Bibiane {2}

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Ich erinnere mich düster an die Zeiten in denen alles noch gut war.
Die Mischung aus zu vielen Drogen und zu viel Alkohol hat meine wenigen guten Erinnerungen fast aus meinem Gedächtnis gelöscht, während ich kläglich versuchte die Schmerzen aus den letzten Jahren zu betäuben.
Es war wieder einer der Tage an denen ich einfach raus aus dem Haus rannte und einfach alles aus meinem Leben haben wollte. Ich wollte wieder gehen. Ich wollte alles in meinem Körper auskotzen bis ich auf der Schmerz in mir nachlassen würde und die leblose Hülle, welche meinen Körper darstellte endlich einfach zusammenbrach und meine Seele frei ist. Lustig, ich will alles auskotzen, dabei hänge ich doch schon täglich über der Kloschüssel...
Ich hatte so verdammt große Hoffnungen darauf endlich zu gehen. Warum konnte es nicht wahr werden?
Ich hatte wieder Glück draußen zu sein bevor er wach war. Ich lief mit schnellen Schritten zur Schule, sah den ganzen Weg lang nicht auf, sondern sah auf den Boden, in der Hoffnung, dass ich überfahren werden würde.
Ich zog an meinen Zigaretten, rauchte Kette und war schon selbst überzeugt den Verstand verloren zu haben. Ich musste ihn verlieren, ich wäre noch verrückter als ich schon bin, wenn ich es nicht schon längst getan hätte.
Ich lief in das hässliche Gebäude vor mir, zu meinem hässlichen Spind und nahm meine hässlichen Bücher, ich spürte einen warmen Atem hinter mir, der jedem anderen Mädchen gefallen hätte, mich aber nur zittern ließ.
Ein Arm legte sich um mich und ich drehe mich um, vor mir stand Zayn.
"Machst du heute was mit mir Kleine?",raunte er und grinste dreckig, ich schüttelte meinen Kopf.
"Nur ne Stunde oder so, wir hätten viel Spaß.", sprach er und sah zu mir runter, doch ich schüttelte wieder den Kopf und zitterte stärker.
Er sah mich kurz etwas verwirrt an, als hätte ich eine andere Sprache mit ihm geredet, die er nicht zuordnen konnte. Dann ließ er mich los und lief weg. Ich fühlte mich plötzlich so eigenartig.
Anschließend machte ich mich jedoch auf die Suche nach meinem Raum...
Als ich ankam und mich in den Raum setzte, fiel mein Blick auf Zayn. Er schien zu schlafen. Oh Gott. Er schläft. Gott sei dank. Dann kann er mir jetzt nichts tun. Allein diese kleinen Gedanken brachten mich halbwegs über die ersten beiden Stunden, jedoch weckte die Klingel Zayn.
Ich stand schnell auf, packte meine Sachen zusammen und versuchte schnell aus dem Raum zu kommen.
Eine Hand hielt mich fest und sofort begann ich zu zittern und Panik kam in mir hoch, wie immer wenn jemand versuchte mich zu berühren, vorsichtig sah ich zurück.
"Du gibst mir deinen Block, du schreibst immer mit. Nerd.", knurrte mich Zayn an und ich schüttelte zögernd den Kopf. Ein Schlag traf meine Wange.
"Meinung geändert?", knurrte er und ich schüttelte wieder meinen Kopf.
Er schlug mich wieder und riss mir den Block aus den Händen, schubste mich weg und ging dann aus dem Raum. Ich blieb einfach zurück, weil ich mich nicht traute auch nur einen weiteren Ton zu sagen. Mir waren Schläge und die Tatsache, dass ich nie Hilfe bekommen hatte oder es je werden inzwischen zu gewohnt.
Die nächsten Stunden waren schwerer. Ich saß mit Harry in der Klasse und wir unterhielten uns über irgendwas.
Zayn und Louis begannen wieder ihn zu beleidigen und ich stand auf als Zayn anfing Harry zu schlagen. Es wurde wieder zu viel. Viel zu viel. Ich stelle mich zwischen beide und trat Zayn einfach in seine Eier. Er sackte zusammen. Ich ging raus aus dem Gebäude. Meine Augen waren glasig, mein Blick auf den Boden gerichtet.
Ich rannte los und Harry mir nach.
Ich tat so als würde ich lachen und Spaß haben, mich freuen, aber er brachte mich heim und mein Lachen verstummte. Ich hatte irgendwie wirklich Spaß, weil ich mich endlich ein Mal im Leben getraut hatte etwas gegen Zayn zu tun. Ich hatte endlich Mut.
Als ich die Wohnung betrat hörte ich das Schreien meiner Mutter, dieses Mal war sie wütend auf meinen kleinen Bruder.
Er weinte und sie schrie nur, mein Herz zerbrach sofort in tausende Stücke.
"Maman?", rief ich, um sie abzulenken und ging in die Küche. Der Geruch des Essens stach in meine Nase, sofort wurde mir schlecht. Es war wieder so fettig.
"Auch mal wieder da?! Mal vollkommen nüchtern! Ein Wunder ist geschehen! Los du faules Ding, deck den Tisch!", schrie sie mich an und ich gehorchte nur damit Étienne seine Ruhe hatte. Er sah mich kurz dankbar durch seine großen Augen an. Aber andererseits half mir doch auch nie jemand. Warum half ich anderen Leuten dann immer so gut ich konnte? Das war doch sinnlos, da ich eh nie etwas zurück bekommen würde. Aber ich wollte doch auch gar nichts zurück, oder?
Ich betrachtete Étienne kurz. Seine Augen waren so schön. Das Eine war dunkel-grün, das Andere hellblau. Wir setzten uns im Anschluss an den großen Tisch. Alle, selbst mein Vater.
"Wie war es im école?", fragte mich meine Mutter mit ihrem Akzent.
"Gut.", gab ich zurück und stocherte in meinem Essen.
"Iss doch anstatt zu stochern, bist du dämlich?!", zischte sie. Dann begann ich zu essen. Viel zu schnell, viel zu viel.
Sie spürten nie, dass sie mich in den Tod trieben, sie wollten es nicht mal wissen. Und immer wenn ich gehen wollte zogen sie mich zurück in diese grausame Welt um weiterhin etwas zu haben was sie kaputt machen können.
"Schling doch dein Fressen nicht so verdammte Scheiße!", schrie mich mein "Vater" an.
Dann zwangen sie mich am Tisch zu sitzen bis sie das Essen endlich aufgegessen hatten. Sie schmatzen so furchtbar schlimm.
Ich habe Phonophobie, das ist die Angst vor bestimmten Geräuschen: in meinem Fall Essgeräusche und laute Stimmerhebungen, also Geschrei.
Ich kann beides nicht ertragen, werde nervös und beginne mich zu kratzen.
Unter dem Tisch hatte ich meine Arme inzwischen schon blutig gekratzt, dann durfte ich endlich aufstehen und ging mit schnellen Schritten ins Bad. Sie merkten nicht mal was nicht stimmte. Aber das wollten sie doch alle auch gar nicht. Ich war ihnen egal.
Ich stützte mich über das Waschbecken und sah in den Spiegel, wusch meine Hände, aber ließ sie nass.
Anschließend klappte ich die Klobrille auf, steckte zwei Finger in meinen Rachen und bewegte diese bis ich anfing zu würgen.
Nach zehn Minuten war ich fertig. Alles war raus.
Tränen liefen über meine Wangen und ich wusch meine Hände und meinen Mund. Alles war voll mit meinem eigenen Erbrochenen, wieder ekelte ich mich vor mir selbst. Dann sah ich erneut in den Spiegel, die Tränen wurden schlimmer. Ich musterte meinen ganzen Körper.
Ekel kam in mir auf, Hass und Wut genauso.
Wie konnte ich meinem eigenem Körper das hier an tun? So ekelhaft zu sein? Du fett, so hässlich, so voller Narben und Wunden! Abartig verdammt nochmal!
Wie konnte ich nur damit leben? Warum sehe ich immer wieder in den Spiegel mit so einer Gewissheit?
Dann verließ ich das Bad, ging in mein Zimmer und nahm mein Handy. Ich öffnete den Suicide Room...

@http.hurensohn
>@AnasBrokenDoll
Hey Kleine...wie geht es dir?

@AnasBrokenDoll
>@http.hurensohn
Wie soll es mir gehen...? Scheiße wie immer. Ich heule mal wieder. Und selbst?

@http.hurensohn
>@AnasBrokenDoll
Scheiße, weil es dir scheiße geht. Ich hab heute wieder versucht dieses Mädchen zu fragen mit mir auszugehen...ich hab dir ja von ihr erzählt.

@AnasBrokenDoll
>@http.hurensohn
Und? Was hat sie gesagt?

@http.hurensohn
>@AnasBrokenDoll
Was wohl? Sie hat mich abblitzen lassen, wie immer. Aber scheiße...sie sah wieder so unfassbar schön aus...wie jeden Tag.

@AnasBrokenDoll
>@http.hurensohn
Du bist ja auch scheiße zu ihr, dann ist es kein Wunder...schon mal versucht nett zu ihr zu sein?

@http.hurensohn
>@AnasBrokenDoll
Du weißt, dass ich nicht nett sein kann...mein Dad hat wieder gesoffen...

@AnasBrokenDoll
>@http.hurensohn
Hol deine Schwester zu dir und schließt euch wieder ein...

Dann hörte ich meine Mutter nach mir schreien und sie nahm mir mein Handy weg, mal wieder. Es war nichts neues.
Und wieder musste ich mir ihre Demütigungen bieten lassen, von denen meines Vaters gar nicht zu sprechen.
Es tat so unfassbar doll weh gehasst zu werden. Ausgerechnet von den Menschen, die einen am meisten lieben sollten.
Die Gewissheit ungeliebt zu sein und es zu bleiben tat wieder mehr weh.
Irgendwann ließen sie mich endlich in Ruhe.
Aber in mir ließ mich gar nichts. Ich hatte das Gefühl unterzugehen. Als würde mich irgendwas in den Abgrund ziehen.
Mein Kopf platzt.
Lass mich sterben.
Mein Kopf platzt.
Lass mich sterben.
MEIN KOPF PLATZT!
OH GOTT LASS MICH ENDLICH STERBEN!
Ich überlege oft ob es Sünde ist, wenn man betet endlich zu sterben.
Man betet, aber stirbt nicht.
Stirbt man nicht, weil Gott einen nicht hörte, oder weil es Sünde ist ihn darum zu beten, während Andere leben wollen?
Meine Mutter sagte mal die Natur würde aussortieren. Indem die schwachen Menschen sich das Leben nehmen bleiben nur die besten Menschen da.
Die Starken sind die Besten, egal was sie Denen, die schwach wurden antaten.
Im Lied I don't wanna die von Hollywood Undead wird gesungen 'I don't wanna die, I don't wanna die, so you're gonna have to die'.
So ist es doch im Leben auch, oder? Man muss töten um zu leben. Und viele Menschen töten ohne jemals eine Waffe in den Händen gehalten zu haben.
Wie fragt ihr euch?
Mit Worten. Worte sind die größten Waffen, die nicht sehen, nicht anfassen kannst. Du kannst sie hören, spüren, selbst verwenden. Aber die Wahrheit über jedes Wort ist:
Worte entscheiden über alles. Sie entscheiden zwischen gut und böse. Sie entscheiden über Leben und Tot. Ein Wort kann alles verändern.
Es ist ein Unterschied zwischen 'Bring dich um' und 'Bring dich nicht um!'
Doch vor Gericht zählen nur die Morde, welche durch Körperkontakt vollzogen wurden.
Ist es, weil niemand Worte ernst nimmt, oder weil Worte zu mächtig sind?

Suicide Room.Where stories live. Discover now