8. Teil

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Melina's Sicht

Ich atmete tief durch und sah schließlich auf. Mein Blick fiel auf den Sessel und ich brauchte einen Moment um zu erkennen, dass dort immer noch Kelly saß, beziehungsweise schlief. 
Vorsichtig richtete ich mich auf. Sie hatte mir wieder neue Wickel gegen mein Fieber gemacht. Das ich davon schon wieder nichts mitbekommen hatte wunderte mich wirklich.
Und hatte sie etwa seit dem die ganze Zeit so da gesessen und auf mich ... aufgepasst? Bei dem Gedanken musste ich Lächeln und die Wärme kehrte in meine Brust zurück. 
Doch je länger ich sie betrachte, umso mehr fiel mir etwas auf. 
Sie sah fertig aus. Es war, als schien sie selbst im Traum etwas zu beschäftigen. 
Mir waren ihre Blicke vorhin nicht entgangen. Immer wieder war sie für einen kurzen Moment abwesend gewesen, nur um dann alles wieder mit einem Lächeln zu überspielen. Aber die Nachdenklichkeit und leichte Unsicherheit war mir trotzdem aufgefallen. 
Und dann erst ihr Verhalten bei dem LiveStream. So kannte ich sie nicht. 

Wieder musste ich an den Traum denken. Den Traum, den ich letzte Nacht gehabt hatte, und weswegen ich nicht mehr einschlafen konnte. 
Ich hatte von ihr geträumt. Von der wundervollen durch geknallten Frau, die mein Herz durch ihre liebenswerte Weise jedes Mal aufs neue schneller schlagen ließ. 
Ich habe versucht es zu verdrängen, aber jetzt, wo ich sie so ansah, wurde es mir immer mehr bewusst. 
Ich empfand etwas für Kelly, und es war nicht nur Freundschaft.

Leise, darauf bedacht keine Geräusche zu machen stand ich auf und ging zu hier hinüber. Die Decke, in die sie sich eingerollt hatte, lag halb auf dem Boden. Ich nahm sie und legte sie wieder über ihre Schultern. 
Ein leises Murren war ihre Reaktion darauf, was mir erneut ein Lächeln auf die Lippen zauberte. 
Ich strich ihr die Haare aus dem Gesicht und ging dann hinüber in unsere kleine Küche.
Das Wasser begann zu kochen und ich ließ meinen Blick aus dem Fenster schweifen. Am Horizont konnte ich den wundervollen Mount Esja sehen, für den ich bereits jetzt eine ganz schöne Schwäche entwickelt hatte. 

"Was machst du da?" Ihre zarte Stimme ließ mich aufschauen. Mit ihren zerzausten Haaren und den müden Augen sah sie wirklich süß aus und ich konnte mit ein Lächeln nicht verkneifen. 
"Tee. Willst du auch einen?" Sie nickte nur und richtete sich auf. 
"Wie viel Uhr haben wir denn?" Murmelte sie und fuhr sich durch ihre hellen Haare, die dadurch nur noch zerwühlter aussahen. 
"Kurz vor zwei nachts", antwortete ich mit einem Blick auf mein Handy, was sie wiederum zum stöhnen brachte. 
"Und ich dachte, ich könnte meinen zerstörten Schlafrythmus wieder in den Griff kriegen."  Grummelte sie. 

Das Klicken des Wasserkochers ließ mich kurz zusammenzucken, dann holte ich zwei frische Tassen aus dem Schrank und goss den Tee auf. 
"Wir sollten uns heute besser auch noch ausruhen", meinte ich und ging wieder hinüber zu ihr. Nickend stimmte sie mir zu und nahm dankend das heiße Getränk entgegen. 
"Dann wird wohl die Oper ausfallen", sagte sie und nippte an dem Tee. 
"Das holen wir nach. Sie ist schließlich so gut wie ständig geöffnet."
"Und dir geht es besser?" Fragte sie nach kurzem Schweigen. 
"Noch nicht perfekt, aber das Fieber ist so gut wie weg." 
"Gut"
"Bei der Pflege auch kein Wunder", lachend schüttelte sie den Kopf, aber mir entging der leichte Rotschimmer auf ihren Wangen nicht. 
"Wir sollten schlafen" murmelte sie irgendwann und ich stimmte zu. 
"Oder uns zumindest dazu zwingen", lachte ich und sie stimmte mit ein. 

Während sie ein wenig das Wohnzimmer aufräumte, machte ich mich bettfertig. Den ganzen Tag auf der Couch herumzuliegen hatten meinen Rücken ganz schön in Mitleidenschaft gezogen. 
Stöhnend ließ ich mich auf die ungeheuer bequeme Matratze meines Bettes fallen und schloss die Augen.
Es dauerte nicht allzu lange, da verstummten die Schritte von Kelly und sie knipste die Lichter aus. 
"Rück mal!" ich tat, was sie sagte, dann wurde meine Decke angehoben und ich konnte ihre Wärme spüren. Ich sah zu ihr hinüber, aber ihr Blick war an die Decke gerichtet. Sie wirkte nachdenklich und wieder trat dieser unsichere Ausdruck auf ihr Gesicht. 
"Hey, was ist los?"
"Nichts, was soll den sein?" das Zögern in ihrer Stimme entging mir nicht, und so legte ich mich auf die Seite, um sie besser ansehen zu können.
"Irgendwas beschäftigt dich schon den ganzen Tag und ich komm nicht drauf, was es sein könnte" offenbar hatte ich voll ins Schwarze getroffen, denn sie schluckte schwer und begann nervös an der Decke zu fummeln.
Sie tat sich schwer. Was auch immer ihr gerade durch den Kopf schwirrte, es musste ihr schon lange Bauchschmerzen bereiten. 
Ihre Hände bewegten sich unkontrolliert und schließlich legte ich meine wortlos auf ihre. Sie löste den Blick von der Decke und sah mich nun an. 

"Kennst du das Gefühl, wenn du nicht weißt ob es richtig ist, sich in eine bestimmte Person zu verlieben?"
Damit hatte ich nicht gerechnet. Unvorbereitet traf mich diese Frage und nun war ich diejenige, die schlucken musste. 
Ihre grauen Augen musterte mich aufmerksam und waren so klar und offen. Es bereitete mir eine Gänsehaut. Und dann noch ihre Worte. 

Sie war verliebt!

"Kennst du dieses Gefühl?" Hackte die nun nach. Offenbar hatte ich sie zu lange angestarrt und ihre Frage total vergessen. 
"Ja", hauchte ich. Meine Stimme wollte nicht so wie ich und erneut versuchte ich das raue Gefühl in meiner Kehle zu beseitigen. 
Und wieder kam es mir so vor, als wäre ich für sie ein offenes Buch. Als könnte sie alles von mir sehen. Meine Sorgen, meine Gedanken, meine Gefühle. Einfach alles. 
"Kelly, ich ..."
"Ich weiß" mein Herz raste noch immer, doch ihre Stimme war so sanft und ruhig. Genau wie ihr Blick. 
"Was weißt du?" Flüsterte ich, wobei ich mich nur noch verletzlicher fühlte. So war ich nicht. Dieses verletzliche Mädchen,  zumindest versuchte ich es immer zu vertuschen. Aber hier, zusammen mit Kelly in Island hatte das alles keine Bedeutung mehr. 

Nach Außen hin war ich immer die starke, lebensfrohe Melina. Nur wenige Menschen in meinem Umfeld hatten je dieses Zerbrechliche in mir gesehen, was ich doch immer so sorgfältig versuchte zu verstecken. Doch das ging nicht immer und jetzt konnte auch Kelly mich so sehen. 
Eigentlich sollte ich mich jetzt in meine Decke verkriechen und versuchen die Mauern um mich herum zu reparieren, aber das tat ich nicht. Denn ich fühlte mich nicht angreifbar oder verletzlich. Naja, vielleicht ein bisschen. Aber es störte mich nicht. 
Sie strahlte etwas aus, was mir das Gefühl gab in Sicherheit zu sein. Sie kümmerte sich um mich, und das nun nicht mehr nur, wenn ich krank war. Selbst ihr Blick schien mich beschützen zu wollen und das beruhigte mich. Zumindest für diesen Moment. Denn mein Herzschlag beschleunigte sich erneut, als sie ihre Finger leicht über meine Wange streifen ließ. 

"Du hast letzte Nacht im Schlaf geredet." wenn das irgendwie möglich war, dann begann mein Blut nun noch schneller durch meinen Körper zu pulsieren und meine Gedanken begannen sich zu drehen. Aber wieso? Ich wusste ja nicht mal mehr, was ich in meinem Fieberwahn geträumt hatte. Oder wusste ich es doch? 
Das Einzige, woran ich mich wage erinnerte war das Kribbeln in meinem Bauch und Kelly. 
Mein Unterbewusstsein machte mich in diesem Moment ziemlich fertig. 
Ich konnte nicht mehr sprechen und sah sie einfach nur an. 

"Bitte, hass mich dafür nicht" der nervöse Unterton in ihrer Stimme entging mir natürlich nicht. Ich war zwar noch immer damit beschäftigt, ruhig zu atmen, aber doch hob ich nun fragend eine Augenbraue. 
"Wie könnte ich dich hassen? Du hast doch nichts getan"
"Noch nicht"
Was sollte das jetzt heißen? Ich wurde aus ihr wirklich nicht schlau. Wieso verhielt sie sich so merkwürdig, und was hatte das mit meinen nächtlichen Selbstgesprächen zu tun?

Ich hab bisher noch nie einen richtigen Cliffhanger geschrieben, aber tada, hier ist er 😁
Schreibt mir eure Meinung wie immer in die Kommens!

Wünsche euch noch eine wundervolle Woche ☺️❤️

5:16 / Kellina Where stories live. Discover now