80 | Innere Zerrissenheit

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80 Innere Zerrissenheit

Angespannt schlug ich die Augen auf. Ich fand in dieser Nacht einfach keinen ruhigen Schlaf. Immer wieder wurde ich zwischendurch wach. Ich brauchte einen Augenblick, um mich an die Dunkelheit zu gewöhnen.

Elina war verschwunden. Es war zu dunkel, als dass ich die Uhrzeit auf meiner Armbanduhr lesen konnte. Doch da die Sonne noch nicht aufgegangen war, war es irgendwann mitten in der Nacht. Ich betrachtete einen Moment lang die leere Seite des Bettes. Noch immer war es meinem Kopf nicht gelungen, das Chaos zu ordnen.

Elina hatte Probleme mit ihrer Blase vermutet, war zum Arzt gegangen und hatte dann von ihrer Schwangerschaft erfahren. Dann war Yasin vorbeigekommen, um mit ihr zu sprechen und ihr war das Bild aus der Tasche gefallen. Er hatte es zufällig gesehen. Elina hatte ihm also gar nicht davon erzählt. Also war es nicht so, dass sie ihm mehr vertraute als mir. Es war ein dummer Zufall gewesen.

Nach und nach realisierte ich, dass Elina in dieser Sache gar keine Schuld traf. Natürlich hätte sie es mir früher sagen müssen; andererseits war es nun auch wieder nicht so, dass sie es monatelang vor mir verheimlicht hatte. Daraus jetzt ein riesiges Drama zu veranstalten, nur weil sie ein paar Tage gebraucht hatte, sich ein Herz zu fassen, erschien mir ziemlich übertrieben.

So wie ich die Sache sah, hatte ich überhaupt keinen Grund und auch nicht das Recht, wütend oder enttäuscht zu sein. Ihr jetzt vorzuwerfen, dass sie es mir nicht sofort erzählt hatte - das war wahrscheinlich jetzt Auslegungssache. Vielmehr sollte ich mir die Frage stellen, wie ich jetzt mit der Gewissheit umgehen würde.

Elina erwartete ein Kind von mir, also musste ich mir so schnell wie möglich eine gefestigte Meinung zu dem Thema bilden. Ich wusste nicht, wie lang ich wach lag und darüber nachdachte. Lang genug jedenfalls um mich irgendwann zu wundern, wieso Elina nicht ins Bett zurückkehrte.

Leise schlich ich in den Flur und blieb dort stehen. Dann lauschte ich in die Stille des Hauses hinein. Ich suchte Elina zuerst im Bad, doch das Bad war leer. Ich setzte meine Suche nach Elina im Erdgeschoss fort.

Draußen schien ein Sturm zu toben, der an den heruntergelassenen Rollos rüttelte. Als ich langsam die Treppe hinunter schlich hörte ich plötzlich leise Stimmen aus dem Wohnzimmer. Ich blieb kurz stehen und versuchte sie zu verstehen, doch es gelang mir nicht. Ich blieb wie angewurzelt im Türrahmen des Wohnzimmers stehen.

Elina lag dort auf der Couch unter einer Wolldecke und drehte sich unruhige Laute von sich gebend hin und her. Währenddessen flimmerte irgendein alter schwarz-weiß Film vor sich hin. Ich seufzte lautlos, dann betrat ich den Raum. Ich versuchte Elina nicht zu wecken als ich nach der Fernbedienung suchte, um den Fernseher auszuschalten. Elina murmelte irgendetwas Unverständliches vor sich hin und drehte sich dann wieder auf die Seite. Dabei rutschte die Wolldecke von ihrem Körper.

Ich hob die Decke auf und betrachtete Elina einen Moment. Dann endlich entdeckte ich die Fernbedienung. Ich schaltete den Fernseher aus und blieb unschlüssig vor der Couch stehen. Ich wusste überhaupt nicht, wie ich mich Elina gegenüber jetzt verhalten sollte. Ich brauchte einfach Zeit. Vorsichtig legte ich die Wolldecke wieder über Elinas Körper. Wieder brachen all diese quälenden Gedanken über mich herein. Ich wollte plötzlich nur noch weg von hier; weg von Elina.

Ich fühlte mich seltsam leer, als ich ein paar Minuten später den verschneiten Gehweg entlang durch die Dunkelheit lief. Elinas Nähe hatte mich nahezu erdrückt, also hatte ich mir kurzerhand einen Jogginganzug, Boots und einen Wintermantel angezogen und stapfte unentschlossen durch den Schnee. Neben mir her lief Minnie, die offenbar so dringend ihr Geschäft erledigen musste, dass sie ununterbrochen um meine Füße herumgelaufen war und aufgeregt gehechelt hatte.

Secrets & Lies | Kontra KWhere stories live. Discover now