Kapitel 18

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Freitagmorgen. Halb sieben. Ich stand vor meinem Spiegel und wuschelte durch meine Haare. Egal was ich machte, es sah scheiße aus. Tja, vielleicht sollte ich einfach heute Abend nicht auf den Ball gehen. Vielleicht wollte mein Schicksal es nicht. Ich hatte verdammt nochmal keine Ahnung, wer X sein könnte und damit auch kein Date. Dann sah ich auch noch schrecklich aus und egal was ich tat, es wurde nicht besser. Mein Ballkleid war auch verschwunden. Außerdem hatte ich da so ein Gefühl, dass noch irgendwas passieren würde. Mein Bruder hatte sich inzwischen schon wieder in sein Zimmer verabschiedet.

Ich machte mich fertig, während der Rest meiner Familie unten beim Frühstück saß. Am Ende entschied ich mich für einen einfachen, eingeflochtenen Zopf und schminkte ganz leicht meine Augen. Endlich war ich fertig! Mit einem Blick auf die Uhr zeigte sich mir, dass ich eine ganze halbe Stunde gebraucht hatte. Schnell stürmte ich hinunter ins Esszimmer wo noch eine Schüssel Müsli stand, die ich in rekordverdächtiger Zeit verdrückte. Da ich doch noch genug Zeit hatte, schnappte ich mir Rosies Leine und ging noch für eine Viertelstunde mit ihr spazieren. Pünktlich um zehn vor Acht saß ich im Kursraum. Natürlich war schon der Morgen nicht ohne Vorfälle verlaufen. Erst war ich fast unsere Treppe runtergefallen, als ich zum Frühstück kommen wollte, dann war ich beim Spaziergang mit Rosie gegen einen Pfeiler gelaufen und auf dem Weg zur Schule auch nochmal. Nun wartete gespannt auf Emily. Sie hatte mir eine Nachricht geschickt, die übrigens der Grund für den zweiten Lauf gegen den Pfosten gewesen war, mit dem Text 'Ich muss dir unbedingt was erzählen'. Jetzt war ich natürlich ziemlich gespannt, was wohl so wichtig war, dass meine beste Freundin es mit einer Sms ankündigen musste. Drei Minuten später kam die durch die Tür und ließ sich außer Atem auf ihren Platz neben mir fallen. „ Hey, du wirst es nicht glauben, weißt du was, meine Mum..." Die Tür des Kursraumes ging auf und fiel kurz danach wieder ins Schloss. „ Good Morning!", kam unsere Englischlehrerin gut gelaunt auf das Pult zu spaziert und schaute sich einmal im Klassenzimmer um. „ Wir gucken heute einen Film", verkündete sie und im ganzen Kursraum brach Getuschel aus. „ Den Film habe ich schon im Voraus ausgewählt. Er heißt '10 Dinge, die ich an dir hasse'. Danach müsst ihr eine Analyse oder eine Charakterisierung zu den Hauptcharakteren schreiben, also passt lieber auf", der ganze Kurs stöhnte genervt, „wer kümmert sich darum, dass alles technische funktioniert und startet den Film?" Zwei Jungs meldeten sich und fingen an, alles vorzubereiten.

„ Naja, meine Mum meinte heute Morgen, dass sie..." Henry und James rutschten mit ihren Stühlen zwischen uns. „ Was auch immer es zu erzählen gibt, redet weiter.", sagte James ganz selbstbewusst. Dafür kassierte er sich einen Klaps auf den Hinterkopf von Emily. Genervt verdrehte sie dabei ihre Augen und warf ihm danach einen kurzen, bösen Blick zu. „ Das ist mein dritter Anlauf, wenn jetzt noch etwas dazwischen kommt oder wer stört, dann raste ich aus! Auf jeden Fall hat meine Mutter heute Morgen mit mir geredet und sie meinte- haltet euch fest- sie meinte, dass ich eine kleine Schwester bekomme. Meine Mum ist schwanger!" Henry und mir stand der Mund offen. James hingegen freute sich für Emily und lächelte sie an, als hätte sie gesagt, dass sie selbst schwanger ist. Meiner Meinung nach war dieses Verhalten seltsam und Henry und ich warfen uns einen Blick zu „ Oh mein Gott!", sagte ich dann, mich freuend, etwas zu laut. „ Miss Alexis, please be quiet", ermahnte mich meine Englischlehrerin.

Die restliche Stunde achteten wir nicht wirklich auf den Film, sondern unterhielten uns über das Baby. „ Können wir bitte heute nach der Schule Baby-Shopping machen? Und ich will eine Babyparty feiern und die organisiert sich nicht allein. Ich meine ja nur, meine Mum ist schließlich schon in der 26. Woche. Sie wollte es uns nur nicht sagen. Nur mein Dad und sie hatten davon gewusst." „ Em, heute Abend ist der Ball. Bist du sicher, dass wir das Shoppen vorher schaffen?", fragte ich. „ Du sagst es Lexi, er ist heute Abend! Bitte! James, du musst eh mitkommen. Henry, du lässt ihn doch bestimmt nicht allein. Also musst du auch mitkommen, Alexis und wir haben jetzt nach der Doppelstunde Englisch nur noch 2 Stunden Sport. Kein Grund, Angst zu haben, zu spät zum Ball zu kommen. Du hattest doch eh nicht vor, hinzugehen." Meine beste Freundin war echt gut, wenn sie jemanden überzeugen ist. Also willigte ich ein.

Die erste Sportstunde über spielten wir Volleyball und Basketball. In der zweiten wurden wir nach Jungs und Mädchen getrennt. Während wir Mädchen Aerobic machten, mussten die Jungs Zirkeltraining machen. Da wir uns die Halle teilen mussten, bekamen wir aber alle 2 Minuten Pfeifen von Jungs zu hören oder wurden von ihnen angestarrt, bis sie in den nächsten hinein liefen. Es war ziemlich lustig, dieses Affentheater mit anzusehen. Trotzdem war ich froh, als wir endlich in die Umkleide entlassen wurden. Schnell zog ich mich um und während Emily noch auf Toilette ging, wartete ich schon mal am alten Schultor auf die Jungs. „ Naa", Chris kam von hinten mit Henry und James an, „ich habe gehört, Emily muss Baby-Shopping betreiben. Naja, Spaß bei Seite, ich darf euch doch mit Sicherheit begleiten, oder nicht?" Ich nickte mit dem Kopf und hakte mich bei Emily unter, die gerade aus dem Schulgebäude gekommen war.

„ Oh mein Gott, schau dir das süße rosa Kleidchen an!" Emily winkte mich zu sich. Chris, James und Henry hatten alle schon beide Arme voll mit irgendwelchen Babysachen und trotzdem konnte Emily nicht aufhören, noch mehr auszusuchen. „ Du Emily, ich muss gleich gehen und außerdem sehen die Jungs nicht so aus, als könnten sie den ganzen Kram noch lange halten. Wie wäre es wenn wir uns da hinten auf das Sofa setzen und sortieren, was du wirklich nehmen willst und was zurückkommt." Nach kurzem Meckern zeigte sie sich dann doch mit meinem Vorschlag ein verstanden und die Jungs sahen mich dankend an. Wir verließen den Laden mit zwei großen Tüten. Die Jungs verabschiedeten sich schnell und Emily und ich setzten uns in einen Starbucks. Nachdem wir beide unseren Java Chip Chocolate Cream getrunken hatten, entschieden wir uns dafür noch Schminke für heute Abend kaufen zu gehen. Auch Emily war weg und ich stand jetzt alleine in der Mall.

Allerdings hatte ich auch noch etwas vor, denn seltsamerweise war mein Ballkleid aus meinem Zimmer verschwunden. Auf meinem Schreibtisch hatte das Geld gelegen, genau so viel, wie es gekostet hatte und daneben lag ein Zettel, auf dem in schnörkeliger Schrift, ich ging davon aus, dass Sam ihn geschrieben hatte, stand: „Tut mir Leid, dass ich dein Kleid genommen habe, aber mir wird es vermutlich besser stehen, das Geld hast du ja zurück." Daher bräuchte ich jetzt auch noch ein neues Kleid, was vermutlich schwer werden dürfte.

Ich schlich durch die Läden, naja, eher verhielt ich mich, wie ein Trampeltier und schmiss mal die Handtasche, mal den Kleiderbügel runter. Inzwischen hatte ich, wenn es hochkommt, schon zwanzig Kleider anprobiert, doch kein einziges von ihnen hatte mich umgehauen. Der einzige Trost für mich war, dass fast die Hälfte der Mädchen aus meiner Stufe noch kein Kleid zu haben schienen, denn einige hetzten noch durch die Geschäfte. Raus aus diesem Laden hier, am besten ohne irgendetwas herunter zu reißen und rein ins nächste Geschäft, hieß es für mich. Ich fuhr direkt die Rolltreppe nach unten und suchte die Abteilung für Abendkleider. Ich brauchte nicht lange, denn nach zwei Sekunden hatte ich alle Kleider abgescannt. Es war schon wieder kein schönes dabei. Enttäuscht ging ich Richtung Rolltreppe, bis ich dann stoppte. Da war es. Das perfekte Kleid! Es war einfach wunderschön. Jetzt gab es nur noch eine Frage, ob es mir passte. Schnell hastete ich durch die Abteilung und suchte eine Verkäuferin, da das Kleid nicht mehr in meiner Größe vorhanden war. Nachdem die Verkäuferin mir die richtige Größe im Lager rausgesucht hatte, meinte sie: „ Du hast Glück, das hier ist das allerletzte in deiner Größe, eigentlich ist das Kleid schon längst wieder aus der Produktion und wir verkaufen nur noch die Restbestände." Nachdem sie ihre kleine Rede beendet hatte, sprang ich schon fast in die Umkleidekabine. Das Kleid war wie für mich gemacht. Ich liebte die Farbe, ich liebte einfach alles. „Ist das Kleid für jemanden bestimmten?", fragte die Verkäuferin, als ich in dem Kleid wieder aus der Umkleide kam. Ich schüttelte, ein bisschen resigniert, den Kopf. „ Na egal, in dem Kleid wird jeder mit dir tanzen wollen. Vielleicht entdeckst du ja so deine große Liebe." Ich war mir nicht sicher, ob sie es nur aus Nettigkeit sagte, oder es ernst meinte. Schnell zog ich mich um und ließ es mir von der Verkäuferin einpacken.

Nach dem Bezahlen lief ich mit einem fetten Grinsen auf dem Gesicht nach Hause. Die Leute guckten mich zwar an als wäre ich die Grinsekatze 2.0, aber es war mir egal. Am liebsten hätte ich sofort Emily angerufen und ihr von dem Kleid erzählt, doch sie musste sich wohl noch bis zum Ball gedulden. Als ich zu Hause war, raste ich direkt die Treppe hoch, da es schon halb vier war und da der Ball um acht Uhr anfangen würde und ich noch mit Rosie spazieren gehen musste. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass mein Bett besetzt war und zwar nicht von meinem Bruder oder Rosie.


New York Love StoryWhere stories live. Discover now