11. Teil

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Kelly's Sicht

Eine sanfte Priese streifte meine Nacken und ich kuschelte mich automatisch tiefer in meine Decke. Es war vollkommen still im Raum. Nur den gleichmäßige Luftzug konnte ich spüren, genau so wie die schützende Wärme, die mich umgab.
Vorsichtig öffnete ich meine Augen und blinzelte gegen die hellen Sonnenstrahlen, die sich bereits weit über das große Doppelbett erstreckten.
Ich spielte mit dem Gedanken aufzustehen und Frühstück zu machen. Melina würde sicher darüber freuen wenn ich sie damit überraschen würde.

Melina ...

Wie ein Schlag ins Gesicht viel mir etwas ein. Eigentlich nicht nur etwas, sondern alles!
Alles, was gestern Abend passiert war und ungewollt versteifte ich mich.
Mein Blick glitt an mir hinunter und blieb an der Hand hängen, die auf meiner Hüfte lag. Die Tattoos waren unverkennbar und wieder hatte ich das Gefühl, dass würde eine unsichtbare Macht auf meinen Brustkorb drücken. Ich konnte nicht richtig atmen.
Sie hatte ihre Arme von hinten um meine Mitte geschlungen und wieder konnte ich ihren Atem an meinem Nacken spüren. Kaum war mir das klar geworden, breitete sich die Gänsehaut auf meinem Körper aus und das Kribbeln in meinem Bauch wurde beinah unerträglich.
Was mich jedoch in diesem Moment am meisten verunsicherte war die Ungewissheit.
Sicher, sie hatte den Kuss erwidert, aber wieso sollte sie sowas überhaupt getan haben? Sie, Melina Sophie, die wohl fantastischste Frau die ich kannte, wollte mit Sicherheit nichts von jemandem wie mir.
Bestimmt war es nur aus Mitleid. Sie hatte mich getröstet, so wie schon so oft. Wieso sollte es jetzt anders sein.

"Kelly?" Ich hatte nicht gemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte, doch jetzt, wo ich ihre Stimme hörte, ließ ich die Luft aus meiner Lunge strömen.
Ihre Hand war von meiner Hüfte verschwunden und sie war ein paar Zentimeter von mir weg gerückt.

Es tat weh und ich fühlte mich sofort leer.

Langsam drehte ich mich zu ihr um und konnte nicht verhindern, dass allein ein Blick in ihre wunderschönen blauen Augen ausreichte, um mein Herz erneut still stehen zu lassen.
"Morgen", hauchte ich, da meine Stimme noch nicht zu mehr im Stand war.
Das Lächeln, welches sich jetzt auf Melina's Lippen ausbreitete war für meine Verfassung dabei nicht gerade hilfreich.
"Hast du gut geschlafen?" in ihre Augen trat ein leicht besorgter Ausdruck und ich musste schlucken.

Hatte ich gut geschlafen?

Ja, ich konnte mich nicht daran erinnern in den Armen eines anderen Menschen je besser geschlafen zu haben. Selbst meine Mutter war dabei nur Platz zwei.
Ich nickte als Antwort nur und war mir sicher, dass ich in diesem Moment aussah, wie ein viel zu scheues Reh.

Oh man, ich musste hier raus. So sehr ich ihre Nähe auch genoss, aber ich konnte nicht klar denken, wenn sie so dicht neben mir lag und auf mich hinunter sah. Ihre Haare hingen ihr leicht ins Gesicht und ihre Augen funkelten trotz der Besorgnis.
Mein Blick huschte kurz zu ihren zartrosa Lippen, bevor ich mich, schneller als gewollt, aufsetzte und aufstand.
"Ich hol schnell Brötchen fürs Frühstück." Meinte ich, bevor ich mir meine Sachen schnappe und beinah fluchtartig das Zimmer verließ.

...

Ich hatte gehofft, dass es einfacher werden würde, wenn sie es weiß. Aber das war es nicht, ganz im Gegenteil. Nun stand diese ungeklärte Frage zwischen uns und ein Gespräch war unausweichlich.
Wir würden über all das, was gestern Abend passiert ist, reden, und ich hatte Angst.
Angst davor, dass ich bereits wusste, wie sie reagieren würde.
Was sie zu mir sagen würde, und das meine Gefühl alles zerstören würden, was wir die letzten zwei Jahre eine einmalige Freundschaft genannt hatten.

Meine Füße trugen mich ohne Umschweife zum Becker. Ich musste mich sehr zusammenreißen, nicht auf der Stelle loszuheulen, aber es funktionierte.
Ehe ich's mich versah hatte ich schon alles für das Frühstück und war mit meiner Papiertüte auf dem Weg zurück in unser Apartment. Zurück zu Melina. Zurück zu all den ungeklärten Fragen. Und zurück zu einem Gespräch, was ich am liebsten noch mal zwei Jahre aufgeschoben hätte.

So sehr ich diese Ungewissheit hasste, so sehr beschützte sie mich auch. Es war, als würde ich in der Schwebe hängen. Alles um mich herum verlief in Zeitlupe und ich war in Mitte von all dem Chaos und raste auf den harten Boden der Realität zu. Nur die Ungewissheit war zwischen mir und dem Aufprall. Und ich wusste, dass ich diesen Aufprall nicht einfach so überstehen werde.

Meine Schritte hatten sich verlangsamt. Mein ganzer Körper sehnte sich plötzlich danach, einfach umzukehren und sich irgendwo zu verstecken. Den Moment in der Schwebe noch ein paar Stunde auszukosten.
Aber ich war noch nie ein Mensch gewesen, der mit seinen Wünschen Glück hatte.
Jahrelang hatte ich mir jemanden an meiner Seite gewünscht.
Der eine Kerl damals war ein Arschloch gewesen, egal wie viele Chancen ich im gab. Ich hatte ihn wirklich geliebt, bis er mich endgültig fallen ließ.

Und nun stand ich hier, vor unserer Wohnungstür und versuchte das letzte bisschen Hoffnung in mir zu ersticken.
Ich war kein Mensch, der jemals glücklich werden sollte, egal, wie viel Erfolg ich beruflich mit YouTube hatte.
Vielleicht ist das auch einfach der Ausgleich. Zu viel Glück im Beruf, Pech in der Liebe.
Ich würde alles dafür hergeben wenn ich mir dann sicher sein könnte, dass das mit Melina und mir eine Zukunft hat.

Noch einmal atmete ich tief durch, bevor ich mich endgültig der Realität stellte und die Wohnungstür aufschloss.


Danke, für all die süßen Kommentare unter dem letzten Kapitel. Ihr seid wirklich immer aktiv und dafür wollte ich mich einfach mal bedanken ☺️❤️
Hier seid klasse !!! 😘

Da ich ab Sonntag wieder für eine Woche unterwegs bin 🇮🇹, hab ich mal ein längeres Kapitel rausgehauen.
Hoffe es gefällt euch und über Feedback freue ich mich immer sehr 😊

Wünsch euch ein wundervolles Wochenende ☺️❤️

5:16 / Kellina Where stories live. Discover now