12. Zuhause ist da wo das Herz ist.

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110. Nani

Es war der längste Flug ihres Lebens. Minuten wurden zu Stunden und selbst das Kinoprogramm des Langstreckenfluges war nicht sonderlich spannend. Sie starrte unentwegt aus dem Fenster und kämpfte mit sich nicht schreiend zusammen zu brechen. Vierundzwanzig endlose Stunden gefangen in der ersten Klasse des Flugzeuges. Sie hatte gehofft ihre Heimat erst nach einem Jahr wiederzusehen und nicht jetzt schon. Unter den jetzigen Voraussetzungen hätte sie das schon mal gar nicht erwartet. Erst die Scheidung ihrer Eltern und jetzt das. Ihre Eltern mussten ja nicht mehr zusammen sein, aber wenigstens sollte ihr Vater überleben. Beide hatten das Recht Glücklich zu werden. Neue Partner zu finden und ein neues Leben anzufangen. Egal wo auf der Welt. Genau wie sie. Hatte sie nicht ein Anrecht darauf glücklich zu werden. Sie war einfach noch nicht so weit ihren Vater gehen zu lassen. War man denn als Tochter überhaupt so weit, einen Elternteil gehen zu lassen? Wahrscheinlich niemals. Nani landete in Auckland und zu ihrer Verwunderung wartete ihre Schwester auf sie. Nani hatte sie gefühlt jahrelang nicht gesehen. Doch das zeigte ihr nur wie ernst die Lage war. Ihre Schwester saß auf ihrem Gepäck und wartete auf sie. Kenna lächelte sie freundlich an. Sie war all das, was Nani nicht war, groß, dunkele Haare und modern. In den USA war sie ein erfolgreiches Modell und lief regelmäßig für die großen Modelabels in den Staaten. Selbst in Paris ist sie schon für Lagerfeld gelaufen. "Nun ich hätte mir einen schöneres Wiedersehen gewünscht!" Sagte Nani zu ihr und umarmte sie. "Weißt du irgendwas Neues?" Fragte Kenna sie. "Wie denn? Ich saß dreiundzwanzig, scheiß Stunden im Flugzeug!" Zischte sie ihre ältere Schwester an. "Ich erreiche Mum nicht!" Sagte sie und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Nani hatte einfach keinen Kopf für ihre Schwester, dennoch nahm sie die junge Frau in den Arm. "Lass uns erst mal schauen, dass wir nach Wellington kommen!" Sagte sie zu ihr. "Nein Dad ist hier in Auckland im Krankenhaus!" Sagte Kenna und damit wusste ihre Schwester schon mal mehr wie sie selbst. "Na dann!" Nani nahm ihre Tasche und sie liefen zum nächsten Taxi. "Weißt du in welchem Krankenhaus?" Brummte sie und packte ihren Koffer in den Kofferraum. "Memorial!" "Okay!" Sie stiegen ins Taxi. "Wohin?" Fragte der Fahrer die beiden. "Ins Memorial!" "Hospital?" Nani nickte. Es dauerte eine weitere halbe Stunde, bis sie am Krankenhaus waren. Bereits in der Empfangshalle entdeckte sie ihre Großeltern. Doch die roten Augen und die tiefen Falten in ihren Gesichtern verrieten nichts Gutes. Kam sie etwa zu spät? War alles umsonst gewesen? Es war furchtbar als ihre Großmutter ihr schluchzend um den Hals fiel.

111. Marco

Er kam vom Joggen. Normalerweise trainierte er ungern alleine draußen, aber er hatte frische Luft gebraucht. Nach dem Marco eine Stunde lang zuhause die Wand angestarrt hatte und unentwegt an Nani gedacht hatte. Es war ziemlich komisch, dass die junge Frau seit einer Woche nicht bei ihm war. Er hatte sogar mit Nico telefoniert, der geheult hatte warum er jetzt alleine zuhause mit seiner kleinen Schwester sein musste und alle nur das Baby anstarrten. Marco war aufgewühlt, vorallendingen weil Nani sich immer noch überhaupt nicht bei ihm gemeldet hatte. Ihr Flug war nun auch schon eine Woche her. Marco hatte ihr gefühlt ein duzend Nachrichten geschickt, doch sie antwortete einfach nicht. Ihm brannten die Beine, so schnell war er gelaufen, als sein Telefon klingelte. Er zog sein Smartphone aus der Tasche als Nanis Nummer auf dem Display zu sehen war. "Hallo?" Fragte er außer Atem und begann seine Muskeln zu dehnen. "Hi!" Sagte sie leise. "Ich bin so froh, dass du dich meldest!" Sagte er leise. "Tut mir leid, eher ging es nicht!" Sagte sie mit belegter Stimme und machte eine Pause. "Mein Dad ist gestern gestorben!" Sagte Nani mit gefasster Stimme. Marcos Magen verkrampfte. "Es tut mir leid!" Sagte er ganz automatisch und es war genauso gemeint. Es tat ihm unglaublich leid für sie. "Es war besser für ihn!" Gab sie zu. "Er wäre nicht der selbe gewesen, wenn er überlebt hätte." Sie machte eine Pause. "Ich werde noch eine Weile hier bleiben müssen." "Nimm dir alle Zeit die du brauchst!" Versicherte er ihr. "Kannst du deine Schwester anrufen?" "Ja ich kümmere mich um alles!" Beruhigte er sie. "Ich melde mich noch mal die Tage!" Murmelte sie. "Nani?" Fragte er. "Geht es dir gut?" Was dümmeres war ihm nicht eingefallen und Marco verfluchte sich, dass ihm nichts anders eingefallen war. "Heute geht es mir nicht so gut!" Gab sie zu. "Ich melde mich bei dir!" Nani legte einfach auf. Marco verfluchte sich, wie konnte er nur so dumm gewesen sein? Es war doch ganz logisch, dass es ihr nicht gut ging. Wie würde er sich nach dem Tod seines Vaters fühlen? Er wollte lieber nicht da drüber nachdenken. Er pfefferte sein Handy in die Ecke und ging duschen. Wenigstens da konnte er keinen Schaden anrichten.

Au-Pair-Affaire / Marco Reus und Raphael GuerreiroWhere stories live. Discover now