es mich und ich gehe auf sie los. Einfach so. Und ich höre nicht auf, bis ich wieder meinen Schmerz spüre und von ihr ablasse.
"Unnütze kleine Hässlichkeit.",knurre ich noch und dann gehe ich weg und lasse sie zurück. Und irgendwie habe ich ein schlechtes Gewissen, doch ich kann es nicht ändern. Ich hasse sie und sie hasst mich. Du hättest es nicht tun sollen.
Du darfst das nicht. Sie ist wie du, sie kann sich nicht wehren. Du bist feige! Aber ich kann doch nicht anders...DU MUSST! Dein Vater hat recht, du bist für nichts gut. Du kannst nichts. Du bist nichts.
Und vor lauter Wut fange ich an auf einen Spind einzuschlagen, bis er vollkommen verbeult ist.
Nach drei endlos wirkenden Stunden habe ich dann letztlich endlich Schluss. Ich nehme meine Sachen und gehe schnell raus. Ich laufe durch den Park, weil es ein Umweg ist. Ich will nicht zuhause sein. Ich will nicht. Ich kann nicht. Doch irgendwann komme ich an. Ich nehme meine kleine Schwester auf den Arm und sperre sie in ihr Zimmer.
"Zu deinem Besten...es tut mir leid...", spreche ich und sie sieht mich nur traurig an. Und ich ging aus ihrem Zimmer, lief zu meinem Vater. Er war total betrunken, doch ich konnte nichts ändern. Ich musste es einfach hinnehmen, so schmerzhaft es auch war. Genau so schmerzhaft wie die Schläge die folgten. Irgendwann ließ er von mir ab, als er ging stand ich auf, ließ meine Schwester aus ihrem Zimmer und schloss mich in meins. Ich setzte mich aufs Bett, kramte in der Schublade meines Nachttischs und holte mein Gras und die Hülsen dafür raus. Ich drehte mir einen Joint, zündete ihn an und nahm tiefe Züge, anschließend zückte ich mein Handy und öffnete den Chat.
Den Suicide Room . Ein neues Mitglied. Eine weitere verlorene Seele.

@AnasBrokenDoll
Ich kann nicht mehr.

@http.hurensohn
Du kannst.

@AnasBrokenDoll
Ich will sterben

@http.hurensohn
Ich auch.

Und ich schrieb wieder mit ihr. Ich nannte sie einfach Kleine, sie mich große. Wir sagten uns unsere Namen nicht und das war Okay.
Sie rettete wieder mein Leben, meinen Tag. Und ich geb' mir Mühe das Selbe auch bei ihr zu tun. Ob ich es schaffte wusste ich nicht wirklich. Ich wusste nicht ob ich sie davon abhielt sich in den Schlaf zu weinen, sich wieder zu cutten, sich zu übergeben oder wenigstens dazu brachte etwas zu essen, doch sie rettete mich. Sie brachte mich zum Lächeln, auch wenn ich eigentlich weinte. Sie war pure Ablenkung für mich, es war etwas was ich sehr an ihr schätze. Würde ich sie im echten Leben kennen, hätte ich mich sicherlich schon in sie verliebt. Eigentlich hatte ich es schon indirekt. Ich war in ihre Art verliebt.
Ich wusste nicht mal wie sie aussah, ich kannte einfach nur ihr innerliches Wesen. Dieses wunderschöne kleine Wesen, welches in ihr war. Und das war das was mir nicht aus dem Kopf ging. Diese Nachrichten, ihr Lachen in den Sprachnachrichten, ihre Stimme, die mir so bekannt vorkam aber irgendwie doch genauso fremd war. Das war was ich an ihr mochte.
Aber ich war high, also weiß ich nicht was gerade wirklich vor sich ging, ich wollte es auch gar nicht wissen.
Ich legte mich auf mein Bett und starrte die Decke meines Zimmers an. Ich versuchte alles um mich herum zu vergessen und nur meinem Atem zu lauschen. Irgendwann nach vielen unsäglich langen Stunden schlief ich letztendlich auch als Folge meines ganzen Nachdenkens ein.
Ich sah in meinem Traum nur einen Schatten, dabei hörte ich die Stimme der Kleinen. Ich konnte mir kein Aussehen vorstellen und ich selbst war auch nur ein Schatten. Sie nahm meine Hand und lief mit mir los, doch dann wurde alles schwarz. Ich hörte Schreie, die immer wieder im Nichts verschwanden. Ich hörte Schritte, die immer wieder anhielten, die dann immer wieder schneller wurden. Es machte mir Angst. Ich bekam Panik. Irgendwann schrie mich etwas an.
"Bring dich um! Stirb doch endlich! Verlass diese Welt! Geh! Geh! Geh! Niemand will dich! Niemand braucht dich!"
Und dann sah ich überall Blut. So unfassbar viel Blut. Es war überall. Es hörte nicht auf, es kam aus allen Seiten.
Und irgendwann war da einfach nur ein Knall und alle Stimmen hörten auf. Alles in meinem Kopf hörte auf. Alles war ruhig. Nicht ein einziges Geräusch war in meinem Kopf.
Im Traum war ich schon endlich tot. Doch es war nur im Traum, nicht in Wahrheit. Und die nächsten Jahre hatte ich mich noch weiter zu quälen, das wusste ich genau. Und es würde nie aufhören, bis ich endlich alles beenden würde.

Suicide Room.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt