Kapitel 11

2.4K 83 57
                                    

       

Die nächsten Wochen hörte ich kaum ein dummes Kommentar von Christopher. Es wunderte mich zwar ziemlich, aber er ließ mich tatsächlich komplett in Ruhe.

Außer, dass ich und Sam uns wirklich heftig gestritten hatten und seit dem kein einziges Wort mehr miteinander geredet hatten, war hier nichts Spannendes passiert. Zumindest nicht wenn man alle von mir runtergeschmissen Sachen und jeden neuen blauen Fleck an meinem Körper außer Acht ließ.

Ich war ziemlich enttäuscht von Sam, denn so etwas war bisher noch nie passiert. Jetzt ging unser Streit schon über vier Wochen und eine Versöhnung war auch nicht in Sicht. Unser zu Hause war praktisch 24/7 von Samanthas neuen Freundinnen belagert, da sie den Winterball planen wollten. Andauernd fanden diese Komitee-Sitzungen bei uns statt. Auch das war ein Grund dafür, dass ich keine Lust hatte, zu Hause zu sein.

Daher machte ich noch mehr als sonst eh schon mit Emily, James und Henry. Fast jeden Tag nach der Schule ging ich zu einem von ihnen. Meistens trafen wir uns allerdings bei Henry, der sich gut und vor allem schnell in seine Familie eingelebt hatte.

Sophia und Leni waren große Fans von ihm und es war süß mit anzusehen, wie sehr sie ihn  schon lieb gewonnen hatten. Das Ganze war ziemlich süß mit anzusehen, auch wenn ich mir in diesen Momenten heimlich wünschte, wieder eine bessere Verbindung zu Sam zu haben. Wir waren schließlich Zwillinge und unser ganzes Leben lang hatten wir uns erst zweimal gestritten. Allerdings waren das beides Dinge gewesen, die nach einem Tag wieder vergessen waren.

Das Wochenende fing für mich super an- man höre die Ironie. Henry fuhr mit seiner Familie auf eine Ranch in den Adirondacks, natürlich, wie hätte es auch anders sein sollen, für das ganze Wochenende. Als Reit-, Tennis- und Wellnessurlaub. James und Emily waren auch zusammen weggefahren. Und ich? Ich war hier in New York, auf mich allein gestellt. Samantha und ihre Clique beschlagnahmten unser Wohnzimmer. Ich hatte also die Wahl mich in der Küche oder in meinem Zimmer aufzuhalten.

Es war Samstagmittag 11:30 Uhr und ich hatte schon keine Idee mehr was ich tun sollte. Ein ganzes Buch hatte ich gelesen, alle meine Hausaufgaben waren fertig und im Fernseher lief nichts Gutes. Auf eine Serie hatte ich auch keine Lust. Jetzt saß ich hier in meinem Zimmer und wurde von Langeweile aufgefressen.

„ Cat, ich bin in der Höhle des Drachen gefangen und es gibt keinen Ausweg, es ist aussichtslos. Was soll ich tun?", wir beide skypten gerade. Cat hatte noch fünf Minuten, dann wäre sie wieder weg, denn meine alte Tanzcrew hatte heute einen Auftritt. Wenn Sie unter die Top 3 kämen, würden sie zu den Deutschen Meisterschaften fahren und ich drückte ihnen beide Daumen, auch wenn ich traurig war, nicht dabei sein zu können. „ Du, ich muss jetzt los, wir fangen gleich an, wünsch mir Glück. Ich hab dich lieb und du schaffst das schon irgendwie.", verabschiedete sich meine Freundin von mir und schon war ich wieder allein.

„Alexis?", meine Mutter rief mich, also wagte ich mich runter. Musste ich ja wohl oder übel. Vorbei am Wohnzimmer und schnell in die Küche. Ohne gesehen zu werden. „ Da bist du ja! Ein Arbeitskollege von mir hat einen Golden Retriver und der hat Welpen bekommen.", fing meine Mum ohne Umschweife an zu erzählen. „ Aha, was soll das heißen Mum?" „ Nun ja, er hat mir ein Foto gezeigt. Die Kleinen sind echt süß und jetzt wohl drei Monate alt. Er will sie weggeben und ich wollte heute hinfahren um sie mir anzusehen und dein Dad und ich hatten eh schon länger überlegt, einen Hund anzuschaffen. Schon in Deutschland. Allerdings hatte er dann erfahren, dass wir wieder hier hin müssen. Jetzt wäre eigentlich die perfekte Gelegenheit..." Ich unterbrach sie mitten im Satz:„ Warte, heißt das, wir bekommen einen Hund?" Ich war völlig aus dem Häuschen. „ Ja vielleicht. Dein Dad hat schon zugestimmt. Hast du vielleicht Lust, mich zu begleiten?" Ich nickte wie wild mit dem Kopf.

Wir saßen im Auto und ich war aufgeregt wie ein kleines Kind. „ Darf ich den Namen aussuchen? Oh und darf er in meinem Zimmer schlafen? Bitte!" Meine Mum lachte. „ Du verhältst dich, wie ein Kindergartenkind."

Das Haus des Kollegen meiner Mutter verließen wir mit einem kleinen Golden Retriver Welpen auf dem Arm. „Mum sie ist wirklich süß!" Ich war total begeistert.

Als nächstes fuhren wir in einen Tierladen um alles zu besorgen was wir für den Hund brauchten. Alles Mögliche an Kauspielzeug, eine Hundedecke, ein Körbchen, einen Trink- und Fressnapf, ein Halsband mit Leine, Fressen und eine Art Sitzsack, nur eben für einen Hund. Den ganzen Rückweg über saß die kleine Rosie, so hatte ich sie genannt, auf meinem Schoß und wedelte freudig mit dem Schwänzchen. Ich hatte mich jetzt schon in sie verliebt und wahrscheinlich eine super Beschäftigung für das Wochenende gefunden.

Wir waren um viertel nach drei wieder zu Hause und ich nahm den Hundesitzsack für Rosie direkt mit in mein Zimmer. Das Körbchen stellten wir unter die Treppe und die Näpfe kamen in die Küche. Das Hundespielzeug ließen wir erst einmal im Körbchen.

Ich ging hoch in mein Zimmer und Rosie folgte mir schon auf Schritt und Tritt. Samantha hatte von all dem nichts mitbekommen und als meine Mum und ich ihr vorhin erzählt hatten, dass wir jetzt Hundebesitzer waren, schien es sie nicht sehr zu interessieren.

Ich saß auf meinem Bett und hörte Musik, während ich Rosie, die neben mir lag, geistesabwesend streichelte. Irgendwann entschied ich mich dafür, mit ihr an den Strand zu gehen. Also leinte ich sie an und suchte mir zwei Hundespielzeuge aus. Mein Handy verstaute ich in der Hosentasche und stolzierte mit unserem Welpen durch das Wohnzimmer nach draußen. Auch jetzt interessierte es Sam nicht die Bohne, dass wir einen Welpen zu Hause hatten. Dabei war sie früher die von uns gewesen, die am meisten in Hunde vernarrt war.

Zwei Stunden lang hatte ich mit Rosie am Strand gespielt, als mein Handy vibrierte und ein kurzes Geräusch machte. Das Zeichen dafür, dass ich eine WhatsApp Nachricht bekommen hatte. In der Erwartung, dass sie von Henry oder so war, öffnete ich also Whatsapp und danach den Chat. Mein Handy zeigte eine mir unbekannte Nummer an und die Person, die mich angeschrieben hatte, hatte weder ein Profilbild noch einen Status. Nichts wodurch ich hätte erkennen können, wer es ist. Zwei Buchstaben sprangen mir entgegen. Ein ganz simples Wort. „Hi" Trotzdem war ich ein wenig verunsichert und schrieb:„ Wer bist du?" zurück. Dann speicherte ich die Nummer als 'Unbekannt' ein. Ich schnappte mir Rosie und ging mit ihr wieder rein.

Gerade als ich mich in meinem Zimmer auf die Couchfensterbank gesetzt hatte, kam eine Antwort. „ Ich bin kein Pädophiler und habe auch nicht die Absicht, dich zu entführen. Du kennst mich sogar, ich habe allerdings nicht vor, dir zu sagen wer ich bin." Das Ganze kam mir ziemlich skurril vor. Einen Moment überlegte ich. Dann schrieb ich zurück „ Das würde jeder Pädophile und jeder Entführer von sich sagen, wie kann ich mir sicher sein?" Dahinter einen zwinkernden Smiley. Die Antwort kam keine Sekunde später. „ Da musst du mir wohl einfach vertrauen." Von Sekunde zu Sekunde wurde das ganze merkwürdiger und trotzdem bekam ich immer mehr das Gefühl, dass ich dieser Person glauben konnte. Meine Schüchternheit war wie weggeblasen. Ich war ja generell zu Hause nicht so schüchtern, wie in der Schule. „ Angenommen, ich vertraue dir, gibst du mir dann einen Tipp, wer du bist?"

Kurz nachdem ich die Nachricht abgesendet hatte, stand Rosie vor der Fensterbank und wartete darauf hochgehoben zu werden. Da ich zu faul war, blieb ich sitzen und bückte mich einfach nur nach ihr. Dabei fiel ich dann natürlich runter und landete schmerzhaft mit meinem Rücken auf dem harten Boden. Warum auch musste mir immer so was passieren? Rosie, die noch rechtzeitig ausgewichen war, hielt ihr Köpfchen direkt über mein Gesicht und schleckte mir mit ihrer feuchten Zunge einmal quer über die Wange. Ich lief ins Bad, wusch mein Gesicht und schnappte mir auf dem Weg in die Küche ein Handy.

Ich setzte mich auf einen der Barhocker und schaute meiner Mum dabei zu, wie sie sämtliches Gemüse für das Abendessen schnippelte. Mein Handy vibrierte in meiner Hosentasche und vor Schreck wäre ich fast vom Stuhl gefallen. „ Mensch Alexis, tú eres muy patoso. Du musst echt besser aufpassen!" „ Hey Mum, ich bin gar kein Tollpatsch!", meckerte ich. Natürlich verstand ich alles, was sie auf Spanisch sagte. Nur in der Aussprache war ich nicht so gut, weshalb ich eher selten Spanisch sprach.

Ich zog mein Handy aus der Tasche. „ Nein, nein, ich glaube ich werde dir keinen Tipp geben. Aber ich habe eine Idee. Lass uns ‚zwanzig Fragen' spielen.", leuchtete mir die weiße Schrift auf meinem Handy entgegen. Fast hätte ich laut losgelacht. „ Du Mum, ich gehe raus in den Garten!" Als keine Antwort kam, ergänzte ich es auf Spanisch, auch wenn meine Spanisch eingerostete war, hoffte ich einfach, dass es richtig war. „Me voy en el jardín!" Dann ging ich raus, setzte mich auf die Hollywoodschaukel und tippte eine Antwort.

New York Love StoryWhere stories live. Discover now