Zwölf

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Die Wochen zogen an mir vorbei, rannen mir wie Sand durch die Finger. Aidan wurde von Tag zu Tag kaputter, sein nussbraunes Haar länger und ungepflegter und seine zyaninblauen Augen trüber, leerer. Während Raven mir gegenüber immer wie mehr aufging. Wir hüllten uns in Schweigen, während wir durch den Park spazierten, wir blieben still, wenn wir zusammen waren. Ich mochte ihre Stimme und würde sie liebend gerne hören wollen, jedoch erfüllte mich alleine ihr bezauberndes Lächeln.

Regentropfen prasselten auf mich nieder, tauchte die Umgebung in einen rhythmischen Klang. Ich stand an einem trockenen Platz unter der sicheren Baumkrone, die mich von der Nässe des Herbstregens bewahrten. Ich dachte an Raven, mein Mond. Sie hatte mir vor wenigen Tagen begeistert erzählt, wie sehr sie den Regen liebte. Aidan hatte den Regen ebenfalls geliebt. Wieder verdrängte ich ihn. Ich hatte ihn gerne für Raven aufgegeben.

Aidans Worte hatten mich niemals interessiert, bei ihm war mir seine Schwärmerei über den Regen gleichgültig gewesen, bei Raven allerdings hörte ich aufmerksam mit einem Lächeln zu. Ich spürte das Bedürfnis für sie den Regen einzufangen. Die Feuchte in der Luft, jene auf der Haut kribbelte, der Geruch nach morschem Holz und nassem Asphalt, das klangvolle Plätschern der Regentropfen und der Anblick der sich bildenden Kreisen in etlichen Pfützen. Ich wollte all die Regentropfen, ihr fahles Schimmern einsammeln und ihr erwartungsvoll überreichen. Sie sollte strahlen, mir als Gegenzug ihr atemberaubendes Lächeln schenken. Ich wollte sie in die Arme schließen, sie beschützen mit allem was ich hatte. Für sie wollte ich alles aufgeben. Sie war meine Begierde, ihr galt meine Bewunderung, sie war alles.

Ein Grinsen zog meine Mundwinkel in die Höhe, schnitt in meine Wangen und verweilte. Mein Herz raste, schlug gewaltsam gegen meine Rippen. Sie war die Diebin meines Herzen, sie war mein.

Kein Wunsch geht in Erfüllung ohne Kampf. Doch nicht jeder Wunsch ist erfüllbar und nicht jeder Kampf bestreitbar.

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Rabenschwarz - Die Existenz von NiemandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt