Kapitel 12

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„ Nur Ja- oder Nein- Fragen und du fängst an!" Ich las mir meine Antwort zweimal durch, bevor ich auf den kleinen blauen ‚Senden' Button drückte.

Es dauerte ein bisschen, bis mein Handy wieder vibrierte und mir somit zeigte, dass ich eine neue Nachricht hatte. Gespannt, was er antworten würde, entsperrte ich mein Handy und klickte die App an. Allerdings hatte nicht er mir geschrieben sondern Cat. „ Du kannst es dir nicht vorstellen, wegen des Turniers. Ruf mich mal an, wenn du Zeit hast!" Also wählte ich direkt ihre Nummer. „ Hey Lexi. Stell dir vor, wir sind ja heute aufgetreten und die Pixies und die Snakes waren beide auch wieder da", das waren zwei Teams, die wir überhaupt nicht ausstehen konnten, „ naja, wir haben denen mal so richtig in den Arsch getreten. Stell dir vor, wir sind erste geworden." Den Satz kreischte sie ganz hysterisch in ihren Lautsprecher und ich hielt mein Handy ganz weit weg vom Ohr. Vermutlich wäre mein Trommelfell sonst geplatzt. „ Was ist mit den Snakes und den Pixies? Den wievielten Platz haben die jeweils gemacht?", fragte ich. „ Das ist es ja. Sie haben Platz 4&5! Keiner von beiden ist dabei! Wir fahren zu den Deutschen Meisterschaften und haben eine verdammt gute Chance. Die Gewinner von letztem Jahr sind nicht dabei, weil sie an den Europameisterschaften in Russland teilnehmen!" Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie meine beste Freundin in ihrem Zimmer auf und ab tanzte. Gerade als ich ihr von der mysteriösen Nachricht erzählen wollte, rief meine Mum mich zum Essen.

Rosie im Schlepptau lief ich wieder rein, nur um mich an den gleichen Tisch wie meine Schwester und ihr "Gefolge" setzten zu müssen. Dafür, dass Rosie erst seit heute bei uns war, war sie schon ganz schön anhänglich. Sie ließ sich zwischen meinem und Samanthas Stuhl nieder und schaute mich erwartungsvoll an. „ Hey Sam, unsere alte Tanzgruppe hatte ja den Vorentscheid für die Deutsche Meisterschaft, weder die Pixies noch die Snakes sind dabei und unsere Gruppe hat den ersten Platz gemacht"; erzählte ich meiner Schwester, denn auch wenn ich nicht gerade gut auf sie zu sprechen war, sollte sie es wissen. „ Oh Alexis, das ist ja toll, gratuliere Cat mal von mir", rief meine Mum erfreut aus der Küche. „ Wow, was juckt mich das? Ist doch nur eine langweilige Tanzgruppe", wow, meine Schwester war ja wirklich nett, „Wem gehört denn dieser Hund da?", fragte Sam dann, mit einem verächtlichen Blick.

Darauf hörte ich die Stimme meiner Mutter aus der Küche rufen:„ Sag mal Samantha, hast du vorhin nicht zugehört?" Ihre Stimme hatte einen leicht vorwurfsvollen Unterton, worauf Sam aber gar nicht zu achten schien. „ Was sollte ihr mir denn gesagt haben? Hier ist ein fremder Hund im Esszimmer und fertig. Außerdem sind Hunde ja eh nicht so toll, könnt ihr den nicht einfach wieder vor die Tür setzen?" Das war genug. Wütend stand ich au f, nahm Rosie auf den Arm und meckerte Sam ordentlich an. „ Ganz ehrlich, du bekommst hier eh nichts mehr mit. Ich stand vorhin eine viertel Stunde im Wohnzimmer um dir zu erzählen, dass Rosie jetzt zu unserer Familie gehört und du hast mich einfach ignoriert. Geht es dir noch ganz gut? Früher warst du die, die unbedingt einen Hund haben wollte und jetzt juckt es dich nicht das wir einen kleinen Welpen haben. Mum und ich haben Sie heute bei einem ihrer Kollegen abgeholt, du warst ja aber zu beschäftigt mit dem Winterball um irgendetwas davon zu merken. Genauso wie du mich die letzten Wochen komplett ignoriert und die Nachmittage und Wochenenden lieber mit Freundinnen verbracht hast. Auf so eine Zwillingsschwester wie dich Scheiß ich!" Ich schmiss ihr das Armband, was ich zu unserem Jubiläum bekommen hatte, auf den Teller und verschwand dann mit Tränen in den Augen nach oben in mein Zimmer.

Erst wollte ich auf WhatsApp gehen und mit Emily oder so schreiben, doch dann entschied ich mich um und steckte mir kurz darauf Kopfhörer in beide Ohren.

I'll spread my wings and I'll learn how to fly

I'll do what it takes till I touch the sky

And I'll make a wish, take a chance, make a change

And breakaway

Out of the darkness and into the sun

But I won't forget all the ones that I loved

I'll take a risk, take a chance, make a change

And breakaway

Ich hörte Breakaway von Kelly Clarkson. Ein Song den ich wahrscheinlich schon zweihundertmal gehört hatte. Trotzdem beruhigte er mich immer noch und ging mir nicht auf die Nerven. In dem Liedtext konnte ich einfach mein Leben sehen, meine Gefühle sehen. Es war irgendwie magisch. Okay, es mag komisch klingen, aber es ist einfach so. Dafür kann ich nichts. Schon erschreckend, dass Textzeilen so etwas bewirken können.

Nachdem ich gefühlt meine halbe Playlist gehört hatte, öffnete ich dann doch WhatsApp. Ich hatte ziemlich viele Nachrichten, wenn auch nur in einem Chat. ‚Unbekannt'. „ Okay ich fange an. Wie viel älter/jünger bist du als deine Zwillingsschwester?" Also entweder kannte diese Person mich wirklich oder er oder sie war ein krasser Stalker. Ich tippte allerdings eher auf ersteres. Die zweite Nachricht lautete: „ Noch da??" Nummer drei: „ Alles okay? War meine Frage blöd?" Vier: „ Hey, Alexis? Noch da, schreib bitte mal!" Die fünfte war eindeutig die längste: „ Nach den fünf Nachrichten hältst du mich bestimmt für einen krassen Stalker, oder? Naja tut mir leid, wollte nicht so aufdringlich sein..." Schnell flogen meine Finger über die Tastatur und tippten eine Antwort. Ich hatte sie abgeschickt bevor ich überhaupt noch einmal drüber gelesen hatte. „ hey, ich war gerade nur Essen, deshalb konnte ich nicht schreiben. Ich halte dich auch nicht für einen Stalker. Du gehst auf meine Schule, oder? Naja, bei mir ist alles okay. Mehr oder weniger, aber egal." Zufrieden nickte ich und legte mein Handy auf den Nachttisch. Als es kurz danach wieder vibrierte, hatte ich eine Antwort von ‚Unbekannt'.

Wir schrieben noch eine ganze Weile über sinnloses Zeug, das einzige was er mir noch erzählt hatte war, dass er ein Junge ist. Sehr informativ- man merke die Ironie! Naja egal, er schien zu einfühlsam für einen Jungen. Ich kannte ihn nicht und hatte trotzdem das Gefühl, dass er mich ganz genau kannte und ich mich ihm anvertrauen konnte.

Etwas tropfte mir ins Gesicht. War ich etwa wirklich eingeschlafen? Ich schlug meine Augen auf und Emily guckte mir mit einem breiten Grinsen entgegen. „ Guten Morgen, Schlafmütze!" Sie war voller Elan, was allerdings nichts Neues war, denn sie hatte eigentlich immer gute Laune. Als ich aufstand, hätte ich mich am liebsten wieder ins Bett fallen lassen, doch leider wusste ich, dass meine verrückte beste Freundin das nicht zulassen würde. Mühsam schleppte ich mich zu meinem Kleiderschrank und suchte fast in Zeitlupe meine Klamotten raus. Am Ende entschied ich mich für ein weißes T-Shirt und Blue Jeans. Mit es nicht ganz so langweilig wirkte band ich mir ein kartiertes Hemd um die Hüfte, Lederjacke darüber, Biker Boots dazu und fertig. Wir machten uns dann auf den Weg zu einem Café. „ Und wie war dein Wochenende mit James so?" „ Ganz nett, aber viel wichtiger ist, wie dein Wochenende war, Lexi! Oh und natürlich, dass morgen die Schule anfängt. Ich hab keine Lust darauf!" Sie redete wie ein Wasserfall und erzählte danach ausführlich von ihrem Wochenende mit James. Wir beide wollten uns einen Mädchentag machen und als wir zu ihr nach Hause gingen, machten wir uns, dort angekommen, direkt Gesichtsmasken. Es war lustig etwas mit ihr zu unternehmen. Vor allem, wenn sie wieder eine ihrer bescheuerten Ideen hatte. So wie heute. „ Lass uns mal rausgehen mit der Gesichtsmaske", man muss dazu erwähnen, dass sie grün ist, „ und versuchen als Aliens Unterschriften zu sammeln für unseren Heimatplaneten, den die Superhelden übernehmen wollen und am Ende gucken wir wer mehr hat!" Über diese Idee konnte ich nur lachen, fast hätte sie mich überzeugt, doch im letzten Moment hatte meine Mutter angerufen und mich gebeten mit Rosie Gassi zu gehen. Also war ich nach Hause gekommen.

Den Hundespaziergang verband ich direkt mit meinem täglichen Joggen, was ich heute ganz getrost vergessen hatte. War wahrscheinlich gut, dass ich es jetzt nachholte. Ohne auf die Zeit zu achten lief ich los und ließ mich dabei von Rosie führen. Die tollte durch das Wasser und vergrub ihr kleines Schnäuzchen immer wieder im Sand, der nie ganz abging. Es war süß sie so spielen zu sehen und sie holte sogar von irgendwo her einen Stock, den sie dann die ganze Zeit bis zu Hause mit sich schleppte.

Ich riss meine Zimmertür auf. Verschwitzt wollte ich mich auf mein Bett fallen lassen, doch als mir auffiel, dass es 'besetzt' war, schrie ich kurz auf, da ich mich so erschreckte. „ Ähm, was machst du hier?" „ Ich muss mit dir reden!" Die Stimme die mir antwortete, war der meines besten Freundes so gar nicht ähnlich.

„ Sag mal, bist du betrunken, James?" „ Nein!", lallte er vor sich hin. Sehr glaubhaft *hust* nicht. Was hatte er bloß gemacht? Eigentlich war James eher ein Typ, der vom Alkohol wegblieb, aber irgendetwas musste passiert sein. „ James, ist alles in Ordnung?" Man merkte, dass er hätte heulen können. „ Ganz und gar nicht, Alexis!"

New York Love StoryWhere stories live. Discover now