Fünfzehn: Vodka-Weltende

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Anmerkung: Dieses Kapitel habe ich schon 2021 geschrieben, und die ohnehin fiktive Geschichte ist unabhängig vom jetzigen Ukraine-Konflikt zu betrachten. Es soll wirklich nur eine lustige und dumme Geschichte sein, die jemand im Suff erzählt, dabei die Kultur komplett überspitzt und politisch und auch idealistisch sehr verkürzt denkt. Nun aber viel Spaß damit, hoffe ich!

Anders steht in der Küche, mit einem Messer in der Hand und einer Ananas vor sich. Das ist nicht seine Ananas, und auch nicht sein Messer und das ist nicht seine Küche. Eine Freundin von Nika hat mal über ihren Freund gesagt, dass eine der vielen Sachen, die sie an ihm so liebte, war, dass er in fremden Küchen anfing sich zu orientieren, um für die anderen zu kochen, die zu betrunken und high oder was auch immer sind. Und dass er dann für die anderen Essen machte. Anders konnte das sehr gut verstehen. Er hatte Angst, in die Ananas zu schneiden. Das war so ne riesige und feste Frucht, fast so schlimm schon wie Wassermelonen. Aber er wollte Toast Hawaii machen. Also los jetzt.

Anders blinzelte ein letztes mal nach links und rechts, um sicherzugehen dass ihn niemand beobachtete falls er an der Ananas scheitern würde. Irgendwo auf einem Sofa hatten Menschen einen Kuschelhaufen gebildet wovon ein Arm herüberragte und von einer anderen Hand die Fingernägel lackierte. Kurz kniff Anders neugierig die Augen zusammen, konnte aber beim besten Willen nicht ausfindig machen, zu wem was gehörte. Andere flochten sich die Haare oder steckten sich gegenseitig Katjes in den Mund. Es sah aus wie ein einheitliches Lebewesen, dass mehrarmige Selfcare betrieb. Anders wäre auch gern mal so ein Lebewesen. Er wusste, dass dies ohne Symbiosen auf Dauer nicht möglich war, doch er traute sich einfach nicht. Bis dahin fand er, dass er hier an der Arbeitsfläche mit der Ananas aber eine ganz gute Ökologische Nische gefunden hatte, um etwas zu diesem sozialen System beizutragen.

Je größer und lieber die Gruppe und je friedlicher man selbst (wenn auch nur äußerlich), desto einfacher war es, weniger oder gar nichts zu sagen. Anders liebte das, und es tat immernoch besser, einfach zuzuhören ohne dazu zu gehören, als komplett alleine zu sein. Vielleicht guckten alte Menschen deshalb aus dem Fenster oder setzten sich Obdachlose auch ohne um Geld zu bitten einfach an belebtere Orte. Das Murmeln in der Küche, die leise Musik aus irgendjemandes Box und die Perspektive, gerade für die anderen etwas zu essen zu machen gaben Anders fast das Gefühl, als könnte es richtig gut sein, das Leben. Und sich in nächster Zeit ein bisschen verbessern lassen. Vielleicht war das gar nicht so schwer und er hatte schon mehr, als er vielleicht dachte.

Nika kam auf einmal vorbei und stupste ihn mit der Hüfte an. Anders mochte nicht tanzen. Nika war angetrunken und glücklich und wollte ihn mitziehn, und klar meinte sie das lieb, oder dachte es lieb zu meinen, doch auf einmal störte ihn das. "Nika ich koch grad, lass mal bitte.", sagte Anders so lieb wie es ging, auch, um sich selbst nicht noch mehr wehzutun. Seine Schwester kicherte und stürzte sich begeistert und vorsichtig auf den Kuschelhaufen, um sich in diesen hineinzuweben. Da musste Anders wieder den Kopf schütteln und lächeln. So. Jetzt aber endlich mal die Ananas! Zack. Scheitern und feststecken. Messer wieder raus. Von der anderen Seite nochmal ein bedachteres Zack. Geht doch.

Während Anders die tropische Frucht zerlegte, wurde das Murmeln leiser und irgendein Typ hatte eine Erzählerstimme aufgelegt. Anders hatte noch irgendetwas von Gutenachtgeschichte und dass man nur mit friedlichem Vibe einschlafen konnte gehört. Nun spitzte er die Ohren, Podcasts beim Kochen waren schließlich son Ding. Und Dinge, die son Ding sind, kann man ja mal ausprobieren.

Anders naschte das erste Stück Ananas dass er abgeschnitten hatte. Der Typ der nun erzählen wollte, fuhr sich durch die Dauerwelle und nahm noch einen Schluck. Dann erhob er seine Stimme.

"Aaaalso. Es war so: Der russische Geheimdienst hat irgendwo ein gigantisches, also wirklich unermesslich großes Vodka-Lager. Die USA dachten, da ist das Bernsteinzimmer oder... nein warte.. die Daten von einem sofort "verschollenen" TikTok-Tutorial das zeigte, wie man den Mann aus Monopoly satanistisch beschwören und zum Leben erwecken kann. Also machte die USA das Einzig Gute was ihnen einfiel: sie jagten ein ebenso unermesslich großes Atombomben-Kriegsflugzeug das sie noch in einer Abstelkammer bissl versteckt hatten in dieses mysteriöse Lager hinein, um an die geheimen Daten zu gelangen. Dass sie dabei alles nur kaputt machten weiß ja jedes Kind, aber das nur so am Rande.Die Vodkatanks brachen also, und eine gewaltige atomar-verseuchte Vodkawelle ergoss sich über das Land, den Kontinent, die Ozeane und die Welt. Zum Glück desinfizierte der Alkoholanteil die Radioaktivität, ist doch klar. In kürzester Zeit gelangte der Vodka ins Grundwasser, in den Golfstrom, und ins Regenfass von deiner Oma wo der Goldfisch drinne wohnt und die Mückenlarven wegfressen muss. Der Alkohol lag in der Luft und kam ausm Wasserhahn, gelangte gar bis in jede Gefriertruhe. Auch wenn er dort flüssig blieb, denn er ist schließlich Alkohol, ne? Mit diesem absoluten Vodkaerguss, hehe, wäre es beinahe zeitgleich zu einer Flut von Fakenews gekommen, um den dritten Weltkrieg zu vertusch..eln, bis der Erdball komplett eskaliert. Doch das spielte keine Rolle, denn dafür waren alle viel zu schnell besoffen. Die großen reichen Ärsche der Welt -pardon, die iniziierenden und suggerierenden Eliten unseres wunderschönen Planeten: sie versuchten sich mit Abschottung, Luftfiltern, Masken und mit Sprudelwasser, Duschverzicht - iiiiihhhh! - und Schutzanzügen oder Marsflügen vom Alkohol fernzuhalten. Denn sie wollten, nein, konnten doch nicht zu der breiten Masse gehören, die kompletten Kontrollverlust erlebte. Doch aufgrund der fehlenden Vodka-Desinfektion starben sie einfach alle an der Radioaktivität, die in der Luft lag. Na Endlich. Die waren aber auch dumm. Und die Welt ward somit gerettet von ihnen. Den Pflanzen und Tieren und der durchs Cornern gut gewappneten Jugend, sowie allen gutherzigen und hartgesottenen Omas und Opas ging es super, den hyperaktiven Kindern die ohnehin ihren Stoffwechsel stets stabil hielten, auch. Der ganze Globus war glücklich und ausgelassen und friedlich und dumm. Voll - und voll von Liebe. Am nächsten morgen blinzelten alle verkatert auf und hielten sich in den Armen. Das Erwachen war so ernüchternd und klar und pur. Auf der Welt ward es endlich... bisschen so wie Kommunismus oder Anarchismus? Ach es war halt einfach nice so. Alle sorgten für jeden und keiner haute sich die Taschen voll. Und weil niemand mehr durch Egoismus leiden musste, leben sie noch heute, glücklich und in tiefem und nachhaltigen Frieden. - ach und lieb hatten sie sich auch, ok: Ende!"

Der Kuschelhaufen hatte erstaunlich gut zugehört, vielleicht aber auch, weil ein Teil davon in der zeit eingeschlafen war. Dann begannen leise kritische, aber auch respektvolle Diskussionen. Anders schob das fertige Blech in den Ofen. Und machte sich seine eigenen Gedanken.

Ein paar Leute fanden die Geschichte lustig, andere zu blöd. Auf einmal sagte eine recht ruhige Person mit rot gefärbtem Kurzhaarschnitt und schwarzem Hoodie: "Hey, lass uns das doch einfach so zusammen fassen: Man hätte es sich nicht ausmalen können, wie schön die Welt doch sein kann, wenn alle Hass und Gewalt und Neid für nur einen Tag und eine Nacht vergessen."

Die anderen nickten. Dann verdichtete sich der Kuschelhaufen wieder friedlich, was ein Zeichen für weniger reden und mehr Head-Scratches ist. Anders beobachtete das Toast. Die ersten Käse-Blasen bäumten sich auf und er verlor sich hingebungsvoll in deren Beobachtung. Die flimmernde Hitze des Ofens und das rege Blubbern und Verknuspern schaffte es, seine ganze müde-aufgedrehte Faszination einzunehmen. Auf einmal hockte sich jemand neben ihn "Huhu, kann ich später so eins da essen?". Anders nickte. Die Person lächelte ihm eine Zahnlücke entgegen. "Cool, danke. Willst du dafür ein bisschen hellblauen Nagellack?". Eigentlich wollte Anders das nicht, aber er wollte die Gemeinschaft, oder zumindest wollte er sie wollen, also nickte er. "Klar gerne danke.". Und dann bekam er einfach so einfach ein bisschen Farbe drauf.

Und wie er sich ansah, wie ein Fingernagel nach dem anderen in einem hellblauen Anstrich glänzte, und wie lieb und bedacht der Zahnlückenmensch am Werk war, da dachte Anders auf einmal an Möven. Und darüber freute er sich, ohne zu wissen, wieso. Erinnerte es ihn vielleicht an Urlaub? 

Und da kam plötzlich der Gedanke: 

er dachte gerade an Ernst.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 26, 2023 ⏰

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Ernst und AndersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt