Kapitel 44

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Und so vergingen Tage, vielleicht sogar Wochen, denn ich verlor mein Zeitgefühl.
Mir blieb keine Zeit zum Nachdenken, ich versuchte alles zu verdrängen. Die Bilder von der Schießerei, die Toten, die Schreie und Jayden.
Immer seltener sah ich ihn, was mich verdammt traurig machte. Ich war enttäuscht.
Ich hatte mich mit ihm geirrt.

Er war das Arschloch, das er vorgab zu sein.

Anfangs fing ich noch ein paar flüchtige Blicke von ihm, da versuchte ich es mit einem Lächeln, doch er drehte sich meistens um oder ignorierte mich vollkommen.

Hatte ich etwas falsch gemacht?

Zur Zeit war Mathe.
Wir haben einen Arbeitsauftrag bekommen, den jetzt alle mehr oder weniger konzentriert bearbeiteten, doch ich war mit meinen Gedanken wo anders.
Madison, du hast mir ganz schön den Kopf verdreht.
Wütend verzog ich das Gesicht. Ich wollte nicht daran denken. Seine 'Freundinnen' verdrehten ihm bestimmt alle den Kopf.
Ich würde ihm gerne wortwörtlich den Kopf verdrehen. Oder noch besser abreißen.

Ich sah auf meine Armbanduhr.
Noch eine halbe Stunde bis Schulschluss.
Da ich unbedingt jetzt schon eine kleine Auszeit brauchte von Mathe, obwohl ich überhaupt nichts gearbeitet habe, fragte ich die Lehrerin, ob ich auf die Toilette gehen dürfte.

So langsam wie nur möglich schlenderte ich an lauten und mucksmäuschenstillen Klassen vorbei auf die Mädchentoilette.

Ich erledigte mein Geschäft, wusch mir meine Hände und betrachtete mich im Spiegel. Ungeschminkt, gerötete Wangen und die Haare in einem hohen Zopf.
Heute war nicht mein Tag.
Zum Abschied meines Spiegel-Ichs zog ich eine Grimasse und machte mich dann wieder auf den Rückweg.

Höchst interessiert schaute ich mir Kunstwerke von den Schülern unserer Schule an, die ausgestellt waren, als ich plötzlich zurück schreckte, da jemand vor mir stand.
Ohne hoch zu gucken, sagte ich schnell:

"Oh, sorry."

Doch allein an Hand des Schlüsselbeins, das auf meiner Augenhöhe lag, erkannte ich, wer sich da vor mir befand.

"Jayden?"

Er weitete seine Augen kurz, doch fing sich sehr schnell wieder. Emotionslos machte er einen Schritt zur Seite und ging weiter.

Das war nicht sein Ernst, oder?
Nicht mit mir.
Ich lasse mir das nicht mehr gefallen.

"Warte!", rief ich und joggte zu ihm, doch er hielt nicht an.

"Jayden, jetzt bleib doch mal stehen!"

Ein wenig außer Puste versperrte ich ihm den Weg. Ohne etwas zu sagen, zog er eine Augenbraue hoch und steckte die Hände in seine Hosentasche.

"Was verdammt nochmal ist los mit dir?"

Ich kochte innerlich.

Provozierend hob er die Schultern.

"Was soll sein?"

Geschockt schnaubte ich.
Unglaublich.

"Willst du mich auf den Arm nehmen? Du ignorierst mich!"

Überrascht zog er nun beide Augenbrauen hoch.

"Tu ich das?"

Das konnte doch nicht wahr sein.

"Warum verhältst du dich so? In New York-"

"In New York", höhnisch lachte er auf, "du bist so naiv, Madison."

Mehr brauchte er gar nicht zu sagen, denn ich konnte eins mit eins zusammenzählen.

Du bist so naiv, Madison.
Du bist so naiv, Madison.
Du bist so naiv, Madison.

Badboy's BabyWhere stories live. Discover now