Kapitel 25

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Ich hatte noch immer mein Gesicht in meinen Händen vergraben und mich mit meinem Schicksal abgefunden, als ich Stimmen hörte. Stimmen, die immer lauter wurden. Zuerst dachte ich, sie würden meinem Kopf entspringen, dass ich verrückt werden würde, dass ich halluzinierte vor lauter Einsamkeit. Deshalb hatte ich auch viel zu viel Angst, dass ich noch immer in dieser undurchdringlichen Dunkelheit saß, als dass ich wirklich aufschauen wollte. Und trotzdem wollte sich die Neugier von meiner Angst einfach nicht vertreiben lassen, sodass ich doch vorsichtig aufschaute. Ich wollte einen kurzen Blick riskieren, ob die Stimmen vielleicht doch keine Wahnvorstellung meinerseits waren.

Und ganz langsam, mit geschlossenen Augen, hob ich meinen Kopf. Ich atmete noch einmal tief durch und öffnete vorsichtig meine Augen. Dämmriges Licht empfing mich. Meine Augen mussten sich kaum daran gewöhnen, denn es war nicht sonderlich hell. Neugierig sah ich mich um und bereute es sofort. Der Ort an dem ich mich nun befand, war schaurig und jagte mir Gänsehaut über den Rücken. Er wurde nur von Kerzen erleuchtet, was ihn nicht weniger unheimlich erscheinen ließ. Ich befand mich in der Mitte eines fast runden, altertümlichen Raumes. Vor mir befand sich ein etwas erhöhtes Podest. In der Mitte dieses Podestes saß ein alter Mann, auf einem großen, alten Holzstuhl. Der alte, streng wirkende Mann trug einen schwarzen Anzug, wie ihn die Männer früher getragen hatten. Um ihn herum saßen nur Frauen, in langen mittelalterlich wirkenden Gewändern. Sie waren unterschiedlichen Alters. Manche gerade einmal so alt wie ich, andere mindestens hundert Jahre alt. Die Frauen saßen verteilt links und rechts von dem alten Mann. Ich zählte auf jeder Seite sechs Frauen.

Im restlichen Raum gab es so etwas, wie eine Zuschauertribüne, welche auch aus Holz war. So wie alles hier in diesem Raum. Doch die Zuschauertribüne wirkte viel einfacher, als das Podest. Auf dem Podest waren alle Stühle kunstvoll und aufwendig verziert. Die Tribüne bestand aus einfachen Holzbänken. Von ihren Bänken konnte alle auf mich herabblicken, was sie auch taten. Ich fühlte mich wie auf dem Präsentierteller. Oder wie auf einer Anklagebank. Wie eine Verbrecherin. Eine Angeklagte eben.

Ich schluckte schwer. Denn scheinbar, war ich dies ja auch. Scheinbar war dies ein Gerichtssaal. Ein Gerichtssaal im Land der Traumwandler. Und das dort oben musste der Rat der Traumwandler sein. Von dem hatte mir Grandma erzählt. Sie hatte mir erklärt, dass dieser Rat auf die Einhaltung der Regeln achtete und aber auch über jeden Traumwandler wachte. Und sie verteilten die Aufgaben. Sie regierten sozusagen über das Land der Traumwandler und erledigten alle Aufgaben, die damit zusammen hingen. Das alles hatte mir Grandma erklärt. Grandma... Wo war sie? Panisch suchte ich mit meinen Augen den Raum ab, in der Hoffnung sie würde irgendwo sitzen. Vielleicht im Rat? Oder unter den Zuschauern. Ich spürte die Enttäuschung, als ich feststellte, dass sie nicht hier im Raum war. Ich spürte, wie die Enttäuschung Tränen mit sich brachten. Ich verstand das alles einfach nicht. Warum war ich hier? So schlimm war es doch gar nicht gewesen. Ich hatte niemandem von unserem Geheimnis erzählt. Wieso also stand ich nun vor Gericht? Und vor allem, warum ließ mich Grandma in dieser Situation alleine. Warum beschützte sie mich nicht? Ich fühlte mich einfach verloren. Verlassen. Einsam.

Mein Blick fiel wieder auf den alten Mann in der Mitte. Diesmal bemerkte ich auch, dass er mir quasi direkt gegenüber saß. Ich versuchte aus seinem Gesichtsausdruck schlau zu werden. Versuchte herauszufinden, ob der Rat sauer auf mich war. Versuchte herauszufinden, was mich nun erwarten würde. Doch ich wurde einfach nicht schlau aus diesem alten Mann. Vor allem, da er mich überhaupt nicht zu beachten schien. So wie all die anderen auf diesem Podest auch. Es war, als hätten sie überhaupt nicht bemerkt, dass ich hier war. Nur das Publikum starrte mich an. Ich konnte ihre Blicke auf mir spüren. Und wenn ich in ihre Gesichter gesehen hätte, hätte ich viele unterschiedliche Emotionen sehen können. Da gab es die, die sich schon auf das Kommende freuten. Die sich darauf freuten, dass endlich mal wieder was passierte in ihrem Leben. Wenn man das denn Leben nennen konnte, denn sie waren schließlich schon gestorben. Im Land der Traumwandler verweilten nur die toten Traumwandler. Und dann gab es die, die mir mitleidige Blicke zuwarfen. Die mich wohl besser verstanden, als ich es vielleicht selbst tat. Die auch geliebt hatten und wussten, was auf mich zukommen würde. Dann gab es die neugierigen Blicke. Die kamen von den Neuen. Also von erst kürzlich verstorbenen Traumwandlern. Traumwandlern, die genauso viel wussten wie ich, nämlich überhaupt nichts. Und dann gab es noch die wütenden Blicke. Diese Traumwandler stellten die Regeln über alles und hassten jeden, der sich brach. All diese Blicke prasselten ohne Pause auf mich ein und mit jeder Sekunde schrumpfte ich auf meinem Stuhl zusammen. Vollkommen eingeschüchtert und verängstigt.

A night in Mystic Falls ( The Vampire Diaries FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt