Kapitel 6

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"Hey, wo hast denn deine Hose gelassen? Hast ja gar keine an", hörte ich eine Stimme hinter mir fragen.

"Ja ne ach was du Spaßvogel, ist mir noch gar nicht aufgefallen, " antwortete ich mürrisch, ohne mich umzudrehen.

Die Stimme lachte. Fest entschlossen diesem Jemand mal ganz ordentlich meine Meinung zu geigen, drehte ich mich dann doch um. Zu meiner Überraschung stand da allerdings kein Besoffener, der mich lüstern angaffte, sondern Jeremy, der mich schief angrinste. In der Hand hielt er die Sachen, die Elena für mich geholt hatte. Ungläubig starrte ich ihn an.

"Wie... Wie hast du mich gefunden?" stammelte ich noch immer irritiert. Schulterzuckend antwortete er:

"Naja, Mystic Falls ist eine kleine Stadt. Und es gibt nicht viele Orte, wo du um diese Uhrzeit hinkönntest!"

Da mochte er wahrscheinlich Recht haben. Außerdem kannte er sich in dieser Stadt auf jeden Fall deutlich besser aus, als ich es tat. Und ich war hauptsächlich geradeaus gelaufen, zumindest soweit ich mich erinnern konnte. Da Jeremy mir die Sachen, die er mitgebracht hatte, immer noch entgegenstreckte, nahm ich sie zögerlich und wurde leicht rot. Die Situation war mir unangenehm, auch wenn ich nicht genau beschreiben konnte warum. Vielleicht, weil ich noch immer nichts an hatte, vielleicht aber auch, weil er mir hatte hinterherlaufen müssen, damit ich Kleidung bekam.

"Danke", hauchte ich und strich mir verlegen eine Haarsträhne hinter mein Ohr.

Ich war mir sicher, dass ich inzwischen einer Tomate gleichen musste. Da weder er noch ich ein Wort sagten und wir uns nur gegenseitig anblickten, wurde es immer unangenehmer zwischen uns. Irgendwie musste ich dieser peinlichen Situation entfliehen. Ich blickte auf die Kleider in meiner Hand, entschuldigte mich kurz wortkarg und eilte in Richtung Toilette. Dort angekommen atmete ich erst einmal tief durch, bevor ich mir die Kleidung von Elena überzog. Die Klamotten fühlten sich seltsam an auf der Haut und der muffelige Geruch trug nicht gerade zu meinem Wohlbefinden bei. Aber es war immer noch besser, als quasi in Unterwäsche vor den Fremden zu stehen. Und nicht zu vergessen vor Jeremy. Ich blickte in den Spiegel und musterte mich. Die Klamotten passten mir nicht ganz, sie waren etwas zu eng, da Elena doch nochmal deutlich schlanker war, als ich. Schön war auf jeden Fall etwas anderes. Aber es erfüllte seinen Zweck und das war das Wichtigste. Unter meinen Augen entdeckte ich tiefe Augenringe, die mir so noch nie aufgefallen waren. Beziehungsweise war ich davon überzeugt noch nie solche Augenringe gehabt zu haben. Außerdem fiel mir auf, dass ich ein wenig bleich wirkte. Vielleicht kam das aber auch nur durch das eher spärliche und vor allem künstliche Licht. Ich öffnete den Wasserhahn und ließ ein wenig kaltes Wasser über meine Finger laufen. Nach einiger Zeit spritzte ich auch etwas von dem Wasser in mein Gesicht, um wieder einigermaßen frisch auszusehen. Der Effekt war wie zu erwarten gewesen, gleich null. Frustriert drehte ich den Hahn wieder zu und seufzte noch einmal tief, bevor ich die Toilette wieder verließ.

Erneut sah ich mich in dem einzigen Raum vom Mystic Grill um. Diesmal konnte ich dies ungestört tun, keiner der Gäste beachtete mich. Jetzt sah ich eben aus wie ein ganz normales Mädchen. Wobei ein Mädchen, dass nachts hier eigentlich nichts zu suchen hatte. Aber da es keinen zu stören schien, kümmerte es mich auch nicht weiter. Suchend ließ ich meinen Blick weiter durch die Bar streifen, doch ich konnte Jeremy nirgends entdecken. Auch als ich vor die Tür trat, um dort nachzusehen, war von ihm weit und breit keine Spur zu entdecken. Niedergeschlagen ging ich zurück in die Bar und setzte mich an Tresen.

Ich war enttäuscht. Wiedermal war ich ganz allein. Warum war er mir gefolgt, wenn er sich dann doch gleich wieder aus dem Staub machte? „Die Leute hier sind wirklich seltsam", dachte ich kopfschüttelnd. Ich bestellte mir erstmal ein Bier. Als ich die Flasche bekam, trank ich einen Schluck und schüttelte mich. Das war bei mir immer so, wenn ich Bier trank. Ich mochte es nicht sonderlich und konnte mir nicht erklären, warum ich es trotzdem immer wieder trank. Gehörte wohl einfach zum jung sein dazu. Noch ein Schluck. Und wieder schüttelte es mich am ganzen Körper. Ich sollte wirklich aufhören Bier zu trinken, auch wenn es in meinem Freundeskreis wirklich der einzige Alkohol war, der konsumiert wurde. Das Zeug schmeckte einfach grauslich.

A night in Mystic Falls ( The Vampire Diaries FF)Where stories live. Discover now