Kapitel 19

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"Ich bin noch nicht einmal eine ganze Woche in Mittelerde und überlege schon, wieder heimzugehen!", knurrte Kilian ungläubig. Er starrte missmutig in die Runde.

Die Lehrer hatten verstanden, dass wir nach dieser Flut an Information erst einmal eine Bedenkpause nötig hatten. Wir hatten uns alle in den Musiksaal zurückgezogen, da der immer noch der bequemste war, und hofften, irgendwie eine Lösung zu finden. Kilian war der erste, der das betretene Schweigen gebrochen hatte.

"Hey, DU warst doch der erste, der losgestürmt ist!", beschwerte sich Lea. Sie saß neben Ebru und Laura auf einem der Sofas, die Beine angezogen und den Kopf auf die Knie gelegt.

"Pass auf, wir hatten drei Möglichkeiten: angreifen und versuchen nicht zu sterben, weglaufen und die drei allein kämpfen lassen oder stehen bleiben und zusehen. Keine war besonders toll!", rechtfertigte er sich.

"Ich glaube nicht, dass du dir in so einem Moment solche Gedanken gemacht hast." Philipp sah ihn ungläubig an. Mein Bruder grinste.

"Nein. In Wirklichkeit hatte ich Angst, dass ich zwischen Schock, Wut, Panik, blankem Entsetzen und gleichzeitig Faszination für das Durchhaltevermögen von Frodo, Sam und Lindir wahnsinnig werde. Also habe ich versucht, auf meine Art damit fertig zu werden." Ich schnaubte. Auf seine Art wurde er mit irgendetwas normalerweise fertig, indem er eine Runde zockte. Oder den Fußball gegen die Garage donnerte. Aber ich war nicht viel besser, also zwang ich mich, den Mund zu halten, und kramte meine Mappe hervor, die ich auf dem Weg hierher mitgenommen hatte.

"Was machst du da?", fragte Tonja irritiert.

"Ich versuche, das Ganze auf meine Art zu verarbeiten... Hat jemand einen Stift?" Johanna, die sich kurzerhand auf das Lehrerpult gesetzt hatte, warf mir einen Kuli zu. "Die Firma dankt!"

"Harry Potter", sagte Kilian abwesend. "Zitat von Fred und George."

"Du musst schon sagen, wer von beiden!" Ich grinste ihn schief an.

"Ihr seid doch wahnsinnig!", platzte Mira heraus. "Ihr, alle drei-", sie zeigte nacheinander auf Johanna, mich und meinen Bruder, "-müsst komplett den Verstand verloren haben!"

"Wieso jetzt ICH?", fragte Kilian verletzt. "Ich bin kein verrücktes Fangirl, dass einen Anfall bekommt, wenn ein komischer Koreaner einen Engel küsst!" Johanna sah verletzt aus.

"Das war aber auch echt nicht fair! Ich weiß immer noch nicht, ob mit dem Engel jetzt V gemeint war oder-"

"-V war doch aber ihr Lover, oder?", unterbrach er sie und zeigte auf mich. Hatte ich schon erwähnt dass ich es wie die Pest hasse, wenn sich jemand abfällig über meine Fandoms äußert? Ich holte aus und warf den Kugelschreiber nach ihm. Er duckte sich unter ihm hindurch und Cara sah mich entsetzt an.

"Nina! Du kannst doch nicht einfach einen Stift nach deinem Bruder werfen!"

"Sie hat Recht, das war erbärmlich!", meinte Johanna. Sie warf mir einen zweiten Kuli zu. "Versuch's nochmal!"

Mein Bruder flüchtete sich hinter Ben und Nico. Ich grinste ihm zu, drückte auf den Stift und begann zu schreiben. Ungeachtet dessen, was gerade passiert war, fuhr Mira fort. "Ihr könnt mir doch nicht erzählen, dass ihr alle drei einen Kampf wie den vorhin in Kauf genommen hättet, nur um in eurem Lieblingsfilm eine Rolle zu spielen!"

"Es geht doch nicht darum, in einem Film aufzutauchen!", schoss Johanna zurück. "Ich hatte eigentlich gehofft, sollte so etwas doch irgendwie passieren, würde das an den Büchern und Filmen nichts ändern. Schließlich liebe ich sie ja so, wie ich sie kennengelernt habe." Miras Blick wanderte zu mir.

Elbisch für AnfängerWhere stories live. Discover now