Kapitel 14

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"Fuck!", schrie ich und klammerte mich verzweifelt an meine Schulter.

Neben mir blickte Chung Hee ungläubig rüber, nur um dann das Fach vor mir zu öffnen und darin herumzukramen.

"Hör zu, Jamie, wenn ich aussteige, öffnest du die Tür und haust so schnell ab, wie es geht. Verstanden?", sagte er mit einem strengen Ton.

Trotz der höllischen Schmerzen und der Tatsache, dass die Männer plötzlich auf unseren Wagen zukamen, schaute ich ihn schockiert an.

"Bist du irre? Die haben jetzt schon geschoss- Woher hast du die Waffe?!" 

Tatsächlich hob mein Bruder nun eine schwarze Pistole in der Hand und kontrollierte das Magazin.

"Die alte Dame im Motel hat sie mir gegeben.", antwortete er nüchtern, als wäre das total normal und selbstverständlich. 

"Bist du verrückt? Die sind mindestens zu hundert und haben Millionen Waffen! Und wir sind nur zu zweit, während ich angeschossen", heilige Scheiße,"wurde und alles voll blute und du nur eine mickrige Waffe hast." Man konnte mich bestimmt draußen hören, so schrill und laut sprach ich. Aber mal im Ernst, ich wurde verdammt noch mal angeschossen und mir wurde wirklich etwas schwummrig, denn die Wunde verlor überraschend viel Blut. Das schien mich an sich noch nicht ganz zu stören, doch meinem Körper schon. Neben den Schmerzen, fühlte ich mich auch, als hätte ich zu viel getrunken.

"Sie sind zu fünft und haben wenn überhaupt nur zehn Waffen.", kam es wieder nüchtern von meinem Bruder. Und ab da verstand ich es. Chung Hee hielt natürlich nicht zum ersten Mal eine Waffe in der Hand, oder sah auch nicht zum ersten Mal jemanden aus einer Schusswunde bluten. Er war das hier gewohnt. Schließlich war er nun schon eine Weile in dieser Branche tätig gewesen.

"Lauf nicht nach hinten, sondern gleich rechts in den Wald. Da hast du mehr Schutz und bist keine zu große Zielscheibe. Ich komme dann nach. Eins, zwei", die Männer waren mittlerweile extrem nah und einer brachte die anderen mit irgendetwas zum Lachen, "Drei!"

Chung Hee riss seine Tür auf und sprang aus den Wagen. Und weil ich keine bessere Idee hatte, machte ich es ihm nach. Die ganze Welt drehte sich, durch die plötzliche Bewegung und meine Schulter fing zu pochen an, doch ich zwang mich, mich zusammen zu reißen.

Trotz dem Drang nach hinten zu laufen, oder hier zu bleiben, um sicher zu gehen, dass Chung Hee keinen Mist baute, rannte, oder versuchte es zumindest, ich zum besagten Wald.

"Die Kleine haut ab!", schrie jemand, nur um vom ersten Schuss unterbrochen zu werden.

Ich zuckte bei dem lauten Geräusch zusammen und hoffte, dass irgendjemand es hören würde und die Polizei rufen würde. Doch weiter kam ich nicht dazu, darüber nachzudenken, da weitere Schüsse mich drangen, noch schneller in den Wald zu gelangen.

Jemand schrie und ich blieb ruckartig stehen. Genau bei den ersten Bäumen. Meine Hand schwer auf die warme Wunde gepresst. Ich drehte mich um, um sicher zu gehen, als ich ihn rufen hörte.

"Lauf! Jamie, lauf!"

Wenn Chung Hee rufen konnte, musste es ihm gut gehen, redete ich mir ein.

Ich holte tief Luft und rannte wieder weiter. Nun war ich im Wald und schlängelte mich durch die Bäume. Hier und da blieb ich mit meinen Haaren oder Klamotten hängen und hin und wieder stieß ich mit meiner Schulter an einen Baum, was mich aufkeuchen ließ, doch ich kam überraschend gut voran.

Bis die Schüsse weiter hinter mir aufhörten.

War es vorüber?

Hatte Chung Hee es tatsächlich geschafft?

Ich drehte mich im Kreis und versuchte auszumachen, aus welcher Richtung ich gekommen war.

Doch ich hatte einfach keine Ahnung mehr. Durch meinen Drang, weit weg zu kommen, hatte ich meine Orientierung verloren und war nun in einer wildfremden Gegend in einem mir fremden Wald. Mit der Unsicherheit, ob mein Bruder lebte oder erschossen auf der Straße lag.

Ungewollt musste ich schluchzen und es rollten mir tatsächlich Tränen über das Gesicht.

Wütend wischte ich sie weg, was ich sofort bereute, denn in meiner Verwirrung hatte ich die verletzte Schulter bewegt. Es fühlte sich plötzlich an, als wäre der Schmerz tausendfach schlimmer geworden und würde sich nun durch meinen ganzen Körper fressen. Es war so schlimm, dass mir kurz schwarz vor den Augen wurde, und meine Beine zu zittern anfingen.

Ehe ich mich versah, kniete ich auf der feuchten Erde und krümmte mich nach vorne. Mein Atem war durch den Schmerz und das Gerenne, abgehackt und laut. Erst jetzt fiel mir auf, wie nass sich mein Oberteil  anfühlte und wie metalisch es roch.

Ich blutete verdammt stark.

Verzweifelt kniff ich die Augen zusammen und versuchte, mich zu beruhigen.

Du musst weiter, Jamie!

Hörst du! Steh auf und renn! Hau ab!

Aber es ging nicht!

Mein Körper reagierte nicht und ließ mich in Stich. Er war müde, genauso wie ich.

Wütend über mich selbst, schrie ich verzweifelt auf. Das war einfach nicht fair!

"Na, Kleine? Machst du eine Pause?", kam es von hinten.

Schreiend vor Schock drehte ich mich in Windeseile um, nur um mein Gleichgewicht zu verlieren und auf die Erde zu fallen. 

Mit großen Augen starrte ich zu dem Mann, der etwas schwer atmend vor mir stand. Mit einer Pistole in der Hand und einen Blick der mir schlecht werden ließ.

"Na na, keine Sorge. Ich bin ein guter Freund deines Bruders. Mein Name ist Ricki."

Das Lächeln auf seinen Lippen, ließ mir schon schlecht werden, doch bei der Erwähnung des Namens gefror mein Blut in meinen Adern.

Was war mit Chung Hee passiert?!

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